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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Van Helmont: Vacuum. Magnale.
nungsformen sich erzeugen, und diese Möglichkeit innerer Ver-
änderung versinnbildlicht er durch die Annahme seines idealen
Merkur, Sal und Sulfur. Daß dieselben durchaus räumlich und
körperlich gedacht sind, ist ein interessantes Zeichen für die
in seinem Geiste sich begegnenden und noch nicht geklärten
Interessen zweier Weltanschauungen. Als empirischer Chemiker
sucht er nach der Zurückführung der Prozesse auf die Bewe-
gung körperlicher Substanzen, die er doch noch nicht ohne
Hilfe unbestimmter, mystischer Einwirkungen durchzuführen
vermag.

Die Zusammendrückbarkeit der Luft ist nur erklärlich da-
durch, daß die Luft neben ihrer eigenen Ausdehnung noch
einen freien oder leeren Raum in sich enthält, wie sich auch
durch Experimente beweisen läßt. Diese Porositäten sind je-
doch nicht ein bloßes Nichts, ein figmentum oder ein locus nudus,
sondern sie besitzen selbst ein Sein, ein geschaffenes Wesen,
irgend etwas Reales. Es ist dies ein Mittelding zwischen der
Materie und dem unkörperlichen Geiste, weder das eine noch
das andre, sondern es gehört zu den Dingen, die weder Sub-
stanz noch Accidens sind. Es ist das Magnale, das nichts Ähn-
liches unter allem Geschaffenen besitzt. Es ist nicht das Licht,
sondern eine gewisse der Luft zugeordnete (assistens) Form,
die in ihren Poren ihren Sitz hat, und zugleich das Mittel, durch
welches sich das von den Sternen ausgehende Blas ohne Hin-
dernis und instantan ausbreitet.1 In diese leeren Räume (vacui-
tates) saugt die Luft auch die Dämpfe ein und hält sie fest.2

Vergleicht man die vorgetragenen theoretischen Ansichten
van Helmonts mit den Lehren von d'Espagnet, so zeigt sich, daß
beide darin übereinstimmen, die Verwandlung des Wassers in
Luft geleugnet und den Wesensunterschied zwischen gas-
förmigem Wasser und Luft erkannt zu haben. Auch bei d'Es-

1 Vacuum naturae. § 21. p. 70. Magnale non est lux, sed forma quaedam
assistens aeri, ejusque velut socia, ipsique certo connubio velut conjugalis ..
in poris assidens. Per hanc videlicet Blas astrorum immediate ac sine impe-
dimento quaqua versus et instantaneo motu extenditur: (§ 22.) non autem per
millenas millium specierum generationes, unico velut momento peractas, quoties
lux vel influentiae coelestes inferiora feriunt. (Magnale = peroledi = pori aeris
= vacuum disseminatum).
2 Aer § 10. p. 51.

Van Helmont: Vacuum. Magnale.
nungsformen sich erzeugen, und diese Möglichkeit innerer Ver-
änderung versinnbildlicht er durch die Annahme seines idealen
Merkur, Sal und Sulfur. Daß dieselben durchaus räumlich und
körperlich gedacht sind, ist ein interessantes Zeichen für die
in seinem Geiste sich begegnenden und noch nicht geklärten
Interessen zweier Weltanschauungen. Als empirischer Chemiker
sucht er nach der Zurückführung der Prozesse auf die Bewe-
gung körperlicher Substanzen, die er doch noch nicht ohne
Hilfe unbestimmter, mystischer Einwirkungen durchzuführen
vermag.

Die Zusammendrückbarkeit der Luft ist nur erklärlich da-
durch, daß die Luft neben ihrer eigenen Ausdehnung noch
einen freien oder leeren Raum in sich enthält, wie sich auch
durch Experimente beweisen läßt. Diese Porositäten sind je-
doch nicht ein bloßes Nichts, ein figmentum oder ein locus nudus,
sondern sie besitzen selbst ein Sein, ein geschaffenes Wesen,
irgend etwas Reales. Es ist dies ein Mittelding zwischen der
Materie und dem unkörperlichen Geiste, weder das eine noch
das andre, sondern es gehört zu den Dingen, die weder Sub-
stanz noch Accidens sind. Es ist das Magnale, das nichts Ähn-
liches unter allem Geschaffenen besitzt. Es ist nicht das Licht,
sondern eine gewisse der Luft zugeordnete (assistens) Form,
die in ihren Poren ihren Sitz hat, und zugleich das Mittel, durch
welches sich das von den Sternen ausgehende Blas ohne Hin-
dernis und instantan ausbreitet.1 In diese leeren Räume (vacui-
tates) saugt die Luft auch die Dämpfe ein und hält sie fest.2

Vergleicht man die vorgetragenen theoretischen Ansichten
van Helmonts mit den Lehren von d’Espagnet, so zeigt sich, daß
beide darin übereinstimmen, die Verwandlung des Wassers in
Luft geleugnet und den Wesensunterschied zwischen gas-
förmigem Wasser und Luft erkannt zu haben. Auch bei d’Es-

1 Vacuum naturae. § 21. p. 70. Magnale non est lux, sed forma quaedam
assistens aëri, ejusque velut socia, ipsique certo connubio velut conjugalis ..
in poris assidens. Per hanc videlicet Blas astrorum immediate ac sine impe-
dimento quaqua versus et instantaneo motu extenditur: (§ 22.) non autem per
millenas millium specierum generationes, unico velut momento peractas, quoties
lux vel influentiae coelestes inferiora feriunt. (Magnale = peroledi = pori aëris
= vacuum disseminatum).
2 Aër § 10. p. 51.
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[348/0366] Van Helmont: Vacuum. Magnale. nungsformen sich erzeugen, und diese Möglichkeit innerer Ver- änderung versinnbildlicht er durch die Annahme seines idealen Merkur, Sal und Sulfur. Daß dieselben durchaus räumlich und körperlich gedacht sind, ist ein interessantes Zeichen für die in seinem Geiste sich begegnenden und noch nicht geklärten Interessen zweier Weltanschauungen. Als empirischer Chemiker sucht er nach der Zurückführung der Prozesse auf die Bewe- gung körperlicher Substanzen, die er doch noch nicht ohne Hilfe unbestimmter, mystischer Einwirkungen durchzuführen vermag. Die Zusammendrückbarkeit der Luft ist nur erklärlich da- durch, daß die Luft neben ihrer eigenen Ausdehnung noch einen freien oder leeren Raum in sich enthält, wie sich auch durch Experimente beweisen läßt. Diese Porositäten sind je- doch nicht ein bloßes Nichts, ein figmentum oder ein locus nudus, sondern sie besitzen selbst ein Sein, ein geschaffenes Wesen, irgend etwas Reales. Es ist dies ein Mittelding zwischen der Materie und dem unkörperlichen Geiste, weder das eine noch das andre, sondern es gehört zu den Dingen, die weder Sub- stanz noch Accidens sind. Es ist das Magnale, das nichts Ähn- liches unter allem Geschaffenen besitzt. Es ist nicht das Licht, sondern eine gewisse der Luft zugeordnete (assistens) Form, die in ihren Poren ihren Sitz hat, und zugleich das Mittel, durch welches sich das von den Sternen ausgehende Blas ohne Hin- dernis und instantan ausbreitet. 1 In diese leeren Räume (vacui- tates) saugt die Luft auch die Dämpfe ein und hält sie fest. 2 Vergleicht man die vorgetragenen theoretischen Ansichten van Helmonts mit den Lehren von d’Espagnet, so zeigt sich, daß beide darin übereinstimmen, die Verwandlung des Wassers in Luft geleugnet und den Wesensunterschied zwischen gas- förmigem Wasser und Luft erkannt zu haben. Auch bei d’Es- 1 Vacuum naturae. § 21. p. 70. Magnale non est lux, sed forma quaedam assistens aëri, ejusque velut socia, ipsique certo connubio velut conjugalis .. in poris assidens. Per hanc videlicet Blas astrorum immediate ac sine impe- dimento quaqua versus et instantaneo motu extenditur: (§ 22.) non autem per millenas millium specierum generationes, unico velut momento peractas, quoties lux vel influentiae coelestes inferiora feriunt. (Magnale = peroledi = pori aëris = vacuum disseminatum). 2 Aër § 10. p. 51.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/366>, abgerufen am 22.11.2024.