denke mit Schrecken an die schönen Augen Constan- tiens, wenn sie auf Dich fielen. Es war nicht jene Leidenschaft in ihnen, die wir an ihr scheuten, sie waren sanft und milde, aber es lagen Wünsche -- bin ich nicht recht einfältig, Dich selbst aufmerksam zu machen. Ach, liebe, küsse, sei glücklich, mein Herz, mein Blut, o, mein Valerius, den ich liebe, liebe so ganz und gar. Aber ich bin ja Dein "starkes Mädchen" nicht mehr, Du wirst mir Alles erzählen, und mich immer mitlieben. Ja?" --
Nach diesem Briefe war es um die Entzückungen vom vorigen Abende geschehen. Er glaubte errö- then zu müssen vor sich selbst, solch einer Liebe nicht allein, ungetheilt anzugehören. Mochten auch all seine Gedanken und Philosopheme über Liebes- sachen lächelnd ihre Stimme erheben, mochten sie ihn schelten, daß er einer alten eingelebten Gewohn- heit seine Ueberzeugung opfere, daß es thöricht sei, zu darben, um romantischen Grillen zu genügen -- er ließ sich nicht besiegen, und ging nicht mehr zur Fürstin.
Das Herz allein ist der Richter in solchen Din- gen, sprach er, und mein Herz duldet es nicht.
denke mit Schrecken an die ſchönen Augen Conſtan- tiens, wenn ſie auf Dich fielen. Es war nicht jene Leidenſchaft in ihnen, die wir an ihr ſcheuten, ſie waren ſanft und milde, aber es lagen Wünſche — bin ich nicht recht einfältig, Dich ſelbſt aufmerkſam zu machen. Ach, liebe, küſſe, ſei glücklich, mein Herz, mein Blut, o, mein Valerius, den ich liebe, liebe ſo ganz und gar. Aber ich bin ja Dein „ſtarkes Mädchen“ nicht mehr, Du wirſt mir Alles erzählen, und mich immer mitlieben. Ja?“ —
Nach dieſem Briefe war es um die Entzückungen vom vorigen Abende geſchehen. Er glaubte errö- then zu müſſen vor ſich ſelbſt, ſolch einer Liebe nicht allein, ungetheilt anzugehören. Mochten auch all ſeine Gedanken und Philoſopheme über Liebes- ſachen lächelnd ihre Stimme erheben, mochten ſie ihn ſchelten, daß er einer alten eingelebten Gewohn- heit ſeine Ueberzeugung opfere, daß es thöricht ſei, zu darben, um romantiſchen Grillen zu genügen — er ließ ſich nicht beſiegen, und ging nicht mehr zur Fürſtin.
Das Herz allein iſt der Richter in ſolchen Din- gen, ſprach er, und mein Herz duldet es nicht.
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denke mit Schrecken an die ſchönen Augen Conſtan-
tiens, wenn ſie auf Dich fielen. Es war nicht jene
Leidenſchaft in ihnen, die wir an ihr ſcheuten, ſie
waren ſanft und milde, aber es lagen Wünſche —
bin ich nicht recht einfältig, Dich ſelbſt aufmerkſam
zu machen. Ach, liebe, küſſe, ſei glücklich, mein
Herz, mein Blut, o, mein Valerius, den ich liebe,
liebe ſo ganz und gar. Aber ich bin ja Dein
„ſtarkes Mädchen“ nicht mehr, Du wirſt mir Alles
erzählen, und mich immer mitlieben. Ja?“ —
Nach dieſem Briefe war es um die Entzückungen
vom vorigen Abende geſchehen. Er glaubte errö-
then zu müſſen vor ſich ſelbſt, ſolch einer Liebe
nicht allein, ungetheilt anzugehören. Mochten auch
all ſeine Gedanken und Philoſopheme über Liebes-
ſachen lächelnd ihre Stimme erheben, mochten ſie
ihn ſchelten, daß er einer alten eingelebten Gewohn-
heit ſeine Ueberzeugung opfere, daß es thöricht ſei,
zu darben, um romantiſchen Grillen zu genügen —
er ließ ſich nicht beſiegen, und ging nicht mehr zur
Fürſtin.
Das Herz allein iſt der Richter in ſolchen Din-
gen, ſprach er, und mein Herz duldet es nicht.
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/231>, abgerufen am 28.07.2024.
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