begabtesten. Ein jeder von ihnen trägt seine Tra- gödie im Herzen, die hebt und erquickt ihn. Der Schmerz ist der edelste Reiz. -- --
Joel drückte ihm die Hand. Sein Schmerz lös'te sich in einzelne Worte, endlich in eine zusam- menhängende Erzählung auf. Und es ist mit dem Schmerze ebenfalls wie mit schmollenden Liebesleu- ten: wenn sie erst zu sprechen anfangen, und sich ihr Leiden vorhalten, dann folgt auch die Ver- söhnung.
Sein Vater Manasse spielte die Hauptrolle in der Erzählung. "Dieser lange, magre Mann," sagte Joel, "war einst kräftig und schön, und in seiner gefurchten Stirn liegen lange, abenteuerliche Geschichten, unglückliche Geschichten. Er hat allen Wissenschaften obgelegen, die den menschlichen Geist anziehn, und nichts ist ihm geblieben, was sein Alter reizt und mit Antheil erfüllt, als sein Geld und sein Sohn. Nach jenem strecken tausend Diebe die Hände, über Nacht kann es verschwunden sein; der Sohn, sein Stab und seine Stütze verläßt ihn mit Undank. Der Glaube, an den sich der Vater krampfhaft klammert, obwohl er seinem Herzen
begabteſten. Ein jeder von ihnen trägt ſeine Tra- gödie im Herzen, die hebt und erquickt ihn. Der Schmerz iſt der edelſte Reiz. — —
Joel drückte ihm die Hand. Sein Schmerz löſ’te ſich in einzelne Worte, endlich in eine zuſam- menhängende Erzählung auf. Und es iſt mit dem Schmerze ebenfalls wie mit ſchmollenden Liebesleu- ten: wenn ſie erſt zu ſprechen anfangen, und ſich ihr Leiden vorhalten, dann folgt auch die Ver- ſöhnung.
Sein Vater Manaſſe ſpielte die Hauptrolle in der Erzählung. „Dieſer lange, magre Mann,“ ſagte Joel, „war einſt kräftig und ſchön, und in ſeiner gefurchten Stirn liegen lange, abenteuerliche Geſchichten, unglückliche Geſchichten. Er hat allen Wiſſenſchaften obgelegen, die den menſchlichen Geiſt anziehn, und nichts iſt ihm geblieben, was ſein Alter reizt und mit Antheil erfüllt, als ſein Geld und ſein Sohn. Nach jenem ſtrecken tauſend Diebe die Hände, über Nacht kann es verſchwunden ſein; der Sohn, ſein Stab und ſeine Stütze verläßt ihn mit Undank. Der Glaube, an den ſich der Vater krampfhaft klammert, obwohl er ſeinem Herzen
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begabteſten. Ein jeder von ihnen trägt ſeine Tra-
gödie im Herzen, die hebt und erquickt ihn. Der
Schmerz iſt der edelſte Reiz. — —
Joel drückte ihm die Hand. Sein Schmerz
löſ’te ſich in einzelne Worte, endlich in eine zuſam-
menhängende Erzählung auf. Und es iſt mit dem
Schmerze ebenfalls wie mit ſchmollenden Liebesleu-
ten: wenn ſie erſt zu ſprechen anfangen, und ſich
ihr Leiden vorhalten, dann folgt auch die Ver-
ſöhnung.
Sein Vater Manaſſe ſpielte die Hauptrolle in
der Erzählung. „Dieſer lange, magre Mann,“
ſagte Joel, „war einſt kräftig und ſchön, und in
ſeiner gefurchten Stirn liegen lange, abenteuerliche
Geſchichten, unglückliche Geſchichten. Er hat allen
Wiſſenſchaften obgelegen, die den menſchlichen Geiſt
anziehn, und nichts iſt ihm geblieben, was ſein
Alter reizt und mit Antheil erfüllt, als ſein Geld
und ſein Sohn. Nach jenem ſtrecken tauſend Diebe
die Hände, über Nacht kann es verſchwunden ſein;
der Sohn, ſein Stab und ſeine Stütze verläßt ihn
mit Undank. Der Glaube, an den ſich der Vater
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/76>, abgerufen am 18.07.2024.
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