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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Isidorus über die Atome.
Körper, in der Zeit, in der Zahl und in der Sprache, indem er
darunter den kleinsten nicht mehr teilbaren Abschnitt des
betreffenden Dinges versteht.

Von den Atomen im allgemeinen sagt er, vermutlich in
Beziehung auf Lukrez, den er auch an andern Stellen citiert:
"Die Philosophen nennen Atome in der Körperwelt gewisse
so außerordentlich kleine Teile, daß sie weder dem Anblick
zugänglich sind, noch eine Zerschneidung erleiden können. Die-
selben sollen in ruheloser Bewegung durch das Leere der ge-
samten Welt fliegen und hier und dahin getragen werden,
gleich den Sonnenstäubchen, so daß aus ihnen alle Bäume,
Kräuter und Früchte entsprießen, auch Feuer, Wasser und alle
Dinge aus ihnen werden und bestehen, wie einige Philosophen
unter den Heiden geglaubt haben."

Die Atome der Körper erläutert er dadurch, daß es eine
Grenze der Teilung gebe. Man kann einen Körper, etwa einen
Stein, in Teile zerlegen, die Teile selbst in Körner, wie z. B.
die Sandkörner, die Sandkörner selbst lassen sich wiederum
teilen bis zu dem feinsten Staube, bis man endlich -- wenn
möglich -- zu irgend einem kleinsten Teilchen kommen wird,
welches nun nicht mehr geteilt oder zerlegt werden kann. Dies
ist das Atom in den Körpern.

In der Zeit nennt er Atom den kürzesten, nicht mehr teil-
baren Moment, in der Zahl die Einheit, in der Sprache den
Buchstaben. "Ein Atom ist demnach, was nicht mehr geteilt
werden kann, wie der Punkt in der Geometrie." Daher der
aus dem Griechischen stammende Name.

Isidorus hält sich also einfach an die Wortbedeutung und
nimmt keinerlei Anstoß, sowohl im Körper als in der Zeit un-
teilbare Partikeln als Grenzen der Teilbarkeit anzugeben. Sein
Interesse ist allerdings hier nur das, eine sprachliche Analogie
auf verschiedenen Gebieten durchzuführen. Die Weltentstehung
aus Atomen, welche die heidnischen Philosophen angeblich lehrten,

Haec est atomus temporis. 4. In numeris, ut puta octo dividantur in quatuor,
rursum quatuor in duo, deinde duo in unum. Unus autem atomus est, quia
insecabilis est. Sic et in littera; nam orationem dividis in verba, verba autem
in syllabas, syllabam autem in litteras. Littera pars minima atomus est, nec
dividi potest. Atomus ergo est, quod dividi non potest, ut punctus in Geometria
Nam # Graece sectio dicitur, # indivisio.

Isidorus über die Atome.
Körper, in der Zeit, in der Zahl und in der Sprache, indem er
darunter den kleinsten nicht mehr teilbaren Abschnitt des
betreffenden Dinges versteht.

Von den Atomen im allgemeinen sagt er, vermutlich in
Beziehung auf Lukrez, den er auch an andern Stellen citiert:
„Die Philosophen nennen Atome in der Körperwelt gewisse
so außerordentlich kleine Teile, daß sie weder dem Anblick
zugänglich sind, noch eine Zerschneidung erleiden können. Die-
selben sollen in ruheloser Bewegung durch das Leere der ge-
samten Welt fliegen und hier und dahin getragen werden,
gleich den Sonnenstäubchen, so daß aus ihnen alle Bäume,
Kräuter und Früchte entsprießen, auch Feuer, Wasser und alle
Dinge aus ihnen werden und bestehen, wie einige Philosophen
unter den Heiden geglaubt haben.‟

Die Atome der Körper erläutert er dadurch, daß es eine
Grenze der Teilung gebe. Man kann einen Körper, etwa einen
Stein, in Teile zerlegen, die Teile selbst in Körner, wie z. B.
die Sandkörner, die Sandkörner selbst lassen sich wiederum
teilen bis zu dem feinsten Staube, bis man endlich — wenn
möglich — zu irgend einem kleinsten Teilchen kommen wird,
welches nun nicht mehr geteilt oder zerlegt werden kann. Dies
ist das Atom in den Körpern.

In der Zeit nennt er Atom den kürzesten, nicht mehr teil-
baren Moment, in der Zahl die Einheit, in der Sprache den
Buchstaben. „Ein Atom ist demnach, was nicht mehr geteilt
werden kann, wie der Punkt in der Geometrie.‟ Daher der
aus dem Griechischen stammende Name.

Isidorus hält sich also einfach an die Wortbedeutung und
nimmt keinerlei Anstoß, sowohl im Körper als in der Zeit un-
teilbare Partikeln als Grenzen der Teilbarkeit anzugeben. Sein
Interesse ist allerdings hier nur das, eine sprachliche Analogie
auf verschiedenen Gebieten durchzuführen. Die Weltentstehung
aus Atomen, welche die heidnischen Philosophen angeblich lehrten,

Haec est atomus temporis. 4. In numeris, ut puta octo dividantur in quatuor,
rursum quatuor in duo, deinde duo in unum. Unus autem atomus est, quia
insecabilis est. Sic et in littera; nam orationem dividis in verba, verba autem
in syllabas, syllabam autem in litteras. Littera pars minima atomus est, nec
dividi potest. Atomus ergo est, quod dividi non potest, ut punctus in Geometria
Nam # Graece sectio dicitur, # indivisio.
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[32/0050] Isidorus über die Atome. Körper, in der Zeit, in der Zahl und in der Sprache, indem er darunter den kleinsten nicht mehr teilbaren Abschnitt des betreffenden Dinges versteht. Von den Atomen im allgemeinen sagt er, vermutlich in Beziehung auf Lukrez, den er auch an andern Stellen citiert: „Die Philosophen nennen Atome in der Körperwelt gewisse so außerordentlich kleine Teile, daß sie weder dem Anblick zugänglich sind, noch eine Zerschneidung erleiden können. Die- selben sollen in ruheloser Bewegung durch das Leere der ge- samten Welt fliegen und hier und dahin getragen werden, gleich den Sonnenstäubchen, so daß aus ihnen alle Bäume, Kräuter und Früchte entsprießen, auch Feuer, Wasser und alle Dinge aus ihnen werden und bestehen, wie einige Philosophen unter den Heiden geglaubt haben.‟ Die Atome der Körper erläutert er dadurch, daß es eine Grenze der Teilung gebe. Man kann einen Körper, etwa einen Stein, in Teile zerlegen, die Teile selbst in Körner, wie z. B. die Sandkörner, die Sandkörner selbst lassen sich wiederum teilen bis zu dem feinsten Staube, bis man endlich — wenn möglich — zu irgend einem kleinsten Teilchen kommen wird, welches nun nicht mehr geteilt oder zerlegt werden kann. Dies ist das Atom in den Körpern. In der Zeit nennt er Atom den kürzesten, nicht mehr teil- baren Moment, in der Zahl die Einheit, in der Sprache den Buchstaben. „Ein Atom ist demnach, was nicht mehr geteilt werden kann, wie der Punkt in der Geometrie.‟ Daher der aus dem Griechischen stammende Name. Isidorus hält sich also einfach an die Wortbedeutung und nimmt keinerlei Anstoß, sowohl im Körper als in der Zeit un- teilbare Partikeln als Grenzen der Teilbarkeit anzugeben. Sein Interesse ist allerdings hier nur das, eine sprachliche Analogie auf verschiedenen Gebieten durchzuführen. Die Weltentstehung aus Atomen, welche die heidnischen Philosophen angeblich lehrten, 1 1 Haec est atomus temporis. 4. In numeris, ut puta octo dividantur in quatuor, rursum quatuor in duo, deinde duo in unum. Unus autem atomus est, quia insecabilis est. Sic et in littera; nam orationem dividis in verba, verba autem in syllabas, syllabam autem in litteras. Littera pars minima atomus est, nec dividi potest. Atomus ergo est, quod dividi non potest, ut punctus in Geometria Nam # Graece sectio dicitur, # indivisio.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/50>, abgerufen am 26.04.2024.