Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Der Traumfabrikant. den Kopf. Jetzt sah ich, daß es garnicht die Leutewaren, welche riefen, sondern ringsum saßen große, ge- druckte Zeitungslettern, und ein riesiges Ausrufungs- zeichen schrie mich an: "Sehen Sie, Excellenz Siebler, jetzt nehmen wir den Traumetat vor, und jetzt sollen Sie einmal die ganze Geschichte, die Sie uns haben träumen lassen, wieder zurückträumen, aber von hinten nach vorn." Dabei wuchs der Scherbenberg um mich immer höher, ich jedoch wuchs selbst mit ihm und trat die Trümmer unter die Füße. Das schmerzte mich, aber das Herz schwoll mir voll Stolz, mir war es, als seien all die tobenden schwarzen Gestalten Stücke von mir und als müßte ich mich ihnen hingeben, um sie zu erquicken und zu sättigen mit meinem Lebensatem. Und ich blies und blies mit aller Kraft neue und neue Traum- blasen in die Menge. Mächtiger und mächtiger quollen sie hervor und bedeckten die ganze Versammlung. Der Atem begann mir auszugehen, die Brust wollte mir springen, so gewaltig blies ich; und ich glaubte sicher, jetzt müßten alle mir danken; denn ich hatte das Volk ganz umhüllt mit rosigen Träumen. Wieder aber flogen die Splitter zu Boden, die Tribünen wuchsen höher und höher und hernieder toste es: "Wir wollen Deine uniformierte Weltstimmung nicht! Nieder mit dem Normaltraum!" Jch aber rief dagegen: "Nehmt, was ich habe, mehr kann ich nicht geben!" So blies ich mit meiner letzten Kraft Wolken von Seifenblasen hervor, und ich hatte ein Gefühl, als zerstöbe ich in Millionen Teile. Die Leute ringsumher haschten danach, Der Traumfabrikant. den Kopf. Jetzt ſah ich, daß es garnicht die Leutewaren, welche riefen, ſondern ringsum ſaßen große, ge- druckte Zeitungslettern, und ein rieſiges Ausrufungs- zeichen ſchrie mich an: „Sehen Sie, Excellenz Siebler, jetzt nehmen wir den Traumetat vor, und jetzt ſollen Sie einmal die ganze Geſchichte, die Sie uns haben träumen laſſen, wieder zurückträumen, aber von hinten nach vorn.“ Dabei wuchs der Scherbenberg um mich immer höher, ich jedoch wuchs ſelbſt mit ihm und trat die Trümmer unter die Füße. Das ſchmerzte mich, aber das Herz ſchwoll mir voll Stolz, mir war es, als ſeien all die tobenden ſchwarzen Geſtalten Stücke von mir und als müßte ich mich ihnen hingeben, um ſie zu erquicken und zu ſättigen mit meinem Lebensatem. Und ich blies und blies mit aller Kraft neue und neue Traum- blaſen in die Menge. Mächtiger und mächtiger quollen ſie hervor und bedeckten die ganze Verſammlung. Der Atem begann mir auszugehen, die Bruſt wollte mir ſpringen, ſo gewaltig blies ich; und ich glaubte ſicher, jetzt müßten alle mir danken; denn ich hatte das Volk ganz umhüllt mit roſigen Träumen. Wieder aber flogen die Splitter zu Boden, die Tribünen wuchſen höher und höher und hernieder toſte es: „Wir wollen Deine uniformierte Weltſtimmung nicht! Nieder mit dem Normaltraum!“ Jch aber rief dagegen: „Nehmt, was ich habe, mehr kann ich nicht geben!“ So blies ich mit meiner letzten Kraft Wolken von Seifenblaſen hervor, und ich hatte ein Gefühl, als zerſtöbe ich in Millionen Teile. Die Leute ringsumher haſchten danach, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0162" n="156"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Traumfabrikant.</hi></fw><lb/> den Kopf. Jetzt ſah ich, daß es garnicht die Leute<lb/> waren, welche riefen, ſondern ringsum ſaßen große, ge-<lb/> druckte Zeitungslettern, und ein rieſiges Ausrufungs-<lb/> zeichen ſchrie mich an: „Sehen Sie, Excellenz Siebler,<lb/> jetzt nehmen wir den Traumetat vor, und jetzt ſollen<lb/> Sie einmal die ganze Geſchichte, die Sie uns haben<lb/> träumen laſſen, wieder zurückträumen, aber von hinten<lb/> nach vorn.“ Dabei wuchs der Scherbenberg um mich<lb/> immer höher, ich jedoch wuchs ſelbſt mit ihm und trat<lb/> die Trümmer unter die Füße. Das ſchmerzte mich,<lb/> aber das Herz ſchwoll mir voll Stolz, mir war es, als<lb/> ſeien all die tobenden ſchwarzen Geſtalten Stücke von<lb/> mir und als müßte ich mich ihnen hingeben, um ſie zu<lb/> erquicken und zu ſättigen mit meinem Lebensatem. Und<lb/> ich blies und blies mit aller Kraft neue und neue Traum-<lb/> blaſen in die Menge. Mächtiger und mächtiger quollen<lb/> ſie hervor und bedeckten die ganze Verſammlung. Der<lb/> Atem begann mir auszugehen, die Bruſt wollte mir<lb/> ſpringen, ſo gewaltig blies ich; und ich glaubte ſicher,<lb/> jetzt müßten alle mir danken; denn ich hatte das Volk<lb/> ganz umhüllt mit roſigen Träumen. Wieder aber flogen<lb/> die Splitter zu Boden, die Tribünen wuchſen höher und<lb/> höher und hernieder toſte es: „Wir wollen Deine<lb/> uniformierte Weltſtimmung nicht! Nieder mit dem<lb/> Normaltraum!“ Jch aber rief dagegen: „Nehmt, was<lb/> ich habe, mehr kann ich nicht geben!“ So blies ich<lb/> mit meiner letzten Kraft Wolken von Seifenblaſen<lb/> hervor, und ich hatte ein Gefühl, als zerſtöbe ich in<lb/> Millionen Teile. Die Leute ringsumher haſchten danach,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [156/0162]
Der Traumfabrikant.
den Kopf. Jetzt ſah ich, daß es garnicht die Leute
waren, welche riefen, ſondern ringsum ſaßen große, ge-
druckte Zeitungslettern, und ein rieſiges Ausrufungs-
zeichen ſchrie mich an: „Sehen Sie, Excellenz Siebler,
jetzt nehmen wir den Traumetat vor, und jetzt ſollen
Sie einmal die ganze Geſchichte, die Sie uns haben
träumen laſſen, wieder zurückträumen, aber von hinten
nach vorn.“ Dabei wuchs der Scherbenberg um mich
immer höher, ich jedoch wuchs ſelbſt mit ihm und trat
die Trümmer unter die Füße. Das ſchmerzte mich,
aber das Herz ſchwoll mir voll Stolz, mir war es, als
ſeien all die tobenden ſchwarzen Geſtalten Stücke von
mir und als müßte ich mich ihnen hingeben, um ſie zu
erquicken und zu ſättigen mit meinem Lebensatem. Und
ich blies und blies mit aller Kraft neue und neue Traum-
blaſen in die Menge. Mächtiger und mächtiger quollen
ſie hervor und bedeckten die ganze Verſammlung. Der
Atem begann mir auszugehen, die Bruſt wollte mir
ſpringen, ſo gewaltig blies ich; und ich glaubte ſicher,
jetzt müßten alle mir danken; denn ich hatte das Volk
ganz umhüllt mit roſigen Träumen. Wieder aber flogen
die Splitter zu Boden, die Tribünen wuchſen höher und
höher und hernieder toſte es: „Wir wollen Deine
uniformierte Weltſtimmung nicht! Nieder mit dem
Normaltraum!“ Jch aber rief dagegen: „Nehmt, was
ich habe, mehr kann ich nicht geben!“ So blies ich
mit meiner letzten Kraft Wolken von Seifenblaſen
hervor, und ich hatte ein Gefühl, als zerſtöbe ich in
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