Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

beleuchtete den Körper von Unten bis Oben. Darauf
schüttelte er den Kopf, setzte die Leuchte beiseit, und
versuchte es den Menschen umzuwenden. Mit Mühe
gelang es ihm; denn der Körper wog schwer, es
war ein Leichnam. Der Alte nahm die Leuchte
wieder zur Hand, das Gesicht war von Blut besu-
delt, aber des Alten Forschen ging auf einen Orden,
den der Todte auf der Brust trug. Er untersuchte
ihn beim Schein der Laterne. Davon abstehend
hielt er eine Weile inne und seufzte tief. Dann
riß er des Todten Rock auf, leerte ihm die Taschen
und schlüpfte weiter.

En einiger Entfernung gab's ein heftig Stöh-
nen -- der Alte näherte sich vorsichtig, prallte aber
wie von einem heftigen Stoße zurück, daß der
Mantel aufschlug und die Leuchte schimmerte. Es
war ein sterbendes Pferd, das mit dem Tode rin-
gend die Vorderfüße in die Erde hieb, und dann
röchelnd zusammenbrach. Der Alte nahm ein Pistol
aus dem Sattel, untersuchte vorsichtig, ob es geladen
sei, und versuchte sodann, auch das andere hervor-
zuziehn; er war aber zu schwach, die darauf liegende
Wucht des Thiers zu lösen.

beleuchtete den Körper von Unten bis Oben. Darauf
ſchüttelte er den Kopf, ſetzte die Leuchte beiſeit, und
verſuchte es den Menſchen umzuwenden. Mit Mühe
gelang es ihm; denn der Körper wog ſchwer, es
war ein Leichnam. Der Alte nahm die Leuchte
wieder zur Hand, das Geſicht war von Blut beſu-
delt, aber des Alten Forſchen ging auf einen Orden,
den der Todte auf der Bruſt trug. Er unterſuchte
ihn beim Schein der Laterne. Davon abſtehend
hielt er eine Weile inne und ſeufzte tief. Dann
riß er des Todten Rock auf, leerte ihm die Taſchen
und ſchlüpfte weiter.

En einiger Entfernung gab’s ein heftig Stöh-
nen — der Alte näherte ſich vorſichtig, prallte aber
wie von einem heftigen Stoße zurück, daß der
Mantel aufſchlug und die Leuchte ſchimmerte. Es
war ein ſterbendes Pferd, das mit dem Tode rin-
gend die Vorderfüße in die Erde hieb, und dann
röchelnd zuſammenbrach. Der Alte nahm ein Piſtol
aus dem Sattel, unterſuchte vorſichtig, ob es geladen
ſei, und verſuchte ſodann, auch das andere hervor-
zuziehn; er war aber zu ſchwach, die darauf liegende
Wucht des Thiers zu löſen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0016" n="6"/>
beleuchtete den Körper von Unten bis Oben. Darauf<lb/>
&#x017F;chüttelte er den Kopf, &#x017F;etzte die Leuchte bei&#x017F;eit, und<lb/>
ver&#x017F;uchte es den Men&#x017F;chen umzuwenden. Mit Mühe<lb/>
gelang es ihm; denn der Körper wog &#x017F;chwer, es<lb/>
war ein Leichnam. Der Alte nahm die Leuchte<lb/>
wieder zur Hand, das Ge&#x017F;icht war von Blut be&#x017F;u-<lb/>
delt, aber des Alten For&#x017F;chen ging auf einen Orden,<lb/>
den der Todte auf der Bru&#x017F;t trug. Er unter&#x017F;uchte<lb/>
ihn beim Schein der Laterne. Davon ab&#x017F;tehend<lb/>
hielt er eine Weile inne und &#x017F;eufzte tief. Dann<lb/>
riß er des Todten Rock auf, leerte ihm die Ta&#x017F;chen<lb/>
und &#x017F;chlüpfte weiter.</p><lb/>
          <p>En einiger Entfernung gab&#x2019;s ein heftig Stöh-<lb/>
nen &#x2014; der Alte näherte &#x017F;ich vor&#x017F;ichtig, prallte aber<lb/>
wie von einem heftigen Stoße zurück, daß der<lb/>
Mantel auf&#x017F;chlug und die Leuchte &#x017F;chimmerte. Es<lb/>
war ein &#x017F;terbendes Pferd, das mit dem Tode rin-<lb/>
gend die Vorderfüße in die Erde hieb, und dann<lb/>
röchelnd zu&#x017F;ammenbrach. Der Alte nahm ein Pi&#x017F;tol<lb/>
aus dem Sattel, unter&#x017F;uchte vor&#x017F;ichtig, ob es geladen<lb/>
&#x017F;ei, und ver&#x017F;uchte &#x017F;odann, auch das andere hervor-<lb/>
zuziehn; er war aber zu &#x017F;chwach, die darauf liegende<lb/>
Wucht des Thiers zu lö&#x017F;en.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0016] beleuchtete den Körper von Unten bis Oben. Darauf ſchüttelte er den Kopf, ſetzte die Leuchte beiſeit, und verſuchte es den Menſchen umzuwenden. Mit Mühe gelang es ihm; denn der Körper wog ſchwer, es war ein Leichnam. Der Alte nahm die Leuchte wieder zur Hand, das Geſicht war von Blut beſu- delt, aber des Alten Forſchen ging auf einen Orden, den der Todte auf der Bruſt trug. Er unterſuchte ihn beim Schein der Laterne. Davon abſtehend hielt er eine Weile inne und ſeufzte tief. Dann riß er des Todten Rock auf, leerte ihm die Taſchen und ſchlüpfte weiter. En einiger Entfernung gab’s ein heftig Stöh- nen — der Alte näherte ſich vorſichtig, prallte aber wie von einem heftigen Stoße zurück, daß der Mantel aufſchlug und die Leuchte ſchimmerte. Es war ein ſterbendes Pferd, das mit dem Tode rin- gend die Vorderfüße in die Erde hieb, und dann röchelnd zuſammenbrach. Der Alte nahm ein Piſtol aus dem Sattel, unterſuchte vorſichtig, ob es geladen ſei, und verſuchte ſodann, auch das andere hervor- zuziehn; er war aber zu ſchwach, die darauf liegende Wucht des Thiers zu löſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/16
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/16>, abgerufen am 21.11.2024.