Es muß notwendiger Weise gewisse einfache Körper be- sonderer Art geben, aus welchen die zusammengesetzten Körper entstehen und in welche sie sich wieder auflösen. Diese "Ein- fachen" sind natürliche, d. h. physische, nicht mathematische Minima, minima naturae, atomi, atoma corpuscula, #- #, corpora indivisibilia, und so klein, daß sie mit den Sinnen nicht wahrnehmbar sind. Ihnen gegenüber sind die Sonnen- stäubchen schon zusammengesetzte Körper. Die Minima reprä- sentieren den höchsten Grad der Teilung, über welchen die Natur nicht hinausgehen kann, und sind andrerseits wieder der Anfang aller Naturkörper.1
Es müssen jedoch Atome verschiedener Art, und zwar in einer doppelten Beziehung, unterschieden werden, erstens näm- lich nach den Elementen und zweitens nach den zusammen- gesetzten Körpern. Gemäß der Verschiedenheit der Elemente gibt es vier Arten von Elementaratomen: atomi igneae, aereae, aqueae, terreae.
Die zweite Art der Atome kann man als prima mixta be- zeichnen;2 es sind dies diejenigen, in welche die zusammen- gesetzten Körper bei der Auflösung und Mischung zerteilt werden und durch deren gegenseitige Verbindung wieder neue Körper sich bilden. Bei allen Gärungen, Scheidungen und Kochungen, sowohl bei den natürlichen als bei den künstlichen, findet nichts andres statt, als daß die Körper bis auf ihre kleinsten Teile gebracht und diese wieder aufs innigste mit- einander verbunden werden.
Alle Atome haben von der Natur ihre bestimmten Gesetze, je nach ihrer Eigenart; so sind zweifelsohne die Feueratome bedeutend feiner als die Erdatome, obwohl diese von uns nicht gesehen werden können. Die Formen, welche die Spezies der Dinge bestimmen, bleiben unverändert auch in ihren kleinsten Teilen, in den Atomen. Wenn Silber und Gold legiert werden, so vereinen sich ihre Atome aufs innigste, aber jedes behält seine bestimmte Form, d. h. Gold bleibt Gold und Silber bleibt
1Op. I p. 116.
2 A. a. O. p. 118. Sunt secundo alterius, praeter elementares, generis atomi (quas si quis prima mixta appellare velit, suo sensu utatur), in quae, ut similaria, alia corpora composita resolvuntur.
Sennert: Die Atome.
Es muß notwendiger Weise gewisse einfache Körper be- sonderer Art geben, aus welchen die zusammengesetzten Körper entstehen und in welche sie sich wieder auflösen. Diese „Ein- fachen‟ sind natürliche, d. h. physische, nicht mathematische Minima, minima naturae, atomi, atoma corpuscula, #- #, corpora indivisibilia, und so klein, daß sie mit den Sinnen nicht wahrnehmbar sind. Ihnen gegenüber sind die Sonnen- stäubchen schon zusammengesetzte Körper. Die Minima reprä- sentieren den höchsten Grad der Teilung, über welchen die Natur nicht hinausgehen kann, und sind andrerseits wieder der Anfang aller Naturkörper.1
Es müssen jedoch Atome verschiedener Art, und zwar in einer doppelten Beziehung, unterschieden werden, erstens näm- lich nach den Elementen und zweitens nach den zusammen- gesetzten Körpern. Gemäß der Verschiedenheit der Elemente gibt es vier Arten von Elementaratomen: atomi igneae, aëreae, aqueae, terreae.
Die zweite Art der Atome kann man als prima mixta be- zeichnen;2 es sind dies diejenigen, in welche die zusammen- gesetzten Körper bei der Auflösung und Mischung zerteilt werden und durch deren gegenseitige Verbindung wieder neue Körper sich bilden. Bei allen Gärungen, Scheidungen und Kochungen, sowohl bei den natürlichen als bei den künstlichen, findet nichts andres statt, als daß die Körper bis auf ihre kleinsten Teile gebracht und diese wieder aufs innigste mit- einander verbunden werden.
Alle Atome haben von der Natur ihre bestimmten Gesetze, je nach ihrer Eigenart; so sind zweifelsohne die Feueratome bedeutend feiner als die Erdatome, obwohl diese von uns nicht gesehen werden können. Die Formen, welche die Spezies der Dinge bestimmen, bleiben unverändert auch in ihren kleinsten Teilen, in den Atomen. Wenn Silber und Gold legiert werden, so vereinen sich ihre Atome aufs innigste, aber jedes behält seine bestimmte Form, d. h. Gold bleibt Gold und Silber bleibt
1Op. I p. 116.
2 A. a. O. p. 118. Sunt secundo alterius, praeter elementares, generis atomi (quas si quis prima mixta appellare velit, suo sensu utatur), in quae, ut similaria, alia corpora composita resolvuntur.
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[443/0461]
Sennert: Die Atome.
Es muß notwendiger Weise gewisse einfache Körper be-
sonderer Art geben, aus welchen die zusammengesetzten Körper
entstehen und in welche sie sich wieder auflösen. Diese „Ein-
fachen‟ sind natürliche, d. h. physische, nicht mathematische
Minima, minima naturae, atomi, atoma corpuscula, #-
#, corpora indivisibilia, und so klein, daß sie mit den Sinnen
nicht wahrnehmbar sind. Ihnen gegenüber sind die Sonnen-
stäubchen schon zusammengesetzte Körper. Die Minima reprä-
sentieren den höchsten Grad der Teilung, über welchen die
Natur nicht hinausgehen kann, und sind andrerseits wieder der
Anfang aller Naturkörper. 1
Es müssen jedoch Atome verschiedener Art, und zwar in
einer doppelten Beziehung, unterschieden werden, erstens näm-
lich nach den Elementen und zweitens nach den zusammen-
gesetzten Körpern. Gemäß der Verschiedenheit der Elemente
gibt es vier Arten von Elementaratomen: atomi igneae, aëreae,
aqueae, terreae.
Die zweite Art der Atome kann man als prima mixta be-
zeichnen; 2 es sind dies diejenigen, in welche die zusammen-
gesetzten Körper bei der Auflösung und Mischung zerteilt
werden und durch deren gegenseitige Verbindung wieder neue
Körper sich bilden. Bei allen Gärungen, Scheidungen und
Kochungen, sowohl bei den natürlichen als bei den künstlichen,
findet nichts andres statt, als daß die Körper bis auf ihre
kleinsten Teile gebracht und diese wieder aufs innigste mit-
einander verbunden werden.
Alle Atome haben von der Natur ihre bestimmten Gesetze,
je nach ihrer Eigenart; so sind zweifelsohne die Feueratome
bedeutend feiner als die Erdatome, obwohl diese von uns nicht
gesehen werden können. Die Formen, welche die Spezies der
Dinge bestimmen, bleiben unverändert auch in ihren kleinsten
Teilen, in den Atomen. Wenn Silber und Gold legiert werden,
so vereinen sich ihre Atome aufs innigste, aber jedes behält
seine bestimmte Form, d. h. Gold bleibt Gold und Silber bleibt
1 Op. I p. 116.
2 A. a. O. p. 118. Sunt secundo alterius, praeter elementares, generis
atomi (quas si quis prima mixta appellare velit, suo sensu utatur), in quae,
ut similaria, alia corpora composita resolvuntur.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/461>, abgerufen am 22.11.2024.
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