Achtundvierzigstes Kapitel. Der Justruktor von Bozen.
Durch die engen Felsschluchten des Eisackthales brauste der von Wien kommende Schnellzug nach Süden und überholte die schäumenden Fluten des wild dahinstürmenden Baches. Der größere Teil der Fahrgäste drängte sich an den Fenstern, um das von der klaren Septembersonne vergoldete Naturschau- spiel zu genießen. Einer jedoch, offenbar kein Fremder in dieser Gegend, kümmerte sich wenig darum. Er saß in eine Ecke gelehnt, mit geschlossenen Augen in seine Gedanken versunken, unter denen seine Stirn sich von Zeit zu Zeit zu sorgenvollen Falten zusammen- zog. Dann blickte er nach seiner Uhr, als ob der Zug ihn nicht schnell genug seinem Ziele zuführe.
"Noch zehn Minuten", murmelte er.
Aus der Brusttasche seiner Joppe zog er einige Papiere, ein Telegramm und eine Zeitung. Er hatte sie schon oft gelesen, dennoch blickte er wieder hinein, als könnten sie ihm noch etwas Neues sagen.
[Abbildung]
Achtundvierzigſtes Kapitel. Der Juſtruktor von Bozen.
Durch die engen Felsſchluchten des Eiſackthales brauſte der von Wien kommende Schnellzug nach Süden und überholte die ſchäumenden Fluten des wild dahinſtürmenden Baches. Der größere Teil der Fahrgäſte drängte ſich an den Fenſtern, um das von der klaren Septemberſonne vergoldete Naturſchau- ſpiel zu genießen. Einer jedoch, offenbar kein Fremder in dieſer Gegend, kümmerte ſich wenig darum. Er ſaß in eine Ecke gelehnt, mit geſchloſſenen Augen in ſeine Gedanken verſunken, unter denen ſeine Stirn ſich von Zeit zu Zeit zu ſorgenvollen Falten zuſammen- zog. Dann blickte er nach ſeiner Uhr, als ob der Zug ihn nicht ſchnell genug ſeinem Ziele zuführe.
„Noch zehn Minuten‟, murmelte er.
Aus der Bruſttaſche ſeiner Joppe zog er einige Papiere, ein Telegramm und eine Zeitung. Er hatte ſie ſchon oft geleſen, dennoch blickte er wieder hinein, als könnten ſie ihm noch etwas Neues ſagen.
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Achtundvierzigſtes Kapitel.
Der Juſtruktor von Bozen.
Durch die engen Felsſchluchten des Eiſackthales
brauſte der von Wien kommende Schnellzug
nach Süden und überholte die ſchäumenden Fluten
des wild dahinſtürmenden Baches. Der größere Teil
der Fahrgäſte drängte ſich an den Fenſtern, um das
von der klaren Septemberſonne vergoldete Naturſchau-
ſpiel zu genießen. Einer jedoch, offenbar kein Fremder
in dieſer Gegend, kümmerte ſich wenig darum. Er
ſaß in eine Ecke gelehnt, mit geſchloſſenen Augen in
ſeine Gedanken verſunken, unter denen ſeine Stirn
ſich von Zeit zu Zeit zu ſorgenvollen Falten zuſammen-
zog. Dann blickte er nach ſeiner Uhr, als ob der
Zug ihn nicht ſchnell genug ſeinem Ziele zuführe.
„Noch zehn Minuten‟, murmelte er.
Aus der Bruſttaſche ſeiner Joppe zog er einige
Papiere, ein Telegramm und eine Zeitung. Er hatte
ſie ſchon oft geleſen, dennoch blickte er wieder hinein,
als könnten ſie ihm noch etwas Neues ſagen.
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. [328]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/336>, abgerufen am 18.05.2024.
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