Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

fürchten, nichts hoffen, da er sich solchergestalt in
der Hand von allerlei Zufällen sah, welche ihr höh-
nendes Spiel mit ihm trieben.

Aber unsre Gedanken sind eben der Himmel
oder die Hölle, welchen wir nicht entfliehen können,
selbst im Schlaf nicht entfliehen können. Denn auch
die Träume stehen in ihrem Dienste. Und es will
uns sogar manchmal bedünken, als streckten gerade
in die Träume fremde Mächte dreister als sonst
wohin ihre Hände: im Schlafe sehen wir Gedanken
und Bilder ausgewachsen vor uns stehn, deren An-
fänge wir kaum in unserm Herzen empfunden
haben. Unsere Bildung wird in den Träumen sogar
verarbeitet und oft neu gewendet und gerichtet, unsre
Selbstständigkeit ist zu Ende, aber unsre Kräfte
sind gewachsen, wir empfinden uns freudig oder
schmerzlich als unmittelbare Werkzeuge höherer Ge-
walten. Darum ließen schon die ältesten Völker im
Traume die Götter kommen, und mit Menschen
sprechen.

Darum nennen wir noch oft die begabtesten
Menschen, die Poeten, Träumer, weil wir sie
erfüllt sehen von übergewöhnlichen Kräften, von

fürchten, nichts hoffen, da er ſich ſolchergeſtalt in
der Hand von allerlei Zufällen ſah, welche ihr höh-
nendes Spiel mit ihm trieben.

Aber unſre Gedanken ſind eben der Himmel
oder die Hölle, welchen wir nicht entfliehen können,
ſelbſt im Schlaf nicht entfliehen können. Denn auch
die Träume ſtehen in ihrem Dienſte. Und es will
uns ſogar manchmal bedünken, als ſtreckten gerade
in die Träume fremde Mächte dreiſter als ſonſt
wohin ihre Hände: im Schlafe ſehen wir Gedanken
und Bilder ausgewachſen vor uns ſtehn, deren An-
fänge wir kaum in unſerm Herzen empfunden
haben. Unſere Bildung wird in den Träumen ſogar
verarbeitet und oft neu gewendet und gerichtet, unſre
Selbſtſtändigkeit iſt zu Ende, aber unſre Kräfte
ſind gewachſen, wir empfinden uns freudig oder
ſchmerzlich als unmittelbare Werkzeuge höherer Ge-
walten. Darum ließen ſchon die älteſten Völker im
Traume die Götter kommen, und mit Menſchen
ſprechen.

Darum nennen wir noch oft die begabteſten
Menſchen, die Poeten, Träumer, weil wir ſie
erfüllt ſehen von übergewöhnlichen Kräften, von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0194" n="184"/>
fürchten, nichts hoffen, da er &#x017F;ich &#x017F;olcherge&#x017F;talt in<lb/>
der Hand von allerlei Zufällen &#x017F;ah, welche ihr höh-<lb/>
nendes Spiel mit ihm trieben.</p><lb/>
          <p>Aber un&#x017F;re Gedanken &#x017F;ind eben der Himmel<lb/>
oder die Hölle, welchen wir nicht entfliehen können,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t im Schlaf nicht entfliehen können. Denn auch<lb/>
die Träume &#x017F;tehen in ihrem Dien&#x017F;te. Und es will<lb/>
uns &#x017F;ogar manchmal bedünken, als &#x017F;treckten gerade<lb/>
in die Träume fremde Mächte drei&#x017F;ter als &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
wohin ihre Hände: im Schlafe &#x017F;ehen wir Gedanken<lb/>
und Bilder ausgewach&#x017F;en vor uns &#x017F;tehn, deren An-<lb/>
fänge wir kaum in un&#x017F;erm Herzen empfunden<lb/>
haben. Un&#x017F;ere Bildung wird in den Träumen &#x017F;ogar<lb/>
verarbeitet und oft neu gewendet und gerichtet, un&#x017F;re<lb/>
Selb&#x017F;t&#x017F;tändigkeit i&#x017F;t zu Ende, aber un&#x017F;re Kräfte<lb/>
&#x017F;ind gewach&#x017F;en, wir empfinden uns freudig oder<lb/>
&#x017F;chmerzlich als unmittelbare Werkzeuge höherer Ge-<lb/>
walten. Darum ließen &#x017F;chon die älte&#x017F;ten Völker im<lb/>
Traume die Götter kommen, und mit Men&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;prechen.</p><lb/>
          <p>Darum nennen wir noch oft die begabte&#x017F;ten<lb/>
Men&#x017F;chen, die Poeten, Träumer, weil wir &#x017F;ie<lb/>
erfüllt &#x017F;ehen von übergewöhnlichen Kräften, von<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0194] fürchten, nichts hoffen, da er ſich ſolchergeſtalt in der Hand von allerlei Zufällen ſah, welche ihr höh- nendes Spiel mit ihm trieben. Aber unſre Gedanken ſind eben der Himmel oder die Hölle, welchen wir nicht entfliehen können, ſelbſt im Schlaf nicht entfliehen können. Denn auch die Träume ſtehen in ihrem Dienſte. Und es will uns ſogar manchmal bedünken, als ſtreckten gerade in die Träume fremde Mächte dreiſter als ſonſt wohin ihre Hände: im Schlafe ſehen wir Gedanken und Bilder ausgewachſen vor uns ſtehn, deren An- fänge wir kaum in unſerm Herzen empfunden haben. Unſere Bildung wird in den Träumen ſogar verarbeitet und oft neu gewendet und gerichtet, unſre Selbſtſtändigkeit iſt zu Ende, aber unſre Kräfte ſind gewachſen, wir empfinden uns freudig oder ſchmerzlich als unmittelbare Werkzeuge höherer Ge- walten. Darum ließen ſchon die älteſten Völker im Traume die Götter kommen, und mit Menſchen ſprechen. Darum nennen wir noch oft die begabteſten Menſchen, die Poeten, Träumer, weil wir ſie erfüllt ſehen von übergewöhnlichen Kräften, von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/194
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/194>, abgerufen am 04.05.2024.