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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Apoikis.
begann die Felswand, deren Höhe etwa hundert Meter
betragen mochte, hinaufzuklettern, da die vorspringenden
Krystalle das Unternehmen nicht sehr schwierig machten.

Kaum hatte ich den oberen Rand erreicht und einen
Blick hinüber geworfen, als ich wie bezaubert stehen
blieb, unfähig vor Erstaunen und Bewunderung mich
zu rühren. Die Felswand fiel, einem Riesenwalle ähnlich
zuerst steil ab, dann aber ging sie in ein hügeliges Ge-
lände über, das im blühenden Grün eines reichen
Pflanzenschmuckes prangend sich allmählich zu einer stillen
Meeresbucht herabsenkte. Hinter der Bucht erhoben sich
neue Hügel, auf denen zwischen dem Grün der Lorbeer-
und Olivenbäume die glänzend weißen Häuser und
Paläste einer ausgedehnten Stadt aufstiegen, alles über-
ragt von jenem Wunderbau der Akropolis, wie er einst
die Stadt der Pallas Athene geschmückt hatte. Auf
diesem entzückenden landschaftlichen Hintergrunde spielte
sich das regste Leben ab; auf dem Meere Fahrzeuge von
seltsamer Gestalt und Menschen, die über das Wasser
zu huschen schienen, am Ufer eine zahlreiche Menge in
lebhafter Bewegung, aber in Trachten und Formen, wie
ich sie noch nie beobachtet. Nach den ersten Augenblicken
regungslosen Hinstarrens suchte ich mich zu besinnen.
Meinen Gefährten zuzurufen getraute ich mich nicht,
weil ich noch garnicht an die Wirklichkeit des Gesehenen
glaubte. Wie sollte diese bunte Welt, die einerseits ent-
schieden an das griechische Altertum mahnte, anderer-
seits aber wieder einen unbeschreiblichen, mit nichts ver-
gleichbaren Eindruck des Märchenhaften machte, wie sollte

Apoikis.
begann die Felswand, deren Höhe etwa hundert Meter
betragen mochte, hinaufzuklettern, da die vorſpringenden
Kryſtalle das Unternehmen nicht ſehr ſchwierig machten.

Kaum hatte ich den oberen Rand erreicht und einen
Blick hinüber geworfen, als ich wie bezaubert ſtehen
blieb, unfähig vor Erſtaunen und Bewunderung mich
zu rühren. Die Felswand fiel, einem Rieſenwalle ähnlich
zuerſt ſteil ab, dann aber ging ſie in ein hügeliges Ge-
lände über, das im blühenden Grün eines reichen
Pflanzenſchmuckes prangend ſich allmählich zu einer ſtillen
Meeresbucht herabſenkte. Hinter der Bucht erhoben ſich
neue Hügel, auf denen zwiſchen dem Grün der Lorbeer-
und Olivenbäume die glänzend weißen Häuſer und
Paläſte einer ausgedehnten Stadt aufſtiegen, alles über-
ragt von jenem Wunderbau der Akropolis, wie er einſt
die Stadt der Pallas Athene geſchmückt hatte. Auf
dieſem entzückenden landſchaftlichen Hintergrunde ſpielte
ſich das regſte Leben ab; auf dem Meere Fahrzeuge von
ſeltſamer Geſtalt und Menſchen, die über das Waſſer
zu huſchen ſchienen, am Ufer eine zahlreiche Menge in
lebhafter Bewegung, aber in Trachten und Formen, wie
ich ſie noch nie beobachtet. Nach den erſten Augenblicken
regungsloſen Hinſtarrens ſuchte ich mich zu beſinnen.
Meinen Gefährten zuzurufen getraute ich mich nicht,
weil ich noch garnicht an die Wirklichkeit des Geſehenen
glaubte. Wie ſollte dieſe bunte Welt, die einerſeits ent-
ſchieden an das griechiſche Altertum mahnte, anderer-
ſeits aber wieder einen unbeſchreiblichen, mit nichts ver-
gleichbaren Eindruck des Märchenhaften machte, wie ſollte

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[42/0048] Apoikis. begann die Felswand, deren Höhe etwa hundert Meter betragen mochte, hinaufzuklettern, da die vorſpringenden Kryſtalle das Unternehmen nicht ſehr ſchwierig machten. Kaum hatte ich den oberen Rand erreicht und einen Blick hinüber geworfen, als ich wie bezaubert ſtehen blieb, unfähig vor Erſtaunen und Bewunderung mich zu rühren. Die Felswand fiel, einem Rieſenwalle ähnlich zuerſt ſteil ab, dann aber ging ſie in ein hügeliges Ge- lände über, das im blühenden Grün eines reichen Pflanzenſchmuckes prangend ſich allmählich zu einer ſtillen Meeresbucht herabſenkte. Hinter der Bucht erhoben ſich neue Hügel, auf denen zwiſchen dem Grün der Lorbeer- und Olivenbäume die glänzend weißen Häuſer und Paläſte einer ausgedehnten Stadt aufſtiegen, alles über- ragt von jenem Wunderbau der Akropolis, wie er einſt die Stadt der Pallas Athene geſchmückt hatte. Auf dieſem entzückenden landſchaftlichen Hintergrunde ſpielte ſich das regſte Leben ab; auf dem Meere Fahrzeuge von ſeltſamer Geſtalt und Menſchen, die über das Waſſer zu huſchen ſchienen, am Ufer eine zahlreiche Menge in lebhafter Bewegung, aber in Trachten und Formen, wie ich ſie noch nie beobachtet. Nach den erſten Augenblicken regungsloſen Hinſtarrens ſuchte ich mich zu beſinnen. Meinen Gefährten zuzurufen getraute ich mich nicht, weil ich noch garnicht an die Wirklichkeit des Geſehenen glaubte. Wie ſollte dieſe bunte Welt, die einerſeits ent- ſchieden an das griechiſche Altertum mahnte, anderer- ſeits aber wieder einen unbeſchreiblichen, mit nichts ver- gleichbaren Eindruck des Märchenhaften machte, wie ſollte

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/48>, abgerufen am 26.04.2024.