nur das eine Ziel, den Menschen das höchste aller Güter zu verschaffen, die innere Freiheit."
Der Justizminister schüttelte mit dem Kopfe. "Das ist ein kindlicher Jdealismus", dachte er, aber er wußte nicht gleich, wie er dies, was er für beleidigend hielt, höflich ausdrücken solle.
"Herr Kultor", sagte v. Huhnschlott, "das bedeutet eine gänzlich von der unsrigen abweichende Weltan- schauung, das kann nur die Umsturzideen fördern. Wir bitten Sie inständig --"
"Das ist keine neue Weltanschauung", unterbrach ihn der Kultor streng, "es ist nur der Kern der Religion, zu deren äußeren Formen Sie sich so eifrig bekennen. Es ist die innere Freiheit im Sinne des Christentums, nur daß sein Begründer, im Zusammensturze der antiken Welt, machtlos im römischen Weltreich, sie allein finden konnte in der Verachtung und Flucht der Welt, und daß seine angeblichen Nachfolger sie bloß verstanden als den Verzicht des Armseligen zu gunsten des Mächtigen. Wir aber sind die Herren der Natur und der Welt, und wollen nun nicht vergessen der Pflicht, für jeden diese innere Freiheit zu ermöglichen, ohne daß er zu verzichten braucht auf die Güter dieses Lebens. Und darum, meine Herren, ist es ganz ver- geblich, daß Sie sich weiter bemühen. Sie werden dem Gesetze die Zustimmung der Regierung geben."
Der Kultor erhob sich.
Die Minister standen sogleich auf und sahen sich verlegen an.
"Verzeihen Sie, Herr Kultor", begann der Justiz-
Der Kultor der Deutſchen.
nur das eine Ziel, den Menſchen das höchſte aller Güter zu verſchaffen, die innere Freiheit.‟
Der Juſtizminiſter ſchüttelte mit dem Kopfe. „Das iſt ein kindlicher Jdealismus‟, dachte er, aber er wußte nicht gleich, wie er dies, was er für beleidigend hielt, höflich ausdrücken ſolle.
„Herr Kultor‟, ſagte v. Huhnſchlott, „das bedeutet eine gänzlich von der unſrigen abweichende Weltan- ſchauung, das kann nur die Umſturzideen fördern. Wir bitten Sie inſtändig —‟
„Das iſt keine neue Weltanſchauung‟, unterbrach ihn der Kultor ſtreng, „es iſt nur der Kern der Religion, zu deren äußeren Formen Sie ſich ſo eifrig bekennen. Es iſt die innere Freiheit im Sinne des Chriſtentums, nur daß ſein Begründer, im Zuſammenſturze der antiken Welt, machtlos im römiſchen Weltreich, ſie allein finden konnte in der Verachtung und Flucht der Welt, und daß ſeine angeblichen Nachfolger ſie bloß verſtanden als den Verzicht des Armſeligen zu gunſten des Mächtigen. Wir aber ſind die Herren der Natur und der Welt, und wollen nun nicht vergeſſen der Pflicht, für jeden dieſe innere Freiheit zu ermöglichen, ohne daß er zu verzichten braucht auf die Güter dieſes Lebens. Und darum, meine Herren, iſt es ganz ver- geblich, daß Sie ſich weiter bemühen. Sie werden dem Geſetze die Zuſtimmung der Regierung geben.‟
Der Kultor erhob ſich.
Die Miniſter ſtanden ſogleich auf und ſahen ſich verlegen an.
„Verzeihen Sie, Herr Kultor‟, begann der Juſtiz-
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Der Kultor der Deutſchen.
nur das eine Ziel, den Menſchen das höchſte aller
Güter zu verſchaffen, die innere Freiheit.‟
Der Juſtizminiſter ſchüttelte mit dem Kopfe. „Das
iſt ein kindlicher Jdealismus‟, dachte er, aber er wußte
nicht gleich, wie er dies, was er für beleidigend hielt,
höflich ausdrücken ſolle.
„Herr Kultor‟, ſagte v. Huhnſchlott, „das bedeutet
eine gänzlich von der unſrigen abweichende Weltan-
ſchauung, das kann nur die Umſturzideen fördern.
Wir bitten Sie inſtändig —‟
„Das iſt keine neue Weltanſchauung‟, unterbrach
ihn der Kultor ſtreng, „es iſt nur der Kern der Religion,
zu deren äußeren Formen Sie ſich ſo eifrig bekennen.
Es iſt die innere Freiheit im Sinne des Chriſtentums,
nur daß ſein Begründer, im Zuſammenſturze der
antiken Welt, machtlos im römiſchen Weltreich, ſie
allein finden konnte in der Verachtung und Flucht der
Welt, und daß ſeine angeblichen Nachfolger ſie bloß
verſtanden als den Verzicht des Armſeligen zu gunſten
des Mächtigen. Wir aber ſind die Herren der Natur
und der Welt, und wollen nun nicht vergeſſen der
Pflicht, für jeden dieſe innere Freiheit zu ermöglichen,
ohne daß er zu verzichten braucht auf die Güter dieſes
Lebens. Und darum, meine Herren, iſt es ganz ver-
geblich, daß Sie ſich weiter bemühen. Sie werden
dem Geſetze die Zuſtimmung der Regierung geben.‟
Der Kultor erhob ſich.
Die Miniſter ſtanden ſogleich auf und ſahen ſich
verlegen an.
„Verzeihen Sie, Herr Kultor‟, begann der Juſtiz-
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/301>, abgerufen am 22.11.2024.
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