Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Psychotomie. Das Feinste ist bekanntlich die experimentelle Methode.Es ist eine Kleinigkeit, damit die Weite des Bewußt- seins zu messen, warum nicht auch die Tiefe eines Ge- fühls oder die Höhe eines Jdeals? Während er so nachdachte, daß man ordentlich das "Gestatten Sie mir, Herr Doktor, Sie mit dem neue- Damit beugte er sich vor, griff vorsichtig mit zwei Pſychotomie. Das Feinſte iſt bekanntlich die experimentelle Methode.Es iſt eine Kleinigkeit, damit die Weite des Bewußt- ſeins zu meſſen, warum nicht auch die Tiefe eines Ge- fühls oder die Höhe eines Jdeals? Während er ſo nachdachte, daß man ordentlich das „Geſtatten Sie mir, Herr Doktor, Sie mit dem neue- Damit beugte er ſich vor, griff vorſichtig mit zwei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0166" n="160"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Pſychotomie.</hi></fw><lb/> Das Feinſte iſt bekanntlich die experimentelle Methode.<lb/> Es iſt eine Kleinigkeit, damit die Weite des Bewußt-<lb/> ſeins zu meſſen, warum nicht auch die Tiefe eines Ge-<lb/> fühls oder die Höhe eines Jdeals?</p><lb/> <p>Während er ſo nachdachte, daß man ordentlich das<lb/> Gehirn knirſchen hörte, klopfte es an die Thür. Jn<lb/> einen Mantel gehüllt trat ein Mann ins Zimmer, ſetzte,<lb/> grüßend, ein Käſtchen auf den Tiſch und nahm ſelbſt<lb/> in aller Ruhe auf einem Stuhle Platz. Man konnte<lb/> nicht ſagen, ob er alt oder jung ſei; ſeine Stirn war<lb/> ſo hoch, daß ſie den Haaren faſt keinen Platz mehr ge-<lb/> laſſen; aber unter den dichten Augenbrauen glänzten<lb/> zwei helle, durchdringende Sterne. Er ließ dem Philo-<lb/> ſophen keine Zeit, von ſeinem Erſtaunen ſich zu erholen,<lb/> ſondern begann:</p><lb/> <p>„Geſtatten Sie mir, Herr Doktor, Sie mit dem neue-<lb/> ſten Fortſchritte der Wiſſenſchaft bekannt zu machen.<lb/> Jch bin nämlich Pſychotom und augenblicklich auf der<lb/> Reiſe, um meine Seelenpräparate abzuſetzen; ich bin<lb/> alſo ſozuſagen Reiſender in philoſophiſchen Effekten.<lb/> Sie verſtehen mich nicht recht? Jch ſehe da einen<lb/> Zweifel, erlauben Sie!“</p><lb/> <p>Damit beugte er ſich vor, griff vorſichtig mit zwei<lb/> Fingern an das Haar des Philoſophen und nahm, wie<lb/> man jemand einen Käfer vom Rocke entfernt, einen<lb/> kleinen Gegenſtand heraus, den er auf den Rand des<lb/> Tintenfaſſes ſetzte. Mit Verwunderung erkannte Schulze<lb/> ein allerliebſtes Figürchen, nicht höher als ein paar<lb/> Centimeter, das ſofort an der Tinte zu nippen begann.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [160/0166]
Pſychotomie.
Das Feinſte iſt bekanntlich die experimentelle Methode.
Es iſt eine Kleinigkeit, damit die Weite des Bewußt-
ſeins zu meſſen, warum nicht auch die Tiefe eines Ge-
fühls oder die Höhe eines Jdeals?
Während er ſo nachdachte, daß man ordentlich das
Gehirn knirſchen hörte, klopfte es an die Thür. Jn
einen Mantel gehüllt trat ein Mann ins Zimmer, ſetzte,
grüßend, ein Käſtchen auf den Tiſch und nahm ſelbſt
in aller Ruhe auf einem Stuhle Platz. Man konnte
nicht ſagen, ob er alt oder jung ſei; ſeine Stirn war
ſo hoch, daß ſie den Haaren faſt keinen Platz mehr ge-
laſſen; aber unter den dichten Augenbrauen glänzten
zwei helle, durchdringende Sterne. Er ließ dem Philo-
ſophen keine Zeit, von ſeinem Erſtaunen ſich zu erholen,
ſondern begann:
„Geſtatten Sie mir, Herr Doktor, Sie mit dem neue-
ſten Fortſchritte der Wiſſenſchaft bekannt zu machen.
Jch bin nämlich Pſychotom und augenblicklich auf der
Reiſe, um meine Seelenpräparate abzuſetzen; ich bin
alſo ſozuſagen Reiſender in philoſophiſchen Effekten.
Sie verſtehen mich nicht recht? Jch ſehe da einen
Zweifel, erlauben Sie!“
Damit beugte er ſich vor, griff vorſichtig mit zwei
Fingern an das Haar des Philoſophen und nahm, wie
man jemand einen Käfer vom Rocke entfernt, einen
kleinen Gegenſtand heraus, den er auf den Rand des
Tintenfaſſes ſetzte. Mit Verwunderung erkannte Schulze
ein allerliebſtes Figürchen, nicht höher als ein paar
Centimeter, das ſofort an der Tinte zu nippen begann.
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