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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Mirax.

Endlich trat der Geist in das Kontor eines Kommerzien-
rates. Das war ein leutseliger Herr, der ihn zum
Frühstück einlud, als er merkte, daß er ihn nicht an-
pumpen wollte. Als sie ein paar Gläschen Wein
getrunken hatten, klopfte er ihm auf die Schulter
und sagte:

"Lieber Herr, sehen Sie, ich bin ein Mann von
allgemeinen Jnteressen, ein Mann, der ein Herz hat
für sein Volk und sein Vaterland, und ich bin ein
praktischer Mann. Man weiß das, und man wendet
sich an mich. Jch gebe immer, wo es heißt, für
Kunst und Wissenschaft etwas zu thun. Entrieren
Sie ein wissenschaftliches Unternehmen, das Geld kostet,
es soll an mir nicht fehlen. Veranstalten Sie eine
Polarexpedition, eine Tiefbohrung, einen Explosivstoff-
versuch -- aber mit Selbstbewußtsein und Bewußtsein
und dem philosophischen Zeug bleiben Sie mir vom
Leibe! Jch habe noch nie gehört, daß man für die
Philosophie Geld verlangt oder ausgegeben hätte, folg-
lich kann sie auch nichts wert sein. Jch versichere Sie
-- und Sie können mir das glauben, weil ich mitten
im Leben stehe und die Welt kenne --: kein Mensch
mag heutzutage von Philosophie etwas wissen."

"Aber ich habe doch gelesen," bemerkte der Erdgeist
schüchtern, der durch seinen Umgang mit Menschen schon
einigermaßen gebildet geworden war und sich jetzt an
einige Sätze aus der Abhandlung von Mirax erinnerte,
"das eigentliche Wesen der Welt ist der Geist, und wer
sich auf eine höhere Stufe des Geistes erheben könnte,

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Mirax.

Endlich trat der Geiſt in das Kontor eines Kommerzien-
rates. Das war ein leutſeliger Herr, der ihn zum
Frühſtück einlud, als er merkte, daß er ihn nicht an-
pumpen wollte. Als ſie ein paar Gläschen Wein
getrunken hatten, klopfte er ihm auf die Schulter
und ſagte:

„Lieber Herr, ſehen Sie, ich bin ein Mann von
allgemeinen Jntereſſen, ein Mann, der ein Herz hat
für ſein Volk und ſein Vaterland, und ich bin ein
praktiſcher Mann. Man weiß das, und man wendet
ſich an mich. Jch gebe immer, wo es heißt, für
Kunſt und Wiſſenſchaft etwas zu thun. Entrieren
Sie ein wiſſenſchaftliches Unternehmen, das Geld koſtet,
es ſoll an mir nicht fehlen. Veranſtalten Sie eine
Polarexpedition, eine Tiefbohrung, einen Exploſivſtoff-
verſuch — aber mit Selbſtbewußtſein und Bewußtſein
und dem philoſophiſchen Zeug bleiben Sie mir vom
Leibe! Jch habe noch nie gehört, daß man für die
Philoſophie Geld verlangt oder ausgegeben hätte, folg-
lich kann ſie auch nichts wert ſein. Jch verſichere Sie
— und Sie können mir das glauben, weil ich mitten
im Leben ſtehe und die Welt kenne —: kein Menſch
mag heutzutage von Philoſophie etwas wiſſen.“

„Aber ich habe doch geleſen,“ bemerkte der Erdgeiſt
ſchüchtern, der durch ſeinen Umgang mit Menſchen ſchon
einigermaßen gebildet geworden war und ſich jetzt an
einige Sätze aus der Abhandlung von Mirax erinnerte,
„das eigentliche Weſen der Welt iſt der Geiſt, und wer
ſich auf eine höhere Stufe des Geiſtes erheben könnte,

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[195/0201] Mirax. Endlich trat der Geiſt in das Kontor eines Kommerzien- rates. Das war ein leutſeliger Herr, der ihn zum Frühſtück einlud, als er merkte, daß er ihn nicht an- pumpen wollte. Als ſie ein paar Gläschen Wein getrunken hatten, klopfte er ihm auf die Schulter und ſagte: „Lieber Herr, ſehen Sie, ich bin ein Mann von allgemeinen Jntereſſen, ein Mann, der ein Herz hat für ſein Volk und ſein Vaterland, und ich bin ein praktiſcher Mann. Man weiß das, und man wendet ſich an mich. Jch gebe immer, wo es heißt, für Kunſt und Wiſſenſchaft etwas zu thun. Entrieren Sie ein wiſſenſchaftliches Unternehmen, das Geld koſtet, es ſoll an mir nicht fehlen. Veranſtalten Sie eine Polarexpedition, eine Tiefbohrung, einen Exploſivſtoff- verſuch — aber mit Selbſtbewußtſein und Bewußtſein und dem philoſophiſchen Zeug bleiben Sie mir vom Leibe! Jch habe noch nie gehört, daß man für die Philoſophie Geld verlangt oder ausgegeben hätte, folg- lich kann ſie auch nichts wert ſein. Jch verſichere Sie — und Sie können mir das glauben, weil ich mitten im Leben ſtehe und die Welt kenne —: kein Menſch mag heutzutage von Philoſophie etwas wiſſen.“ „Aber ich habe doch geleſen,“ bemerkte der Erdgeiſt ſchüchtern, der durch ſeinen Umgang mit Menſchen ſchon einigermaßen gebildet geworden war und ſich jetzt an einige Sätze aus der Abhandlung von Mirax erinnerte, „das eigentliche Weſen der Welt iſt der Geiſt, und wer ſich auf eine höhere Stufe des Geiſtes erheben könnte, 13*

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/201>, abgerufen am 19.05.2024.