Den breiten Kiesweg, welcher vom Hügel herab zwischen den Vorgärten der Villen nach dem Eingang des Parkes führte, schritt in Gedanken verloren der Besitzer jener Privatsternwarte. Jm Schatten der Bäume angelangt nahm er den weichen hellfarbigen Filzhut ab, und man sah, daß volles graues Haar seinen Kopf bedeckte. Aber es war nicht ergraut von der Last des Alters, es hatte stets diese Farbe gehabt. Unter der hohen Stirn leuchteten zwei mächtige tief- dunkle Augen. Sie waren jetzt nicht mehr sinnend zur Erde gerichtet, sondern spähten erwartungsvoll durch die Gänge des Parkes.
Zwischen den Büschen am Ufer des Teiches schim- merte ein heller Sonnenschirm. Beim Geräusch der nahenden Schritte erhob sich von einer Bank unter dem Schatten einer breitästigen Linde eine anmutige Frauengestalt in eleganter Sommerkleidung. Der nach- denkliche Ernst, der über ihren feinen Zügen gelegen hatte, wich einem freundlichen Lächeln, als sie jetzt Ell entgegentrat, und in ihren dunkelblauen Augen blitzte es auf wie von einem stillen Glücke, als sie ihm die Hand reichte.
"Verzeihen Sie", sagte Ell, indem er an ihrer Seite den Parkweg am Ufer des Teiches entlang wandelte, "ich habe mich verspätet, natürlich ohne meine Schuld."
"Auch ich bin eben erst gekommen", erwiderte Jsma Torm. "Jch habe Besuch gehabt. Frau Anton hat mir sehr weise Reden gehalten. Sie konnte gar kein Ende finden."
Der Sohn des Martiers.
Den breiten Kiesweg, welcher vom Hügel herab zwiſchen den Vorgärten der Villen nach dem Eingang des Parkes führte, ſchritt in Gedanken verloren der Beſitzer jener Privatſternwarte. Jm Schatten der Bäume angelangt nahm er den weichen hellfarbigen Filzhut ab, und man ſah, daß volles graues Haar ſeinen Kopf bedeckte. Aber es war nicht ergraut von der Laſt des Alters, es hatte ſtets dieſe Farbe gehabt. Unter der hohen Stirn leuchteten zwei mächtige tief- dunkle Augen. Sie waren jetzt nicht mehr ſinnend zur Erde gerichtet, ſondern ſpähten erwartungsvoll durch die Gänge des Parkes.
Zwiſchen den Büſchen am Ufer des Teiches ſchim- merte ein heller Sonnenſchirm. Beim Geräuſch der nahenden Schritte erhob ſich von einer Bank unter dem Schatten einer breitäſtigen Linde eine anmutige Frauengeſtalt in eleganter Sommerkleidung. Der nach- denkliche Ernſt, der über ihren feinen Zügen gelegen hatte, wich einem freundlichen Lächeln, als ſie jetzt Ell entgegentrat, und in ihren dunkelblauen Augen blitzte es auf wie von einem ſtillen Glücke, als ſie ihm die Hand reichte.
„Verzeihen Sie‟, ſagte Ell, indem er an ihrer Seite den Parkweg am Ufer des Teiches entlang wandelte, „ich habe mich verſpätet, natürlich ohne meine Schuld.‟
„Auch ich bin eben erſt gekommen‟, erwiderte Jsma Torm. „Jch habe Beſuch gehabt. Frau Anton hat mir ſehr weiſe Reden gehalten. Sie konnte gar kein Ende finden.‟
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Der Sohn des Martiers.
Den breiten Kiesweg, welcher vom Hügel herab
zwiſchen den Vorgärten der Villen nach dem Eingang
des Parkes führte, ſchritt in Gedanken verloren der
Beſitzer jener Privatſternwarte. Jm Schatten der
Bäume angelangt nahm er den weichen hellfarbigen
Filzhut ab, und man ſah, daß volles graues Haar
ſeinen Kopf bedeckte. Aber es war nicht ergraut von
der Laſt des Alters, es hatte ſtets dieſe Farbe gehabt.
Unter der hohen Stirn leuchteten zwei mächtige tief-
dunkle Augen. Sie waren jetzt nicht mehr ſinnend zur
Erde gerichtet, ſondern ſpähten erwartungsvoll durch
die Gänge des Parkes.
Zwiſchen den Büſchen am Ufer des Teiches ſchim-
merte ein heller Sonnenſchirm. Beim Geräuſch der
nahenden Schritte erhob ſich von einer Bank unter
dem Schatten einer breitäſtigen Linde eine anmutige
Frauengeſtalt in eleganter Sommerkleidung. Der nach-
denkliche Ernſt, der über ihren feinen Zügen gelegen
hatte, wich einem freundlichen Lächeln, als ſie jetzt Ell
entgegentrat, und in ihren dunkelblauen Augen blitzte
es auf wie von einem ſtillen Glücke, als ſie ihm die
Hand reichte.
„Verzeihen Sie‟, ſagte Ell, indem er an ihrer
Seite den Parkweg am Ufer des Teiches entlang
wandelte, „ich habe mich verſpätet, natürlich ohne
meine Schuld.‟
„Auch ich bin eben erſt gekommen‟, erwiderte
Jsma Torm. „Jch habe Beſuch gehabt. Frau Anton
hat mir ſehr weiſe Reden gehalten. Sie konnte gar
kein Ende finden.‟
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/327>, abgerufen am 24.11.2024.
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