"Damit Jhr Euch nun nicht länger wundert, Kinder, wie ich dazu komme, meine gestrige Rede für das Traum- monopol heute so weit zu verleugnen, daß ich mich diesem Privatfabrikanten hier ausliefere, so will ich Euch sagen, daß ich beschlossen habe, mich überhaupt von der Politik zurückzuziehen und kein Mandat mehr anzu- nehmen, wenigstens so lange nicht, als die Traumfrage auf der Tagesordnung steht. Jhr seht mich höchst ver- wundert an und fragt, wie ich dazu komme, und ich sage Euch zur Antwort: durch einen niederträchtigen Traum, den ich diese Nacht hatte. Nun, lieber Dormio, Sie werden dafür sorgen, daß mir Ähnliches nicht wieder passiert; eben zu diesem Zwecke bin ich Jhr Kunde geworden."
"Was war das für ein schrecklicher Traum?" fragte Forbach eifrig, während Amalie im Bewußtsein ihrer Schuld tief errötete.
"Zuerst," fuhr Siebler fort, "hatte ich ein äußerst angenehmes Gefühl, das ich kaum beschreiben kann, es war das Gefühl erreichter Sehnsucht, das zwar mit dem Bedürfnis neuen Ringens und Kämpfens wechselte, aber doch immer die freudige Sicherheit des Sieges beibehielt; ein Auf- und Nieder- schwanken der Stimmung mit dem Vorwiegen der Befriedigung; immer glaubte ich die Worte des Dichters zu hören:
"Freudvoll und leidvoll Gedankenvoll sein, Langen und bangen
Der Traumfabrikant.
„Damit Jhr Euch nun nicht länger wundert, Kinder, wie ich dazu komme, meine geſtrige Rede für das Traum- monopol heute ſo weit zu verleugnen, daß ich mich dieſem Privatfabrikanten hier ausliefere, ſo will ich Euch ſagen, daß ich beſchloſſen habe, mich überhaupt von der Politik zurückzuziehen und kein Mandat mehr anzu- nehmen, wenigſtens ſo lange nicht, als die Traumfrage auf der Tagesordnung ſteht. Jhr ſeht mich höchſt ver- wundert an und fragt, wie ich dazu komme, und ich ſage Euch zur Antwort: durch einen niederträchtigen Traum, den ich dieſe Nacht hatte. Nun, lieber Dormio, Sie werden dafür ſorgen, daß mir Ähnliches nicht wieder paſſiert; eben zu dieſem Zwecke bin ich Jhr Kunde geworden.“
„Was war das für ein ſchrecklicher Traum?“ fragte Forbach eifrig, während Amalie im Bewußtſein ihrer Schuld tief errötete.
„Zuerſt,“ fuhr Siebler fort, „hatte ich ein äußerſt angenehmes Gefühl, das ich kaum beſchreiben kann, es war das Gefühl erreichter Sehnſucht, das zwar mit dem Bedürfnis neuen Ringens und Kämpfens wechſelte, aber doch immer die freudige Sicherheit des Sieges beibehielt; ein Auf- und Nieder- ſchwanken der Stimmung mit dem Vorwiegen der Befriedigung; immer glaubte ich die Worte des Dichters zu hören:
„Freudvoll und leidvoll Gedankenvoll ſein, Langen und bangen
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Der Traumfabrikant.
„Damit Jhr Euch nun nicht länger wundert, Kinder,
wie ich dazu komme, meine geſtrige Rede für das Traum-
monopol heute ſo weit zu verleugnen, daß ich mich
dieſem Privatfabrikanten hier ausliefere, ſo will ich Euch
ſagen, daß ich beſchloſſen habe, mich überhaupt von der
Politik zurückzuziehen und kein Mandat mehr anzu-
nehmen, wenigſtens ſo lange nicht, als die Traumfrage
auf der Tagesordnung ſteht. Jhr ſeht mich höchſt ver-
wundert an und fragt, wie ich dazu komme, und ich
ſage Euch zur Antwort: durch einen niederträchtigen
Traum, den ich dieſe Nacht hatte. Nun, lieber Dormio,
Sie werden dafür ſorgen, daß mir Ähnliches nicht wieder
paſſiert; eben zu dieſem Zwecke bin ich Jhr Kunde
geworden.“
„Was war das für ein ſchrecklicher Traum?“ fragte
Forbach eifrig, während Amalie im Bewußtſein ihrer
Schuld tief errötete.
„Zuerſt,“ fuhr Siebler fort, „hatte ich ein
äußerſt angenehmes Gefühl, das ich kaum beſchreiben
kann, es war das Gefühl erreichter Sehnſucht, das
zwar mit dem Bedürfnis neuen Ringens und Kämpfens
wechſelte, aber doch immer die freudige Sicherheit
des Sieges beibehielt; ein Auf- und Nieder-
ſchwanken der Stimmung mit dem Vorwiegen der
Befriedigung; immer glaubte ich die Worte des Dichters
zu hören:
„Freudvoll und leidvoll
Gedankenvoll ſein,
Langen und bangen
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/160>, abgerufen am 22.07.2024.
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