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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Aladdins Wunderlampe.
offen sein soll, Jhre gelehrte Rede habe ich noch nicht
ganz verstanden; die müßte ich erst einmal gedruckt
lesen. Jch sage ganz einfach, wenn die Geschichte wahr
wäre, so hätte der Zauberer die Lampe sich selber ge-
holt und wäre nicht erst auf Aladdin verfallen."

"O weh! Jch glaubte, ich hätte so schön populär
gesprochen! Jhr Einwand ist übrigens garnicht stich-
haltig, denn bei allen mystischen Operationen bedarf es
erfahrungsgemäß eines Mediums, und jedenfalls hatte
sich der Zauberer überzeugt, daß Aladdin dazu geeignet
sei. Auch das Anzünden von Räucherwerk auf der
Steinplatte vor dem Eingange spricht dafür, daß Aladdin
in somnambulem Zustande handelte. Wie hätte er auch
sonst drei Tage zu hungern vermocht?"

"Was ist aber aus der Lampe nach Aladdins Tode
geworden?"

"Er wird sie vorher selbst, um Mißbrauch zu ver-
hüten, in den Tigris geworfen haben."

"Und wie erklären Sie denn überhaupt die Existenz
des unterirdischen Gewölbes und die Aufstellung der
Lampe daselbst?" fragte Alander.

Diese Frage setzte mich etwas in Verlegenheit. Jch
hob daher erst zum sechstenmale das Zwirnknäuel meiner
fleißigen Nachbarin auf und sagte dann:

"Jch könnte mich darauf berufen, daß wir hier
eine historische Thatsache einfach hinzunehmen haben.
Aber auch vom theoretischen Standpunkte ist doch klar:
So gut wie eine Pflanze zu ihrer Entwicklung einen
geeigneten Nährboden haben muß, so gut wie ein tran-

Aladdins Wunderlampe.
offen ſein ſoll, Jhre gelehrte Rede habe ich noch nicht
ganz verſtanden; die müßte ich erſt einmal gedruckt
leſen. Jch ſage ganz einfach, wenn die Geſchichte wahr
wäre, ſo hätte der Zauberer die Lampe ſich ſelber ge-
holt und wäre nicht erſt auf Aladdin verfallen.“

„O weh! Jch glaubte, ich hätte ſo ſchön populär
geſprochen! Jhr Einwand iſt übrigens garnicht ſtich-
haltig, denn bei allen myſtiſchen Operationen bedarf es
erfahrungsgemäß eines Mediums, und jedenfalls hatte
ſich der Zauberer überzeugt, daß Aladdin dazu geeignet
ſei. Auch das Anzünden von Räucherwerk auf der
Steinplatte vor dem Eingange ſpricht dafür, daß Aladdin
in ſomnambulem Zuſtande handelte. Wie hätte er auch
ſonſt drei Tage zu hungern vermocht?“

„Was iſt aber aus der Lampe nach Aladdins Tode
geworden?“

„Er wird ſie vorher ſelbſt, um Mißbrauch zu ver-
hüten, in den Tigris geworfen haben.“

„Und wie erklären Sie denn überhaupt die Exiſtenz
des unterirdiſchen Gewölbes und die Aufſtellung der
Lampe daſelbſt?“ fragte Alander.

Dieſe Frage ſetzte mich etwas in Verlegenheit. Jch
hob daher erſt zum ſechstenmale das Zwirnknäuel meiner
fleißigen Nachbarin auf und ſagte dann:

„Jch könnte mich darauf berufen, daß wir hier
eine hiſtoriſche Thatſache einfach hinzunehmen haben.
Aber auch vom theoretiſchen Standpunkte iſt doch klar:
So gut wie eine Pflanze zu ihrer Entwicklung einen
geeigneten Nährboden haben muß, ſo gut wie ein tran-

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[69/0075] Aladdins Wunderlampe. offen ſein ſoll, Jhre gelehrte Rede habe ich noch nicht ganz verſtanden; die müßte ich erſt einmal gedruckt leſen. Jch ſage ganz einfach, wenn die Geſchichte wahr wäre, ſo hätte der Zauberer die Lampe ſich ſelber ge- holt und wäre nicht erſt auf Aladdin verfallen.“ „O weh! Jch glaubte, ich hätte ſo ſchön populär geſprochen! Jhr Einwand iſt übrigens garnicht ſtich- haltig, denn bei allen myſtiſchen Operationen bedarf es erfahrungsgemäß eines Mediums, und jedenfalls hatte ſich der Zauberer überzeugt, daß Aladdin dazu geeignet ſei. Auch das Anzünden von Räucherwerk auf der Steinplatte vor dem Eingange ſpricht dafür, daß Aladdin in ſomnambulem Zuſtande handelte. Wie hätte er auch ſonſt drei Tage zu hungern vermocht?“ „Was iſt aber aus der Lampe nach Aladdins Tode geworden?“ „Er wird ſie vorher ſelbſt, um Mißbrauch zu ver- hüten, in den Tigris geworfen haben.“ „Und wie erklären Sie denn überhaupt die Exiſtenz des unterirdiſchen Gewölbes und die Aufſtellung der Lampe daſelbſt?“ fragte Alander. Dieſe Frage ſetzte mich etwas in Verlegenheit. Jch hob daher erſt zum ſechstenmale das Zwirnknäuel meiner fleißigen Nachbarin auf und ſagte dann: „Jch könnte mich darauf berufen, daß wir hier eine hiſtoriſche Thatſache einfach hinzunehmen haben. Aber auch vom theoretiſchen Standpunkte iſt doch klar: So gut wie eine Pflanze zu ihrer Entwicklung einen geeigneten Nährboden haben muß, ſo gut wie ein tran-

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/75>, abgerufen am 03.05.2024.