Saltner. Saltner warf einen Blick auf Uhr und Barometer, drückte auf den Momentverschluß des photographischen Apparats und notierte die Zeit und den Luftdruck.
"Diese Gegend hätten wir glücklich in der Tasche", murmelte er. Dann streckte er die in hohen Filz- stiefeln steckenden Füße soweit aus, als es der be- schränkte Raum des Korbes zuließ, zwinkerte mit den lustigen Augen und sagte:
"Meine Herren, ich bin schauderhaft müde. Könnte man nicht jetzt ein kleines Schläfchen machen? Was meinen Sie, Kapitän?"
"Thun Sie das", antwortete Torm, "Sie sind an der Reihe. Aber beeilen Sie sich. Wenn wir diesen Wind noch drei Stunden behalten --"
Er unterbrach sich, um die nötigen Ablesungen zu machen.
"Wecken Sie mich gefälligst, sobald wir -- am Pol -- sind -- --"
Saltner sprach mit geschlossenen Augen, und beim letzten Worte schon war er sanft entschlummert.
"Es ist ein unheimliches Glück, das wir haben", begann Torm. "Wir fliegen im wahren Sinn des Worts auf das Ziel zu. Jch habe für die letzten fünf Minuten wieder 3,9 Kilometer notiert. Könnten Sie eine genauere Bestimmung versuchen, wo wir sind?"
"Es wird sich machen lassen", antwortete Grunthe, indem er nach dem Sextanten griff. "Der Ballon geht sehr ruhig, und wir haben die Ortszeit ziemlich
Am Nordpol.
Saltner. Saltner warf einen Blick auf Uhr und Barometer, drückte auf den Momentverſchluß des photographiſchen Apparats und notierte die Zeit und den Luftdruck.
„Dieſe Gegend hätten wir glücklich in der Taſche‟, murmelte er. Dann ſtreckte er die in hohen Filz- ſtiefeln ſteckenden Füße ſoweit aus, als es der be- ſchränkte Raum des Korbes zuließ, zwinkerte mit den luſtigen Augen und ſagte:
„Meine Herren, ich bin ſchauderhaft müde. Könnte man nicht jetzt ein kleines Schläfchen machen? Was meinen Sie, Kapitän?‟
„Thun Sie das‟, antwortete Torm, „Sie ſind an der Reihe. Aber beeilen Sie ſich. Wenn wir dieſen Wind noch drei Stunden behalten —‟
Er unterbrach ſich, um die nötigen Ableſungen zu machen.
„Wecken Sie mich gefälligſt, ſobald wir — am Pol — ſind — —‟
Saltner ſprach mit geſchloſſenen Augen, und beim letzten Worte ſchon war er ſanft entſchlummert.
„Es iſt ein unheimliches Glück, das wir haben‟, begann Torm. „Wir fliegen im wahren Sinn des Worts auf das Ziel zu. Jch habe für die letzten fünf Minuten wieder 3,9 Kilometer notiert. Könnten Sie eine genauere Beſtimmung verſuchen, wo wir ſind?‟
„Es wird ſich machen laſſen‟, antwortete Grunthe, indem er nach dem Sextanten griff. „Der Ballon geht ſehr ruhig, und wir haben die Ortszeit ziemlich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0015"n="7"/><fwplace="top"type="header">Am Nordpol.</fw><lb/>
Saltner. Saltner warf einen Blick auf Uhr und<lb/>
Barometer, drückte auf den Momentverſchluß des<lb/>
photographiſchen Apparats und notierte die Zeit und<lb/>
den Luftdruck.</p><lb/><p>„Dieſe Gegend hätten wir glücklich in der Taſche‟,<lb/>
murmelte er. Dann ſtreckte er die in hohen Filz-<lb/>ſtiefeln ſteckenden Füße ſoweit aus, als es der be-<lb/>ſchränkte Raum des Korbes zuließ, zwinkerte mit den<lb/>
luſtigen Augen und ſagte:</p><lb/><p>„Meine Herren, ich bin ſchauderhaft müde. Könnte<lb/>
man nicht jetzt ein kleines Schläfchen machen? Was<lb/>
meinen Sie, Kapitän?‟</p><lb/><p>„Thun Sie das‟, antwortete Torm, „Sie ſind an<lb/>
der Reihe. Aber beeilen Sie ſich. Wenn wir dieſen<lb/>
Wind noch drei Stunden behalten —‟</p><lb/><p>Er unterbrach ſich, um die nötigen Ableſungen<lb/>
zu machen.</p><lb/><p>„Wecken Sie mich gefälligſt, ſobald wir — am<lb/>
Pol —ſind ——‟</p><lb/><p>Saltner ſprach mit geſchloſſenen Augen, und beim<lb/>
letzten Worte ſchon war er ſanft entſchlummert.</p><lb/><p>„Es iſt ein unheimliches Glück, das wir haben‟,<lb/>
begann Torm. „Wir fliegen im wahren Sinn des<lb/>
Worts auf das Ziel zu. Jch habe für die letzten<lb/>
fünf Minuten wieder 3,9 Kilometer notiert. Könnten<lb/>
Sie eine genauere Beſtimmung verſuchen, wo wir<lb/>ſind?‟</p><lb/><p>„Es wird ſich machen laſſen‟, antwortete Grunthe,<lb/>
indem er nach dem Sextanten griff. „Der Ballon<lb/>
geht ſehr ruhig, und wir haben die Ortszeit ziemlich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[7/0015]
Am Nordpol.
Saltner. Saltner warf einen Blick auf Uhr und
Barometer, drückte auf den Momentverſchluß des
photographiſchen Apparats und notierte die Zeit und
den Luftdruck.
„Dieſe Gegend hätten wir glücklich in der Taſche‟,
murmelte er. Dann ſtreckte er die in hohen Filz-
ſtiefeln ſteckenden Füße ſoweit aus, als es der be-
ſchränkte Raum des Korbes zuließ, zwinkerte mit den
luſtigen Augen und ſagte:
„Meine Herren, ich bin ſchauderhaft müde. Könnte
man nicht jetzt ein kleines Schläfchen machen? Was
meinen Sie, Kapitän?‟
„Thun Sie das‟, antwortete Torm, „Sie ſind an
der Reihe. Aber beeilen Sie ſich. Wenn wir dieſen
Wind noch drei Stunden behalten —‟
Er unterbrach ſich, um die nötigen Ableſungen
zu machen.
„Wecken Sie mich gefälligſt, ſobald wir — am
Pol — ſind — —‟
Saltner ſprach mit geſchloſſenen Augen, und beim
letzten Worte ſchon war er ſanft entſchlummert.
„Es iſt ein unheimliches Glück, das wir haben‟,
begann Torm. „Wir fliegen im wahren Sinn des
Worts auf das Ziel zu. Jch habe für die letzten
fünf Minuten wieder 3,9 Kilometer notiert. Könnten
Sie eine genauere Beſtimmung verſuchen, wo wir
ſind?‟
„Es wird ſich machen laſſen‟, antwortete Grunthe,
indem er nach dem Sextanten griff. „Der Ballon
geht ſehr ruhig, und wir haben die Ortszeit ziemlich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/15>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.