Momente sind's gewesen, welche den Menschen zum ersten Male den stolzen Glauben erzeugt haben, sie seien Gott ähnliche Wesen.
Valerius flüchtete wieder zu seinem geliebten Strome hinaus, heute mit seiner Lust. Heim konnte er nicht, das Zimmer war zu enge für sein Herz, denn es ist eine mehr als figürliche Redensart, daß das Herz sich ausdehnt von großen Gefühlen -- man braucht wirklich mehr Raum, und in einer kleinen Stube kann man nicht so viel Glück aus- strömen, als in freier Luft.
"Kühles, unparteiisches Wasser, heut beneide ich Dich nicht!" rief er aus. Aber er gestand sich's eigentlich selbst nicht genau, was ihn beglücke, er hüllte es in das große himmelblaue Wort "Liebe." Und der Liebe, jeder Liebe, meinte er, dürfe man sich immer freuen, sie sei der Herzensodem des Lebens. Der kleine vorlaute Gesell in seinem Bu- sen, mit dem kritischen, verdrießlichen Angesichte kam heute nicht zur Audienz mit seinem Geflüster. Umsonst sprach er von der schönen Constantie auf Grünschloß, wo dem Herrn Valerius die bloße freundliche Zuneigung derselben Dame störend, lästig
III. 10
Momente ſind’s geweſen, welche den Menſchen zum erſten Male den ſtolzen Glauben erzeugt haben, ſie ſeien Gott ähnliche Weſen.
Valerius flüchtete wieder zu ſeinem geliebten Strome hinaus, heute mit ſeiner Luſt. Heim konnte er nicht, das Zimmer war zu enge für ſein Herz, denn es iſt eine mehr als figürliche Redensart, daß das Herz ſich ausdehnt von großen Gefühlen — man braucht wirklich mehr Raum, und in einer kleinen Stube kann man nicht ſo viel Glück aus- ſtrömen, als in freier Luft.
„Kühles, unparteiiſches Waſſer, heut beneide ich Dich nicht!“ rief er aus. Aber er geſtand ſich’s eigentlich ſelbſt nicht genau, was ihn beglücke, er hüllte es in das große himmelblaue Wort „Liebe.“ Und der Liebe, jeder Liebe, meinte er, dürfe man ſich immer freuen, ſie ſei der Herzensodem des Lebens. Der kleine vorlaute Geſell in ſeinem Bu- ſen, mit dem kritiſchen, verdrießlichen Angeſichte kam heute nicht zur Audienz mit ſeinem Geflüſter. Umſonſt ſprach er von der ſchönen Conſtantie auf Grünſchloß, wo dem Herrn Valerius die bloße freundliche Zuneigung derſelben Dame ſtörend, läſtig
III. 10
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Momente ſind’s geweſen, welche den Menſchen zum
erſten Male den ſtolzen Glauben erzeugt haben, ſie
ſeien Gott ähnliche Weſen.
Valerius flüchtete wieder zu ſeinem geliebten
Strome hinaus, heute mit ſeiner Luſt. Heim konnte
er nicht, das Zimmer war zu enge für ſein Herz,
denn es iſt eine mehr als figürliche Redensart, daß
das Herz ſich ausdehnt von großen Gefühlen —
man braucht wirklich mehr Raum, und in einer
kleinen Stube kann man nicht ſo viel Glück aus-
ſtrömen, als in freier Luft.
„Kühles, unparteiiſches Waſſer, heut beneide ich
Dich nicht!“ rief er aus. Aber er geſtand ſich’s
eigentlich ſelbſt nicht genau, was ihn beglücke, er
hüllte es in das große himmelblaue Wort „Liebe.“
Und der Liebe, jeder Liebe, meinte er, dürfe man
ſich immer freuen, ſie ſei der Herzensodem des
Lebens. Der kleine vorlaute Geſell in ſeinem Bu-
ſen, mit dem kritiſchen, verdrießlichen Angeſichte
kam heute nicht zur Audienz mit ſeinem Geflüſter.
Umſonſt ſprach er von der ſchönen Conſtantie auf
Grünſchloß, wo dem Herrn Valerius die bloße
freundliche Zuneigung derſelben Dame ſtörend, läſtig
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/227>, abgerufen am 28.07.2024.
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