sanken in die Knie zu zauberhafter Milde, wehmüthi¬ ger Freundlichkeit. Venus stieg aus dem Meeresschaum, und die schäumenden Wellen fielen plätschernd von ihr, und sie ward ganz das warme Weib. Lange sahen wir uns so in die Augen, näher und näher sie aneinan¬ der drängend. Keines sprach. Wenn sich die Seele unter Schmerz und Lust und Thränen nackt an den Tag drängt, da staucht und hemmt sie erst das ver¬ laute Wort, die dreiste Kehle, wie man ein Wehr hemmt, wenn man die Tiefe des Wassers trocken und nackt sehen will. Endlich lispelte die Fürstin leise, so leise, daß es nur mit Mühe mein innerster Mensch er¬ lauschte: "Du bist ein Mann" und ich fühlte einen brennend heißen Kuß auf meinem Munde. Sie schlug die schönen Arme um mich, ich hob sie dicht zu mir und hielt sie, die halb schwebende, die ihre brennende Wange an mein Auge drückte und so eine Minute in meiner Umarmung verweilte. Dann hob sie den Kopf, drückte mein Gesicht in ihre Hände und küßte mich ei¬ nige Male heftig, machte sich bald los von mir, warf Haupt und Locken in den Nacken zurück und mich mit halbgeschlossenen Augen betrachtend lächelte sie und nickte leise mit dem Kopfe. "Komm, Mann," sprach sie, legte
ſanken in die Knie zu zauberhafter Milde, wehmüthi¬ ger Freundlichkeit. Venus ſtieg aus dem Meeresſchaum, und die ſchäumenden Wellen fielen plätſchernd von ihr, und ſie ward ganz das warme Weib. Lange ſahen wir uns ſo in die Augen, näher und näher ſie aneinan¬ der drängend. Keines ſprach. Wenn ſich die Seele unter Schmerz und Luſt und Thränen nackt an den Tag drängt, da ſtaucht und hemmt ſie erſt das ver¬ laute Wort, die dreiſte Kehle, wie man ein Wehr hemmt, wenn man die Tiefe des Waſſers trocken und nackt ſehen will. Endlich lispelte die Fürſtin leiſe, ſo leiſe, daß es nur mit Mühe mein innerſter Menſch er¬ lauſchte: „Du biſt ein Mann“ und ich fühlte einen brennend heißen Kuß auf meinem Munde. Sie ſchlug die ſchönen Arme um mich, ich hob ſie dicht zu mir und hielt ſie, die halb ſchwebende, die ihre brennende Wange an mein Auge drückte und ſo eine Minute in meiner Umarmung verweilte. Dann hob ſie den Kopf, drückte mein Geſicht in ihre Hände und küßte mich ei¬ nige Male heftig, machte ſich bald los von mir, warf Haupt und Locken in den Nacken zurück und mich mit halbgeſchloſſenen Augen betrachtend lächelte ſie und nickte leiſe mit dem Kopfe. „Komm, Mann,“ ſprach ſie, legte
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ſanken in die Knie zu zauberhafter Milde, wehmüthi¬
ger Freundlichkeit. Venus ſtieg aus dem Meeresſchaum,
und die ſchäumenden Wellen fielen plätſchernd von ihr,
und ſie ward ganz das warme Weib. Lange ſahen wir
uns ſo in die Augen, näher und näher ſie aneinan¬
der drängend. Keines ſprach. Wenn ſich die Seele
unter Schmerz und Luſt und Thränen nackt an den
Tag drängt, da ſtaucht und hemmt ſie erſt das ver¬
laute Wort, die dreiſte Kehle, wie man ein Wehr
hemmt, wenn man die Tiefe des Waſſers trocken und
nackt ſehen will. Endlich lispelte die Fürſtin leiſe, ſo
leiſe, daß es nur mit Mühe mein innerſter Menſch er¬
lauſchte: „Du biſt ein Mann“ und ich fühlte einen
brennend heißen Kuß auf meinem Munde. Sie ſchlug
die ſchönen Arme um mich, ich hob ſie dicht zu mir
und hielt ſie, die halb ſchwebende, die ihre brennende
Wange an mein Auge drückte und ſo eine Minute in
meiner Umarmung verweilte. Dann hob ſie den Kopf,
drückte mein Geſicht in ihre Hände und küßte mich ei¬
nige Male heftig, machte ſich bald los von mir, warf
Haupt und Locken in den Nacken zurück und mich mit
halbgeſchloſſenen Augen betrachtend lächelte ſie und nickte
leiſe mit dem Kopfe. „Komm, Mann,“ ſprach ſie, legte
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/134>, abgerufen am 15.08.2024.
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