Grenzzone könnte sich Leben erhalten. Aber wer ver- mochte zu sagen, welch andere, verderbliche Umwand- lungen bei einer derartigen Änderung des Gleichgewichts von Luft und Wasser auf der Erde noch eintreten mochten?
Wohl versuchte man diesen Plan als ein thörichtes Hirngespinst hinzustellen, als ein Schreckmittel, das die Martier wohl absichtlich den Menschen zurück- gelassen hätten. Doch konnte man die entschiedenen Befürchtungen nicht genügend zerstreuen. Das Projekt schien zu gut fundiert. Oß hatte die Energiemenge ausgerechnet, die zur Hemmung der Erdrotation er- forderlich ist. Sie ist allerdings so groß als die Strahlungsenergie, die von der Sonne in 600 Jahren zur Erde gelangt, wenn man nur die gegenwärtig den Menschen auf der Erdoberfläche zugängliche Energie in Anschlag bringt. Viel größer aber ist die Energie- strahlung unter Berücksichtigung aller Strahlengattungen. Und wenn die Martier den von ihnen aufgespeicherten Energieschatz aufbrauchten, so waren sie sicher, ihn wieder ersetzen zu können. Oß hatte eine Methode ausgedacht -- er nannte sie die "Erdbremse" -- wo- nach die Rotationsenergie der Erde selbst die Arbeits- quelle sein sollte, um eine Hemmung zu erzeugen, sie sollte zur Arbeit benutzt und somit die Erde durch sich selbst gebremst werden. Zwanzig Jahre genügten seiner Rechnung nach, um die Erdrotation auf das gewünschte Maß zu verringern.
Mit besonderem Bangen sah man dem 11. Dezember entgegen. An diesem Tage fand die Opposition von Mars und Erde statt, es trat die Stellung ein, in
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Weltfrieden.
Grenzzone könnte ſich Leben erhalten. Aber wer ver- mochte zu ſagen, welch andere, verderbliche Umwand- lungen bei einer derartigen Änderung des Gleichgewichts von Luft und Waſſer auf der Erde noch eintreten mochten?
Wohl verſuchte man dieſen Plan als ein thörichtes Hirngeſpinſt hinzuſtellen, als ein Schreckmittel, das die Martier wohl abſichtlich den Menſchen zurück- gelaſſen hätten. Doch konnte man die entſchiedenen Befürchtungen nicht genügend zerſtreuen. Das Projekt ſchien zu gut fundiert. Oß hatte die Energiemenge ausgerechnet, die zur Hemmung der Erdrotation er- forderlich iſt. Sie iſt allerdings ſo groß als die Strahlungsenergie, die von der Sonne in 600 Jahren zur Erde gelangt, wenn man nur die gegenwärtig den Menſchen auf der Erdoberfläche zugängliche Energie in Anſchlag bringt. Viel größer aber iſt die Energie- ſtrahlung unter Berückſichtigung aller Strahlengattungen. Und wenn die Martier den von ihnen aufgeſpeicherten Energieſchatz aufbrauchten, ſo waren ſie ſicher, ihn wieder erſetzen zu können. Oß hatte eine Methode ausgedacht — er nannte ſie die „Erdbremſe‟ — wo- nach die Rotationsenergie der Erde ſelbſt die Arbeits- quelle ſein ſollte, um eine Hemmung zu erzeugen, ſie ſollte zur Arbeit benutzt und ſomit die Erde durch ſich ſelbſt gebremſt werden. Zwanzig Jahre genügten ſeiner Rechnung nach, um die Erdrotation auf das gewünſchte Maß zu verringern.
Mit beſonderem Bangen ſah man dem 11. Dezember entgegen. An dieſem Tage fand die Oppoſition von Mars und Erde ſtatt, es trat die Stellung ein, in
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Weltfrieden.
Grenzzone könnte ſich Leben erhalten. Aber wer ver-
mochte zu ſagen, welch andere, verderbliche Umwand-
lungen bei einer derartigen Änderung des Gleichgewichts
von Luft und Waſſer auf der Erde noch eintreten mochten?
Wohl verſuchte man dieſen Plan als ein thörichtes
Hirngeſpinſt hinzuſtellen, als ein Schreckmittel, das
die Martier wohl abſichtlich den Menſchen zurück-
gelaſſen hätten. Doch konnte man die entſchiedenen
Befürchtungen nicht genügend zerſtreuen. Das Projekt
ſchien zu gut fundiert. Oß hatte die Energiemenge
ausgerechnet, die zur Hemmung der Erdrotation er-
forderlich iſt. Sie iſt allerdings ſo groß als die
Strahlungsenergie, die von der Sonne in 600 Jahren
zur Erde gelangt, wenn man nur die gegenwärtig
den Menſchen auf der Erdoberfläche zugängliche Energie
in Anſchlag bringt. Viel größer aber iſt die Energie-
ſtrahlung unter Berückſichtigung aller Strahlengattungen.
Und wenn die Martier den von ihnen aufgeſpeicherten
Energieſchatz aufbrauchten, ſo waren ſie ſicher, ihn
wieder erſetzen zu können. Oß hatte eine Methode
ausgedacht — er nannte ſie die „Erdbremſe‟ — wo-
nach die Rotationsenergie der Erde ſelbſt die Arbeits-
quelle ſein ſollte, um eine Hemmung zu erzeugen, ſie
ſollte zur Arbeit benutzt und ſomit die Erde durch
ſich ſelbſt gebremſt werden. Zwanzig Jahre genügten
ſeiner Rechnung nach, um die Erdrotation auf das
gewünſchte Maß zu verringern.
Mit beſonderem Bangen ſah man dem 11. Dezember
entgegen. An dieſem Tage fand die Oppoſition von
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/539>, abgerufen am 22.11.2024.
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