innere Harmonie geben. William sagt gut: "Es ist eine Säulenordnung, wo jede Säule zur andern und alle zum Ganzen in schöner Beziehung, klarem Verhältniß stehen müssen." Man mache hie und da, wenn es eben recht aufgeräumt im Kopfe ist, ein Sonett, und sende es der Liebsten. -- Das Sonett ist ein Weib, dies wird sich dessen freuen, es ist ihr ein Spiegel eigner schöner Zu¬ sammenstimmung, wenn das Weib anders eben Musik in sich hat. Ein Dichter, der nur Sonette macht, ist ein weibischer Mann aus unserer Theetassenzeit. So¬ nette können schon wegen der Schwierigkeiten nichts als der Schaum unsrer innern Wogen sein, das Eigent¬ liche liegt auf dem Grunde, und wenn es heraufkommt, so ist es das Einfache, der Urvers, der sich in der poetischen Prosa oder dem klaren Jambus etc. ausspricht.
Daß ich nicht ins Theater gehen kann, thut mir leid. Bei dieser schalen magern Welt seh' ich gern die phantastische Thätigkeit des Traums. Was mir Vale¬ rius einst über Nationalität als Hebel der -- na¬ mentlich dramatischen Poesie sagte, stimmte mit meinen Ansichten überein. Ich glaube aber, daß alle Nationa¬ lität nach und nach verschwinden wird und daß dies ganz nothwendig im Gange der Weltgeschichte liegt.
innere Harmonie geben. William ſagt gut: „Es iſt eine Säulenordnung, wo jede Säule zur andern und alle zum Ganzen in ſchöner Beziehung, klarem Verhältniß ſtehen müſſen.“ Man mache hie und da, wenn es eben recht aufgeräumt im Kopfe iſt, ein Sonett, und ſende es der Liebſten. — Das Sonett iſt ein Weib, dies wird ſich deſſen freuen, es iſt ihr ein Spiegel eigner ſchöner Zu¬ ſammenſtimmung, wenn das Weib anders eben Muſik in ſich hat. Ein Dichter, der nur Sonette macht, iſt ein weibiſcher Mann aus unſerer Theetaſſenzeit. So¬ nette können ſchon wegen der Schwierigkeiten nichts als der Schaum unſrer innern Wogen ſein, das Eigent¬ liche liegt auf dem Grunde, und wenn es heraufkommt, ſo iſt es das Einfache, der Urvers, der ſich in der poetiſchen Proſa oder dem klaren Jambus ꝛc. ausſpricht.
Daß ich nicht ins Theater gehen kann, thut mir leid. Bei dieſer ſchalen magern Welt ſeh' ich gern die phantaſtiſche Thätigkeit des Traums. Was mir Vale¬ rius einſt über Nationalität als Hebel der — na¬ mentlich dramatiſchen Poeſie ſagte, ſtimmte mit meinen Anſichten überein. Ich glaube aber, daß alle Nationa¬ lität nach und nach verſchwinden wird und daß dies ganz nothwendig im Gange der Weltgeſchichte liegt.
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innere Harmonie geben. William ſagt gut: „Es iſt
eine Säulenordnung, wo jede Säule zur andern und alle
zum Ganzen in ſchöner Beziehung, klarem Verhältniß
ſtehen müſſen.“ Man mache hie und da, wenn es eben recht
aufgeräumt im Kopfe iſt, ein Sonett, und ſende es der
Liebſten. — Das Sonett iſt ein Weib, dies wird ſich
deſſen freuen, es iſt ihr ein Spiegel eigner ſchöner Zu¬
ſammenſtimmung, wenn das Weib anders eben Muſik
in ſich hat. Ein Dichter, der nur Sonette macht, iſt
ein weibiſcher Mann aus unſerer Theetaſſenzeit. So¬
nette können ſchon wegen der Schwierigkeiten nichts als
der Schaum unſrer innern Wogen ſein, das Eigent¬
liche liegt auf dem Grunde, und wenn es heraufkommt,
ſo iſt es das Einfache, der Urvers, der ſich in der
poetiſchen Proſa oder dem klaren Jambus ꝛc. ausſpricht.
Daß ich nicht ins Theater gehen kann, thut mir
leid. Bei dieſer ſchalen magern Welt ſeh' ich gern die
phantaſtiſche Thätigkeit des Traums. Was mir Vale¬
rius einſt über Nationalität als Hebel der — na¬
mentlich dramatiſchen Poeſie ſagte, ſtimmte mit meinen
Anſichten überein. Ich glaube aber, daß alle Nationa¬
lität nach und nach verſchwinden wird und daß dies
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/119>, abgerufen am 17.02.2025.
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