Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Tröpfchen.
Rauchwolke dort hinten, wo das Rollen des Schusses
mahnend Halt gebietet und die Adlerflagge in die Höhe
steigt. Die finstern Männer sehen nach ihren Waffen
und fliegen der Küste zu. Aber näher schon donnert es
herüber, im Schiff zerspringen die Geschosse, die braunen
Räuber, die geraubten Schwarzen zugleich zerschmetternd.
Haltet aus, der Sieger bringt euch die Freiheit! Haltet
aus auf dem brennenden Wrack! Schon sind die rettenden
Boote nahe, da sinkt der zerschossene Bau in die Flut.
Die Menschlichkeit hat gesiegt, die Sklaven sind frei, wo
wir alle frei sind.

Tröpfchen tanzt zitternd im hellen Sonnenstrahl auf
der schäumenden Oberfläche -- es wird ihm so leicht,
so frei -- es steigt empor, es schwebt in der Luft --
durchsichtig und klar im blauen Himmelsraume -- --
Schon liegt das Meer weit unter ihm -- noch eine
Strecke -- ach, wie kalt wird es hier -- es zieht sich
zusammen, es ist wieder ein Tröpfchen -- nein, nicht
eines, ein ganzes Wölkchen ist's, und langsam zieht's
über das Schiff der weißen Männer. Was thun die
Menschen? Die sie soeben grausam zerschmetterten, sie
ziehen sie mühevoll aus den Wellen, sorgsam verbinden
sie die Wunden. Der braune Araber wie der schwarze
Neger, der gefangene Herr und der befreite Sklave liegen
nebeneinander, und der weiße Mann kühlt ihnen die
Stirn.

Woher das klare Eis in der Tropenglut? Woher die
eilende Fahrt in der Windstille, die sichere Richtung in
der Uferlosigkeit? Woher der glänzende Lichtstrom in der

Tröpfchen.
Rauchwolke dort hinten, wo das Rollen des Schuſſes
mahnend Halt gebietet und die Adlerflagge in die Höhe
ſteigt. Die finſtern Männer ſehen nach ihren Waffen
und fliegen der Küſte zu. Aber näher ſchon donnert es
herüber, im Schiff zerſpringen die Geſchoſſe, die braunen
Räuber, die geraubten Schwarzen zugleich zerſchmetternd.
Haltet aus, der Sieger bringt euch die Freiheit! Haltet
aus auf dem brennenden Wrack! Schon ſind die rettenden
Boote nahe, da ſinkt der zerſchoſſene Bau in die Flut.
Die Menſchlichkeit hat geſiegt, die Sklaven ſind frei, wo
wir alle frei ſind.

Tröpfchen tanzt zitternd im hellen Sonnenſtrahl auf
der ſchäumenden Oberfläche — es wird ihm ſo leicht,
ſo frei — es ſteigt empor, es ſchwebt in der Luft —
durchſichtig und klar im blauen Himmelsraume — —
Schon liegt das Meer weit unter ihm — noch eine
Strecke — ach, wie kalt wird es hier — es zieht ſich
zuſammen, es iſt wieder ein Tröpfchen — nein, nicht
eines, ein ganzes Wölkchen iſt’s, und langſam zieht’s
über das Schiff der weißen Männer. Was thun die
Menſchen? Die ſie ſoeben grauſam zerſchmetterten, ſie
ziehen ſie mühevoll aus den Wellen, ſorgſam verbinden
ſie die Wunden. Der braune Araber wie der ſchwarze
Neger, der gefangene Herr und der befreite Sklave liegen
nebeneinander, und der weiße Mann kühlt ihnen die
Stirn.

Woher das klare Eis in der Tropenglut? Woher die
eilende Fahrt in der Windſtille, die ſichere Richtung in
der Uferloſigkeit? Woher der glänzende Lichtſtrom in der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0246" n="240"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tröpfchen.</hi></fw><lb/>
Rauchwolke dort hinten, wo das Rollen des Schu&#x017F;&#x017F;es<lb/>
mahnend Halt gebietet und die Adlerflagge in die Höhe<lb/>
&#x017F;teigt. Die fin&#x017F;tern Männer &#x017F;ehen nach ihren Waffen<lb/>
und fliegen der Kü&#x017F;te zu. Aber näher &#x017F;chon donnert es<lb/>
herüber, im Schiff zer&#x017F;pringen die Ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;e, die braunen<lb/>
Räuber, die geraubten Schwarzen zugleich zer&#x017F;chmetternd.<lb/>
Haltet aus, der Sieger bringt euch die Freiheit! Haltet<lb/>
aus auf dem brennenden Wrack! Schon &#x017F;ind die rettenden<lb/>
Boote nahe, da &#x017F;inkt der zer&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;ene Bau in die Flut.<lb/>
Die Men&#x017F;chlichkeit hat ge&#x017F;iegt, die Sklaven &#x017F;ind frei, wo<lb/>
wir alle frei &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Tröpfchen tanzt zitternd im hellen Sonnen&#x017F;trahl auf<lb/>
der &#x017F;chäumenden Oberfläche &#x2014; es wird ihm &#x017F;o leicht,<lb/>
&#x017F;o frei &#x2014; es &#x017F;teigt empor, es &#x017F;chwebt in der Luft &#x2014;<lb/>
durch&#x017F;ichtig und klar im blauen Himmelsraume &#x2014; &#x2014;<lb/>
Schon liegt das Meer weit unter ihm &#x2014; noch eine<lb/>
Strecke &#x2014; ach, wie kalt wird es hier &#x2014; es zieht &#x017F;ich<lb/>
zu&#x017F;ammen, es i&#x017F;t wieder ein Tröpfchen &#x2014; nein, nicht<lb/>
eines, ein ganzes Wölkchen i&#x017F;t&#x2019;s, und lang&#x017F;am zieht&#x2019;s<lb/>
über das Schiff der weißen Männer. Was thun die<lb/>
Men&#x017F;chen? Die &#x017F;ie &#x017F;oeben grau&#x017F;am zer&#x017F;chmetterten, &#x017F;ie<lb/>
ziehen &#x017F;ie mühevoll aus den Wellen, &#x017F;org&#x017F;am verbinden<lb/>
&#x017F;ie die Wunden. Der braune Araber wie der &#x017F;chwarze<lb/>
Neger, der gefangene Herr und der befreite Sklave liegen<lb/>
nebeneinander, und der weiße Mann kühlt ihnen die<lb/>
Stirn.</p><lb/>
        <p>Woher das klare Eis in der Tropenglut? Woher die<lb/>
eilende Fahrt in der Wind&#x017F;tille, die &#x017F;ichere Richtung in<lb/>
der Uferlo&#x017F;igkeit? Woher der glänzende Licht&#x017F;trom in der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0246] Tröpfchen. Rauchwolke dort hinten, wo das Rollen des Schuſſes mahnend Halt gebietet und die Adlerflagge in die Höhe ſteigt. Die finſtern Männer ſehen nach ihren Waffen und fliegen der Küſte zu. Aber näher ſchon donnert es herüber, im Schiff zerſpringen die Geſchoſſe, die braunen Räuber, die geraubten Schwarzen zugleich zerſchmetternd. Haltet aus, der Sieger bringt euch die Freiheit! Haltet aus auf dem brennenden Wrack! Schon ſind die rettenden Boote nahe, da ſinkt der zerſchoſſene Bau in die Flut. Die Menſchlichkeit hat geſiegt, die Sklaven ſind frei, wo wir alle frei ſind. Tröpfchen tanzt zitternd im hellen Sonnenſtrahl auf der ſchäumenden Oberfläche — es wird ihm ſo leicht, ſo frei — es ſteigt empor, es ſchwebt in der Luft — durchſichtig und klar im blauen Himmelsraume — — Schon liegt das Meer weit unter ihm — noch eine Strecke — ach, wie kalt wird es hier — es zieht ſich zuſammen, es iſt wieder ein Tröpfchen — nein, nicht eines, ein ganzes Wölkchen iſt’s, und langſam zieht’s über das Schiff der weißen Männer. Was thun die Menſchen? Die ſie ſoeben grauſam zerſchmetterten, ſie ziehen ſie mühevoll aus den Wellen, ſorgſam verbinden ſie die Wunden. Der braune Araber wie der ſchwarze Neger, der gefangene Herr und der befreite Sklave liegen nebeneinander, und der weiße Mann kühlt ihnen die Stirn. Woher das klare Eis in der Tropenglut? Woher die eilende Fahrt in der Windſtille, die ſichere Richtung in der Uferloſigkeit? Woher der glänzende Lichtſtrom in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/246
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/246>, abgerufen am 24.11.2024.