nicht an, er hob schweigend den Arm nach seinem Kopfe -- ich verlor das Gleichgewicht und flog durch die Luft. Als ich wieder zur Besinnung dessen kam, was eigentlich mit mir geschehen sei, waren beide, der Mensch und die beiden Weibchen, schon ein Stück von einander entfernt, und bald verlor ich den Menschen aus dem Gesicht. Jch saß nämlich, wie ich jetzt bemerkte, in dem Gewande des Mädchens. Hier hielt ich mich verborgen, ich weiß nicht wie lange.
Eine plötzliche starke Erschütterung des Kleides warf mich auf den Boden. Als ich imstande war mich um- zusehen, fand ich mich in einer Menschenwohnung. Das Weibchen war allein, aber sie hatte jetzt ein weißes Gewand an. Es war dunkel im Zimmer, nur auf dem Tische, an welchem das Weibchen saß, leuchtete eine helle Flamme. Jch sah mich in meinem Schrecken zunächst nach einem Zufluchtsort um, dann aber besann ich mich meiner Aufgabe und wanderte mutig dem Lichte entgegen. Auf dem Tische angelangt verbarg ich mich in einem dort stehenden Blumenstrauße und konnte nun das Weibchen genau beobachten. Sie hielt ein Bild -- die Menschen ahmen merkwürdig geschickt alles nach, was sie sehen -- in ihrer Hand; einige Blätter Papier, in denen sie eben gelesen, lagen neben ihr. Jch hatte später -- leider! -- Gelegenheit, den Jnhalt genau zu vermerken und will ihn sogleich hier ver- zeichnen unter der Überschrift:
Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
nicht an, er hob ſchweigend den Arm nach ſeinem Kopfe — ich verlor das Gleichgewicht und flog durch die Luft. Als ich wieder zur Beſinnung deſſen kam, was eigentlich mit mir geſchehen ſei, waren beide, der Menſch und die beiden Weibchen, ſchon ein Stück von einander entfernt, und bald verlor ich den Menſchen aus dem Geſicht. Jch ſaß nämlich, wie ich jetzt bemerkte, in dem Gewande des Mädchens. Hier hielt ich mich verborgen, ich weiß nicht wie lange.
Eine plötzliche ſtarke Erſchütterung des Kleides warf mich auf den Boden. Als ich imſtande war mich um- zuſehen, fand ich mich in einer Menſchenwohnung. Das Weibchen war allein, aber ſie hatte jetzt ein weißes Gewand an. Es war dunkel im Zimmer, nur auf dem Tiſche, an welchem das Weibchen ſaß, leuchtete eine helle Flamme. Jch ſah mich in meinem Schrecken zunächſt nach einem Zufluchtsort um, dann aber beſann ich mich meiner Aufgabe und wanderte mutig dem Lichte entgegen. Auf dem Tiſche angelangt verbarg ich mich in einem dort ſtehenden Blumenſtrauße und konnte nun das Weibchen genau beobachten. Sie hielt ein Bild — die Menſchen ahmen merkwürdig geſchickt alles nach, was ſie ſehen — in ihrer Hand; einige Blätter Papier, in denen ſie eben geleſen, lagen neben ihr. Jch hatte ſpäter — leider! — Gelegenheit, den Jnhalt genau zu vermerken und will ihn ſogleich hier ver- zeichnen unter der Überſchrift:
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Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
nicht an, er hob ſchweigend den Arm nach ſeinem Kopfe —
ich verlor das Gleichgewicht und flog durch die Luft.
Als ich wieder zur Beſinnung deſſen kam, was eigentlich
mit mir geſchehen ſei, waren beide, der Menſch und die
beiden Weibchen, ſchon ein Stück von einander entfernt,
und bald verlor ich den Menſchen aus dem Geſicht.
Jch ſaß nämlich, wie ich jetzt bemerkte, in dem Gewande
des Mädchens. Hier hielt ich mich verborgen, ich weiß
nicht wie lange.
Eine plötzliche ſtarke Erſchütterung des Kleides warf
mich auf den Boden. Als ich imſtande war mich um-
zuſehen, fand ich mich in einer Menſchenwohnung. Das
Weibchen war allein, aber ſie hatte jetzt ein weißes
Gewand an. Es war dunkel im Zimmer, nur auf
dem Tiſche, an welchem das Weibchen ſaß, leuchtete
eine helle Flamme. Jch ſah mich in meinem Schrecken
zunächſt nach einem Zufluchtsort um, dann aber beſann
ich mich meiner Aufgabe und wanderte mutig dem
Lichte entgegen. Auf dem Tiſche angelangt verbarg ich
mich in einem dort ſtehenden Blumenſtrauße und konnte
nun das Weibchen genau beobachten. Sie hielt ein
Bild — die Menſchen ahmen merkwürdig geſchickt alles
nach, was ſie ſehen — in ihrer Hand; einige Blätter
Papier, in denen ſie eben geleſen, lagen neben ihr.
Jch hatte ſpäter — leider! — Gelegenheit, den Jnhalt
genau zu vermerken und will ihn ſogleich hier ver-
zeichnen unter der Überſchrift:
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/106>, abgerufen am 22.07.2024.
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