"Was, Organismus?" unterbrach ihn der Seehund unwillig. "Jch bin sogar ein Wirbeltier, und ich würde, wenn nicht die klimatischen Verhältnisse so ungünstig wären, ohne Zweifel schon längst zur Menschenwürde avanciert sein. Jch habe, wie Sie wissen, Umgang mit --"
"Entschuldigen Sie vielmals," sprach der Erdgeist, "wir wissen wohl, daß Sie mit Zweibeinern verkehren. Sie können mir daher gewiß sagen, was Selbstbewußt- sein ist und wie man es bekommen kann; Sie haben es vielleicht sogar selbst?"
"Selbstbewußtsein? Man ist sich nicht ganz klar darüber, ob ich es habe; sollte ich es aber haben, so würde ich es Jhnen gern zur Verfügung stellen, falls Sie nicht etwa mein Fell damit meinen. Fragen Sie indes doch meinen Freund, den Eskimo."
"Der Herr Seehund meint den Menschen," erklärte der Geisir. "Aber warum wollen Sie ihn nicht selbst fragen?"
"Ja, sehen Sie, unser Verkehr -- nun natürlich, wir verkehren mit einander, das versteht sich von selbst -- aber, der Verkehr ist etwas einseitig, wir verstehen uns nicht immer. Natürlich nur eine kleine Verschnupfung, bei diesem Klima erklärlich."
"Und worin besteht Jhr Verkehr, wenn ich fragen darf?"
"Er sticht nach mir mit seinem Spieße, und meine Familie liefert ihm dafür den Thran. Grüßen Sie ihn nur von mir."
Mirax.
„Was, Organismus?“ unterbrach ihn der Seehund unwillig. „Jch bin ſogar ein Wirbeltier, und ich würde, wenn nicht die klimatiſchen Verhältniſſe ſo ungünſtig wären, ohne Zweifel ſchon längſt zur Menſchenwürde avanciert ſein. Jch habe, wie Sie wiſſen, Umgang mit —“
„Entſchuldigen Sie vielmals,“ ſprach der Erdgeiſt, „wir wiſſen wohl, daß Sie mit Zweibeinern verkehren. Sie können mir daher gewiß ſagen, was Selbſtbewußt- ſein iſt und wie man es bekommen kann; Sie haben es vielleicht ſogar ſelbſt?“
„Selbſtbewußtſein? Man iſt ſich nicht ganz klar darüber, ob ich es habe; ſollte ich es aber haben, ſo würde ich es Jhnen gern zur Verfügung ſtellen, falls Sie nicht etwa mein Fell damit meinen. Fragen Sie indes doch meinen Freund, den Eskimo.“
„Der Herr Seehund meint den Menſchen,“ erklärte der Geiſir. „Aber warum wollen Sie ihn nicht ſelbſt fragen?“
„Ja, ſehen Sie, unſer Verkehr — nun natürlich, wir verkehren mit einander, das verſteht ſich von ſelbſt — aber, der Verkehr iſt etwas einſeitig, wir verſtehen uns nicht immer. Natürlich nur eine kleine Verſchnupfung, bei dieſem Klima erklärlich.“
„Und worin beſteht Jhr Verkehr, wenn ich fragen darf?“
„Er ſticht nach mir mit ſeinem Spieße, und meine Familie liefert ihm dafür den Thran. Grüßen Sie ihn nur von mir.“
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Mirax.
„Was, Organismus?“ unterbrach ihn der Seehund
unwillig. „Jch bin ſogar ein Wirbeltier, und ich würde,
wenn nicht die klimatiſchen Verhältniſſe ſo ungünſtig
wären, ohne Zweifel ſchon längſt zur Menſchenwürde
avanciert ſein. Jch habe, wie Sie wiſſen, Umgang
mit —“
„Entſchuldigen Sie vielmals,“ ſprach der Erdgeiſt,
„wir wiſſen wohl, daß Sie mit Zweibeinern verkehren.
Sie können mir daher gewiß ſagen, was Selbſtbewußt-
ſein iſt und wie man es bekommen kann; Sie haben
es vielleicht ſogar ſelbſt?“
„Selbſtbewußtſein? Man iſt ſich nicht ganz klar
darüber, ob ich es habe; ſollte ich es aber haben, ſo
würde ich es Jhnen gern zur Verfügung ſtellen, falls
Sie nicht etwa mein Fell damit meinen. Fragen Sie
indes doch meinen Freund, den Eskimo.“
„Der Herr Seehund meint den Menſchen,“ erklärte
der Geiſir. „Aber warum wollen Sie ihn nicht ſelbſt
fragen?“
„Ja, ſehen Sie, unſer Verkehr — nun natürlich,
wir verkehren mit einander, das verſteht ſich von ſelbſt
— aber, der Verkehr iſt etwas einſeitig, wir verſtehen
uns nicht immer. Natürlich nur eine kleine Verſchnupfung,
bei dieſem Klima erklärlich.“
„Und worin beſteht Jhr Verkehr, wenn ich fragen
darf?“
„Er ſticht nach mir mit ſeinem Spieße, und meine
Familie liefert ihm dafür den Thran. Grüßen Sie ihn
nur von mir.“
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/196>, abgerufen am 22.07.2024.
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