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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Sennert: Aggregatzustände. Verdampfung.

Aber nicht nur die chemischen Vorgänge, auch die Aggre-
gatzustände erklären sich atomistisch. Die Exhalationen und
Dämpfe bestehen aus Atomen. Die Wolken sind, ebenso wie
der Rauch, nicht kontinuierliche Körper, sondern setzen sich
zusammen aus Tausenden von Myriaden von Atomen, die sich
erst bei der Bildung des Regens und Schnees wieder ver-
einigen. Die Kondensation beruht also auf der Wiederver-
einigung der auseinander getretenen Atome. Denn wenn das
Wasser verdampft, so verwandelt es sich nicht etwa in
Luft,
sondern es sondert eigene Dämpfe aus, ebenso wie der
Weingeist Weingeistdämpfe, das Quecksilber Quecksilberdämpfe
aussendet.1

Diese Bemerkung ist für die Entwickelung der Korpus-
kulartheorie wichtig und eine der schönsten Anwendungen,
welche Sennert zur Erklärung physikalischer Erscheinungen
macht. Durch diese vorgeschrittene Auffassung der Aggregat-
zustände, in welcher ihm allerdings Gorlaeus schon 1620, Basso
1621 und d'Espagnet 1623 vorangegangen waren, widerlegt
er einen Einwand des Aristoteles gegen die alte Atomistik,
welche den Übergang von Wasser in Luft durch die Ausson-
derung der Luftatome erklären mußte, so daß Aristoteles
sagen konnte, daß diese Umwandlung, wenn die betreffenden
Atome ausgeschieden sind, unter Zurücklassung eines Restes
einmal ein Ende haben müsse.2 Sennert sieht in der Ver-
dampfung überhaupt keine Umwandlung in Luft, sondern nur
in Luftform (in unsrem Sinne), es können also sämtliche Atome
des vorhandenen Stoffes sich verflüchtigen. Aus der Betonung
des Umstandes, daß die Elementarteile überall ihre Eigenart
bewahren, darf man schließen, daß Sennert eine Umwandlung
der Elemente ineinander nunmehr überhaupt verwirft, während
er 18 Jahre vorher sich noch für die Verwandelbarkeit der
Elemente erklärt hatte, allerdings nicht secundum totum, sondern

1 Hypomn. III, c. 1. 1. Ed. p. 108, Op. p. 118. Neque enim hic quis
sibi persuadeat, dum ex aqua, spiritu vini, vaporem, ex pice, sulphure, lignis
accensis, fumum adscendere vidit, esse mutationem horum corporum in aerem;
sed aqua, spiritus vini, ut et alia corpora, in minimas atomos resolvuntur, quae
ubi coeunt, in aquam, spiritum vini, vel aliud corpus rursus abeunt; id quod
Chymicorum Alembici et vasa recipientia docent.
2 De coelo III, 4. u. 7. (S. S. 115.)
Sennert: Aggregatzustände. Verdampfung.

Aber nicht nur die chemischen Vorgänge, auch die Aggre-
gatzustände erklären sich atomistisch. Die Exhalationen und
Dämpfe bestehen aus Atomen. Die Wolken sind, ebenso wie
der Rauch, nicht kontinuierliche Körper, sondern setzen sich
zusammen aus Tausenden von Myriaden von Atomen, die sich
erst bei der Bildung des Regens und Schnees wieder ver-
einigen. Die Kondensation beruht also auf der Wiederver-
einigung der auseinander getretenen Atome. Denn wenn das
Wasser verdampft, so verwandelt es sich nicht etwa in
Luft,
sondern es sondert eigene Dämpfe aus, ebenso wie der
Weingeist Weingeistdämpfe, das Quecksilber Quecksilberdämpfe
aussendet.1

Diese Bemerkung ist für die Entwickelung der Korpus-
kulartheorie wichtig und eine der schönsten Anwendungen,
welche Sennert zur Erklärung physikalischer Erscheinungen
macht. Durch diese vorgeschrittene Auffassung der Aggregat-
zustände, in welcher ihm allerdings Gorlaeus schon 1620, Basso
1621 und d’Espagnet 1623 vorangegangen waren, widerlegt
er einen Einwand des Aristoteles gegen die alte Atomistik,
welche den Übergang von Wasser in Luft durch die Ausson-
derung der Luftatome erklären mußte, so daß Aristoteles
sagen konnte, daß diese Umwandlung, wenn die betreffenden
Atome ausgeschieden sind, unter Zurücklassung eines Restes
einmal ein Ende haben müsse.2 Sennert sieht in der Ver-
dampfung überhaupt keine Umwandlung in Luft, sondern nur
in Luftform (in unsrem Sinne), es können also sämtliche Atome
des vorhandenen Stoffes sich verflüchtigen. Aus der Betonung
des Umstandes, daß die Elementarteile überall ihre Eigenart
bewahren, darf man schließen, daß Sennert eine Umwandlung
der Elemente ineinander nunmehr überhaupt verwirft, während
er 18 Jahre vorher sich noch für die Verwandelbarkeit der
Elemente erklärt hatte, allerdings nicht secundum totum, sondern

1 Hypomn. III, c. 1. 1. Ed. p. 108, Op. p. 118. Neque enim hic quis
sibi persuadeat, dum ex aqua, spiritu vini, vaporem, ex pice, sulphure, lignis
accensis, fumum adscendere vidit, esse mutationem horum corporum in aërem;
sed aqua, spiritus vini, ut et alia corpora, in minimas atomos resolvuntur, quae
ubi coëunt, in aquam, spiritum vini, vel aliud corpus rursus abeunt; id quod
Chymicorum Alembici et vasa recipientia docent.
2 De coelo III, 4. u. 7. (S. S. 115.)
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[445/0463] Sennert: Aggregatzustände. Verdampfung. Aber nicht nur die chemischen Vorgänge, auch die Aggre- gatzustände erklären sich atomistisch. Die Exhalationen und Dämpfe bestehen aus Atomen. Die Wolken sind, ebenso wie der Rauch, nicht kontinuierliche Körper, sondern setzen sich zusammen aus Tausenden von Myriaden von Atomen, die sich erst bei der Bildung des Regens und Schnees wieder ver- einigen. Die Kondensation beruht also auf der Wiederver- einigung der auseinander getretenen Atome. Denn wenn das Wasser verdampft, so verwandelt es sich nicht etwa in Luft, sondern es sondert eigene Dämpfe aus, ebenso wie der Weingeist Weingeistdämpfe, das Quecksilber Quecksilberdämpfe aussendet. 1 Diese Bemerkung ist für die Entwickelung der Korpus- kulartheorie wichtig und eine der schönsten Anwendungen, welche Sennert zur Erklärung physikalischer Erscheinungen macht. Durch diese vorgeschrittene Auffassung der Aggregat- zustände, in welcher ihm allerdings Gorlaeus schon 1620, Basso 1621 und d’Espagnet 1623 vorangegangen waren, widerlegt er einen Einwand des Aristoteles gegen die alte Atomistik, welche den Übergang von Wasser in Luft durch die Ausson- derung der Luftatome erklären mußte, so daß Aristoteles sagen konnte, daß diese Umwandlung, wenn die betreffenden Atome ausgeschieden sind, unter Zurücklassung eines Restes einmal ein Ende haben müsse. 2 Sennert sieht in der Ver- dampfung überhaupt keine Umwandlung in Luft, sondern nur in Luftform (in unsrem Sinne), es können also sämtliche Atome des vorhandenen Stoffes sich verflüchtigen. Aus der Betonung des Umstandes, daß die Elementarteile überall ihre Eigenart bewahren, darf man schließen, daß Sennert eine Umwandlung der Elemente ineinander nunmehr überhaupt verwirft, während er 18 Jahre vorher sich noch für die Verwandelbarkeit der Elemente erklärt hatte, allerdings nicht secundum totum, sondern 1 Hypomn. III, c. 1. 1. Ed. p. 108, Op. p. 118. Neque enim hic quis sibi persuadeat, dum ex aqua, spiritu vini, vaporem, ex pice, sulphure, lignis accensis, fumum adscendere vidit, esse mutationem horum corporum in aërem; sed aqua, spiritus vini, ut et alia corpora, in minimas atomos resolvuntur, quae ubi coëunt, in aquam, spiritum vini, vel aliud corpus rursus abeunt; id quod Chymicorum Alembici et vasa recipientia docent. 2 De coelo III, 4. u. 7. (S. S. 115.)

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/463>, abgerufen am 22.11.2024.