"Meine Herren Denkenden! Gestatten Sie mir einige Bemerkungen, da ich thatsächlich in der Lage bin, über Ursprung und Beschaffenheit Jhrer Welt Auskunft zu geben."
Hier entstand ein allgemeines Murren: "Was? Wie? Jhrer Welt? Haben Sie vielleicht eine andere? Hört! Hört! Der Wilde, der Barbar! Er weiß, wie die Welt entstanden ist."
"Wie die Welt entstanden ist," fuhr ich mit er- hobener Stimme fort, "kann niemand wissen, weder Sie noch ich. Denn die "Denkenden" sind so gut wie wir beide nur ein winziges Fünkchen des unendlichen Geistes, der sich in unendlichen Gestalten verkörpert. Aber wie das verschwindende Stückchen Welt, auf dem wir stehen, entstanden ist, das kann ich Jhnen sagen. Jhre Welt ist in der That hohl und mit Luft gefüllt, und ihre Schale ist nicht dicker, als Herr Glagli angiebt. Sie wird allerdings einmal platzen, aber darüber können noch Millionen Jhrer Jahre vergehen. (Lautes Bravo der Glaglianer.) Es ist auch richtig, daß es noch viele bewohnte Welten giebt, nur sind es nicht lauter Hohl- kugeln, sondern viel millionenmal größere Steinmassen, bewohnt von Wesen wie ich. Und Fett und Alkali sind weder die einzigen, noch sind sie überhaupt Elemente, sondern es sind komplizierte Stoffe, die nur zufällig für diese Jhre kleine Seifenblasenwelt eine Rolle spielen."
"Seifenblasenwelt?" Ein Sturm des Unwillens erhob sich von allen Seiten.
Auf der Seifenblaſe.
Aber ich ließ mich micht ſtören, ſondern begann:
„Meine Herren Denkenden! Geſtatten Sie mir einige Bemerkungen, da ich thatſächlich in der Lage bin, über Urſprung und Beſchaffenheit Jhrer Welt Auskunft zu geben.“
Hier entſtand ein allgemeines Murren: „Was? Wie? Jhrer Welt? Haben Sie vielleicht eine andere? Hört! Hört! Der Wilde, der Barbar! Er weiß, wie die Welt entſtanden iſt.“
„Wie die Welt entſtanden iſt,“ fuhr ich mit er- hobener Stimme fort, „kann niemand wiſſen, weder Sie noch ich. Denn die „Denkenden“ ſind ſo gut wie wir beide nur ein winziges Fünkchen des unendlichen Geiſtes, der ſich in unendlichen Geſtalten verkörpert. Aber wie das verſchwindende Stückchen Welt, auf dem wir ſtehen, entſtanden iſt, das kann ich Jhnen ſagen. Jhre Welt iſt in der That hohl und mit Luft gefüllt, und ihre Schale iſt nicht dicker, als Herr Glagli angiebt. Sie wird allerdings einmal platzen, aber darüber können noch Millionen Jhrer Jahre vergehen. (Lautes Bravo der Glaglianer.) Es iſt auch richtig, daß es noch viele bewohnte Welten giebt, nur ſind es nicht lauter Hohl- kugeln, ſondern viel millionenmal größere Steinmaſſen, bewohnt von Weſen wie ich. Und Fett und Alkali ſind weder die einzigen, noch ſind ſie überhaupt Elemente, ſondern es ſind komplizierte Stoffe, die nur zufällig für dieſe Jhre kleine Seifenblaſenwelt eine Rolle ſpielen.“
„Seifenblaſenwelt?“ Ein Sturm des Unwillens erhob ſich von allen Seiten.
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Auf der Seifenblaſe.
Aber ich ließ mich micht ſtören, ſondern begann:
„Meine Herren Denkenden! Geſtatten Sie mir einige
Bemerkungen, da ich thatſächlich in der Lage bin, über
Urſprung und Beſchaffenheit Jhrer Welt Auskunft
zu geben.“
Hier entſtand ein allgemeines Murren: „Was? Wie?
Jhrer Welt? Haben Sie vielleicht eine andere? Hört!
Hört! Der Wilde, der Barbar! Er weiß, wie die
Welt entſtanden iſt.“
„Wie die Welt entſtanden iſt,“ fuhr ich mit er-
hobener Stimme fort, „kann niemand wiſſen, weder
Sie noch ich. Denn die „Denkenden“ ſind ſo gut wie
wir beide nur ein winziges Fünkchen des unendlichen
Geiſtes, der ſich in unendlichen Geſtalten verkörpert.
Aber wie das verſchwindende Stückchen Welt, auf dem
wir ſtehen, entſtanden iſt, das kann ich Jhnen ſagen.
Jhre Welt iſt in der That hohl und mit Luft gefüllt,
und ihre Schale iſt nicht dicker, als Herr Glagli angiebt.
Sie wird allerdings einmal platzen, aber darüber können
noch Millionen Jhrer Jahre vergehen. (Lautes Bravo
der Glaglianer.) Es iſt auch richtig, daß es noch viele
bewohnte Welten giebt, nur ſind es nicht lauter Hohl-
kugeln, ſondern viel millionenmal größere Steinmaſſen,
bewohnt von Weſen wie ich. Und Fett und Alkali ſind
weder die einzigen, noch ſind ſie überhaupt Elemente,
ſondern es ſind komplizierte Stoffe, die nur zufällig für
dieſe Jhre kleine Seifenblaſenwelt eine Rolle ſpielen.“
„Seifenblaſenwelt?“ Ein Sturm des Unwillens
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/26>, abgerufen am 16.07.2024.
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