Ein dichterisches Genie und ein spekulativer Geist, der mit Feuereifer die Ideen des neuen Zeitalters in sich aufnimmt, mit schöpferischer Phantasie sie verbindet und erweitert, mit rastloser Energie sich ihrer Verbreitung widmet, beansprucht Giordano Bruno mit Recht einen Ehrenplatz in der Geschichte der Kultur. Nach einem bewegten Wanderleben, zu welchem ihn sein lebhaftes Naturell verurteilte, weil er weder die Fesseln geregelter Thätigkeit dauernd ertrug, noch bei seiner fanatischen Gemütsart die rücksichtsvolle Schonung anders Denkender über sich vermochte, treibt ihn sein Geschick zurück nach Italien, dem er als junger Dominikanermönch entflohen war, und liefert ihn durch Verrat in die Hände der Inquisition. Die Glut des Scheiterhaufens, welche am 17. Februar 1600 auf dem Campo di Fiora vor den Augen einer gleichgiltigen Menge den ver- dammten Ketzerfürsten vertilgte, hat der Nachwelt mit dem rüstigen Leben des Zweiundfünfzigjährigen vielleicht noch manch köstliche Geistesfrucht geraubt, seinem Ruhme konnte sie nicht Abbruch thun. Vielmehr wirft ihr düsterer Schein den Schatten des überzeugungstreuen Denkers größer und breiter in die kommenden Jahrhunderte, als das regelrechte Licht ruhiger Forschung es gethan haben würde, und die Märtyrerkrone ersetzt wirkungsvoll den etwa noch erhofften litterarischen Lorbeer.
In dem historischen Zusammenhange mit Paracelsus und Cusanus, insbesondere aus der Philosophie des letztern heraus, begreift sich die Lehre Brunos in ihren Grundzügen und die Entstehung seiner Atomistik.
Die Einheit von Materie und Form, das Zusammenfallen von Möglichkeit und Wirklichkeit ist der Grundgedanke von Brunos Metaphysik. Das Vermögen zu wirken, hervorzubringen und zu schaffen ist nicht denkbar ohne ein Vermögen bewirkt, hervorgebracht und geschaffen zu werden; aber ebensowenig
II. S. 46 ff. Clemens, Giordano Bruno u. Nicolaus v. Cusa, Bonn 1847, Brunnhofer, G. Brunos Weltanschauung und Verhängnis, Lpz. 1882. Dazu die größeren Geschichtswerke der Philosophie, auch Rixner u. Siber a. a. O. 5. Heft. Über Le opere italiane di G. Bruno ristampate daPaolo de Lagarde s. Gött. gel. Anzeigen 1889, n. 4. p. 113 ff. Das Werk von Fel. Tocco: Le opere latine di G. Bruno esposte e confrontate con le italiane, Firenze 1889, konnte leider nicht mehr berücksichtigt werden.
G. Bruno: Persönliches.
Ein dichterisches Genie und ein spekulativer Geist, der mit Feuereifer die Ideen des neuen Zeitalters in sich aufnimmt, mit schöpferischer Phantasie sie verbindet und erweitert, mit rastloser Energie sich ihrer Verbreitung widmet, beansprucht Giordano Bruno mit Recht einen Ehrenplatz in der Geschichte der Kultur. Nach einem bewegten Wanderleben, zu welchem ihn sein lebhaftes Naturell verurteilte, weil er weder die Fesseln geregelter Thätigkeit dauernd ertrug, noch bei seiner fanatischen Gemütsart die rücksichtsvolle Schonung anders Denkender über sich vermochte, treibt ihn sein Geschick zurück nach Italien, dem er als junger Dominikanermönch entflohen war, und liefert ihn durch Verrat in die Hände der Inquisition. Die Glut des Scheiterhaufens, welche am 17. Februar 1600 auf dem Campo di Fiora vor den Augen einer gleichgiltigen Menge den ver- dammten Ketzerfürsten vertilgte, hat der Nachwelt mit dem rüstigen Leben des Zweiundfünfzigjährigen vielleicht noch manch köstliche Geistesfrucht geraubt, seinem Ruhme konnte sie nicht Abbruch thun. Vielmehr wirft ihr düsterer Schein den Schatten des überzeugungstreuen Denkers größer und breiter in die kommenden Jahrhunderte, als das regelrechte Licht ruhiger Forschung es gethan haben würde, und die Märtyrerkrone ersetzt wirkungsvoll den etwa noch erhofften litterarischen Lorbeer.
In dem historischen Zusammenhange mit Paracelsus und Cusanus, insbesondere aus der Philosophie des letztern heraus, begreift sich die Lehre Brunos in ihren Grundzügen und die Entstehung seiner Atomistik.
Die Einheit von Materie und Form, das Zusammenfallen von Möglichkeit und Wirklichkeit ist der Grundgedanke von Brunos Metaphysik. Das Vermögen zu wirken, hervorzubringen und zu schaffen ist nicht denkbar ohne ein Vermögen bewirkt, hervorgebracht und geschaffen zu werden; aber ebensowenig
II. S. 46 ff. Clemens, Giordano Bruno u. Nicolaus v. Cusa, Bonn 1847, Brunnhofer, G. Brunos Weltanschauung und Verhängnis, Lpz. 1882. Dazu die größeren Geschichtswerke der Philosophie, auch Rixner u. Siber a. a. O. 5. Heft. Über Le opere italiane di G. Bruno ristampate daPaolo de Lagarde s. Gött. gel. Anzeigen 1889, n. 4. p. 113 ff. Das Werk von Fel. Tocco: Le opere latine di G. Bruno esposte e confrontate con le italiane, Firenze 1889, konnte leider nicht mehr berücksichtigt werden.
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G. Bruno: Persönliches.
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mit Feuereifer die Ideen des neuen Zeitalters in sich aufnimmt,
mit schöpferischer Phantasie sie verbindet und erweitert, mit
rastloser Energie sich ihrer Verbreitung widmet, beansprucht
Giordano Bruno mit Recht einen Ehrenplatz in der Geschichte
der Kultur. Nach einem bewegten Wanderleben, zu welchem
ihn sein lebhaftes Naturell verurteilte, weil er weder die Fesseln
geregelter Thätigkeit dauernd ertrug, noch bei seiner fanatischen
Gemütsart die rücksichtsvolle Schonung anders Denkender über
sich vermochte, treibt ihn sein Geschick zurück nach Italien,
dem er als junger Dominikanermönch entflohen war, und liefert
ihn durch Verrat in die Hände der Inquisition. Die Glut des
Scheiterhaufens, welche am 17. Februar 1600 auf dem Campo
di Fiora vor den Augen einer gleichgiltigen Menge den ver-
dammten Ketzerfürsten vertilgte, hat der Nachwelt mit dem
rüstigen Leben des Zweiundfünfzigjährigen vielleicht noch
manch köstliche Geistesfrucht geraubt, seinem Ruhme konnte
sie nicht Abbruch thun. Vielmehr wirft ihr düsterer Schein
den Schatten des überzeugungstreuen Denkers größer und
breiter in die kommenden Jahrhunderte, als das regelrechte
Licht ruhiger Forschung es gethan haben würde, und die
Märtyrerkrone ersetzt wirkungsvoll den etwa noch erhofften
litterarischen Lorbeer.
In dem historischen Zusammenhange mit Paracelsus und
Cusanus, insbesondere aus der Philosophie des letztern heraus,
begreift sich die Lehre Brunos in ihren Grundzügen und die
Entstehung seiner Atomistik.
Die Einheit von Materie und Form, das Zusammenfallen
von Möglichkeit und Wirklichkeit ist der Grundgedanke von
Brunos Metaphysik. Das Vermögen zu wirken, hervorzubringen
und zu schaffen ist nicht denkbar ohne ein Vermögen bewirkt,
hervorgebracht und geschaffen zu werden; aber ebensowenig
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1 II. S. 46 ff. Clemens, Giordano Bruno u. Nicolaus v. Cusa, Bonn 1847,
Brunnhofer, G. Brunos Weltanschauung und Verhängnis, Lpz. 1882. Dazu
die größeren Geschichtswerke der Philosophie, auch Rixner u. Siber a. a. O.
5. Heft. Über Le opere italiane di G. Bruno ristampate da Paolo de Lagarde
s. Gött. gel. Anzeigen 1889, n. 4. p. 113 ff. Das Werk von Fel. Tocco: Le opere
latine di G. Bruno esposte e confrontate con le italiane, Firenze 1889, konnte
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/378>, abgerufen am 23.06.2024.
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