Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.Die Rente des Mars. die Menschheit in Frage stand, die Rücksicht auf dieNeigung der gegenwärtigen Menschheit, dieses Geschenk anzunehmen, zu schweigen hatte. Noch viel weniger aber durfte er sich in seinen Handlungen durch per- sönliche Neigungen irre machen lassen. Mochte man ihn als Ueberläufer, als Verräter an der Sache der Erde betrachten, mochte man Schmach und Verachtung auf ihn häufen -- gleichviel! Er wußte, daß er zum besten der Kultur überhaupt und so auch der Mensch- heit handle, wenn er voll auf der Seite des Mars stand. Mochte er selbst seine persönlichen Freunde verlieren, er mußte es tragen. Einst würden sie ge- rechter über ihn urteilen. Und Jsma! Er sah den traurigen Blick der blauen Augen, er sah das schmerz- liche Zucken ihrer Lippen und das verächtliche Zurück- werfen des Kopfes -- Und noch einmal sprang er empor und starrte trüben Blickes in die dunkle Nacht. Dort drüben, wo der hellgrüne Schimmer des Straßen- streifens sich hinzog, da wohnte sie. O könnte er hingehen und sie rufen, wie damals, als das Luftschiff auf sie wartete, könnte er sie wieder zur Erde zurück- führen und dafür ihren dankbaren Blick erhalten! Doch es ging nicht. Sie durfte nicht fort, sie konnte nicht, selbst wenn er versucht hätte sie fortzubringen. Aber er selbst! Jhm stand es frei, er besaß die Erlaubnis, mit nach der Erde zu gehen, er hatte die Vollmacht hier vor sich, die er eben mit den übrigen Briefschaften an Jll zurückschicken wollte. Jn wenigen Tagen ging das Raumschiff. Jll fuhr zu diesem Zweck selbst an die Polstation, um der Abreise beizuwohnen. Er konnte 37*
Die Rente des Mars. die Menſchheit in Frage ſtand, die Rückſicht auf dieNeigung der gegenwärtigen Menſchheit, dieſes Geſchenk anzunehmen, zu ſchweigen hatte. Noch viel weniger aber durfte er ſich in ſeinen Handlungen durch per- ſönliche Neigungen irre machen laſſen. Mochte man ihn als Ueberläufer, als Verräter an der Sache der Erde betrachten, mochte man Schmach und Verachtung auf ihn häufen — gleichviel! Er wußte, daß er zum beſten der Kultur überhaupt und ſo auch der Menſch- heit handle, wenn er voll auf der Seite des Mars ſtand. Mochte er ſelbſt ſeine perſönlichen Freunde verlieren, er mußte es tragen. Einſt würden ſie ge- rechter über ihn urteilen. Und Jsma! Er ſah den traurigen Blick der blauen Augen, er ſah das ſchmerz- liche Zucken ihrer Lippen und das verächtliche Zurück- werfen des Kopfes — Und noch einmal ſprang er empor und ſtarrte trüben Blickes in die dunkle Nacht. Dort drüben, wo der hellgrüne Schimmer des Straßen- ſtreifens ſich hinzog, da wohnte ſie. O könnte er hingehen und ſie rufen, wie damals, als das Luftſchiff auf ſie wartete, könnte er ſie wieder zur Erde zurück- führen und dafür ihren dankbaren Blick erhalten! Doch es ging nicht. Sie durfte nicht fort, ſie konnte nicht, ſelbſt wenn er verſucht hätte ſie fortzubringen. Aber er ſelbſt! Jhm ſtand es frei, er beſaß die Erlaubnis, mit nach der Erde zu gehen, er hatte die Vollmacht hier vor ſich, die er eben mit den übrigen Briefſchaften an Jll zurückſchicken wollte. Jn wenigen Tagen ging das Raumſchiff. Jll fuhr zu dieſem Zweck ſelbſt an die Polſtation, um der Abreiſe beizuwohnen. Er konnte 37*
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Die Rente des Mars.
die Menſchheit in Frage ſtand, die Rückſicht auf die
Neigung der gegenwärtigen Menſchheit, dieſes Geſchenk
anzunehmen, zu ſchweigen hatte. Noch viel weniger
aber durfte er ſich in ſeinen Handlungen durch per-
ſönliche Neigungen irre machen laſſen. Mochte man
ihn als Ueberläufer, als Verräter an der Sache der
Erde betrachten, mochte man Schmach und Verachtung
auf ihn häufen — gleichviel! Er wußte, daß er zum
beſten der Kultur überhaupt und ſo auch der Menſch-
heit handle, wenn er voll auf der Seite des Mars
ſtand. Mochte er ſelbſt ſeine perſönlichen Freunde
verlieren, er mußte es tragen. Einſt würden ſie ge-
rechter über ihn urteilen. Und Jsma! Er ſah den
traurigen Blick der blauen Augen, er ſah das ſchmerz-
liche Zucken ihrer Lippen und das verächtliche Zurück-
werfen des Kopfes — Und noch einmal ſprang er
empor und ſtarrte trüben Blickes in die dunkle Nacht.
Dort drüben, wo der hellgrüne Schimmer des Straßen-
ſtreifens ſich hinzog, da wohnte ſie. O könnte er
hingehen und ſie rufen, wie damals, als das Luftſchiff
auf ſie wartete, könnte er ſie wieder zur Erde zurück-
führen und dafür ihren dankbaren Blick erhalten! Doch
es ging nicht. Sie durfte nicht fort, ſie konnte nicht,
ſelbſt wenn er verſucht hätte ſie fortzubringen. Aber
er ſelbſt! Jhm ſtand es frei, er beſaß die Erlaubnis,
mit nach der Erde zu gehen, er hatte die Vollmacht
hier vor ſich, die er eben mit den übrigen Briefſchaften
an Jll zurückſchicken wollte. Jn wenigen Tagen ging
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die Polſtation, um der Abreiſe beizuwohnen. Er konnte
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