Väter sie geliebt hatten, wo in der Nacht der Himmel mit Millionen Sternen leuchtete, wo wallende Nebel der Morgensonne vorauszogen, und dann das Glut- gestirn den Boden unter den Füßen brennen ließ. Sie liebten die Wüste und schüttelten die Köpfe, sobald einer der Jhren in die Schächte am Wüstenrande hinab- stieg. Sie betrachteten die Bewohner der Thäler nur als die Lieferanten ihrer Bedürfnisse und fühlten sich als die eigentlichen Spender der Kraft des Planeten; aber sie wußten auch, daß sie trotz ihrer Sonne und Sterne verhungern müßten, wenn nicht die klugen Männer der Tiefe ihnen Steine in Brot verwandelten.
Steine in Brot! Eiweißstoffe und Kohlenhydrate aus Fels und Boden, aus Luft und Wasser ohne Ver- mittlung der Pflanzenzelle! -- Das war die Kunst und Wissenschaft gewesen, wodurch die Martier sich von dem niedrigen Kulturstandpunkte des Ackerbaues eman- zipiert und sich zu unmittelbaren Söhnen der Sonne gemacht hatten. Die Pflanze diente dem ästhetischen Genuß und dem Schutze der Feuchtigkeit im Erdreich, aber man war nicht auf ihre Erträge angewiesen. Zahllose Kräfte wurden frei für geistige Arbeit und ethische Kultur, das stolze Bewußtsein der Numenheit hob die Martier über die Natur und machte sie zu Herren des Sonnensystems.
[Abbildung]
Auf dem Mars.
Väter ſie geliebt hatten, wo in der Nacht der Himmel mit Millionen Sternen leuchtete, wo wallende Nebel der Morgenſonne vorauszogen, und dann das Glut- geſtirn den Boden unter den Füßen brennen ließ. Sie liebten die Wüſte und ſchüttelten die Köpfe, ſobald einer der Jhren in die Schächte am Wüſtenrande hinab- ſtieg. Sie betrachteten die Bewohner der Thäler nur als die Lieferanten ihrer Bedürfniſſe und fühlten ſich als die eigentlichen Spender der Kraft des Planeten; aber ſie wußten auch, daß ſie trotz ihrer Sonne und Sterne verhungern müßten, wenn nicht die klugen Männer der Tiefe ihnen Steine in Brot verwandelten.
Steine in Brot! Eiweißſtoffe und Kohlenhydrate aus Fels und Boden, aus Luft und Waſſer ohne Ver- mittlung der Pflanzenzelle! — Das war die Kunſt und Wiſſenſchaft geweſen, wodurch die Martier ſich von dem niedrigen Kulturſtandpunkte des Ackerbaues eman- zipiert und ſich zu unmittelbaren Söhnen der Sonne gemacht hatten. Die Pflanze diente dem äſthetiſchen Genuß und dem Schutze der Feuchtigkeit im Erdreich, aber man war nicht auf ihre Erträge angewieſen. Zahlloſe Kräfte wurden frei für geiſtige Arbeit und ethiſche Kultur, das ſtolze Bewußtſein der Numenheit hob die Martier über die Natur und machte ſie zu Herren des Sonnenſyſtems.
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Auf dem Mars.
Väter ſie geliebt hatten, wo in der Nacht der Himmel
mit Millionen Sternen leuchtete, wo wallende Nebel
der Morgenſonne vorauszogen, und dann das Glut-
geſtirn den Boden unter den Füßen brennen ließ. Sie
liebten die Wüſte und ſchüttelten die Köpfe, ſobald
einer der Jhren in die Schächte am Wüſtenrande hinab-
ſtieg. Sie betrachteten die Bewohner der Thäler nur
als die Lieferanten ihrer Bedürfniſſe und fühlten ſich
als die eigentlichen Spender der Kraft des Planeten;
aber ſie wußten auch, daß ſie trotz ihrer Sonne und
Sterne verhungern müßten, wenn nicht die klugen
Männer der Tiefe ihnen Steine in Brot verwandelten.
Steine in Brot! Eiweißſtoffe und Kohlenhydrate
aus Fels und Boden, aus Luft und Waſſer ohne Ver-
mittlung der Pflanzenzelle! — Das war die Kunſt
und Wiſſenſchaft geweſen, wodurch die Martier ſich von
dem niedrigen Kulturſtandpunkte des Ackerbaues eman-
zipiert und ſich zu unmittelbaren Söhnen der Sonne
gemacht hatten. Die Pflanze diente dem äſthetiſchen
Genuß und dem Schutze der Feuchtigkeit im Erdreich,
aber man war nicht auf ihre Erträge angewieſen.
Zahlloſe Kräfte wurden frei für geiſtige Arbeit und
ethiſche Kultur, das ſtolze Bewußtſein der Numenheit
hob die Martier über die Natur und machte ſie zu
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/29>, abgerufen am 25.04.2024.
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