Aus dem Mitgeteilten geht hervor, daß wir es bei d'Es- pagnet mit einem selbständigen Denker zu thun haben, der bisher noch nicht zur Genüge beachtet wurde. Das Urteil über ihn kann nicht dadurch herabgedrückt werden, daß er als Alchymist sich oft sinnlosem Mysticismus überließ, denn diese Schwäche teilt er mit den meisten seiner Zeitgenossen, und wir finden sie bei dem als Chemiker gepriesenen van Hel- mont nicht weniger als bei dem als vorurteilslosen Philosophen gerühmten Baco von Verulam. -- Für die Geschichte der Physik überhaupt ist zunächst von größter Wichtigkeit, daß d'Espagnet neben Gorlaeus und Basso einer der ersten ist, welcher mit voller Klarheit und Entschiedenheit die Verwand- lung von Luft und Wasser ineinander leugnet. Es ist damit der wichtigste Schritt zur Erkennung des Begriffs des Gases gethan, welchen d'Espagnet außerdem dadurch beson- ders vorbereitet, daß er mit noch größerer Klarheit als Bodin zwischen flüssig und feucht unterscheidet. In dieser Thatsache sowohl als in den übrigen Ansichten d'Espagnets zeigt es sich deutlich, daß seine Lehre eine Vermittelung zwischen Gorlaeus und van Helmont darstellt. Nicht nur die Trennung des humiden und liquiden Zustandes der Körper, die Lehre von dem generischen Unterschiede zwischen Luft und den Dämpfen des Wassers, die Auffassung des Himmels als Luftelement, des Wassers als Bild der Grundmaterie der Welt, die Betonung eines allgemein belebenden Fermentes, sondern auch die Nei- gung zur molekularen Auffassung der Materie findet sich bereits bei d'Espagnet.
Über die Atome äußert er sich in einem kurzen Kapitel (c. 153) und bemerkt in Bezug auf die Meinung des Demokrit, nach welcher alle Körper aus Atomen werden, man dürfte sie als eine der Natur nicht fremdartige bezeichnen; vielmehr wiesen Vernunft und Erfahrung darauf hin, durch die Annahme von sehr kleinen und unteilbaren Korpuskeln ohne dunkle Redensarten die Mischung der Elemente und die Konstitution der natürlichen Körper zu erklären. Die Erfahrung zeige uns bei der künstlichen Lösung und Zusammensetzung der Ver- bindungen, welche durch Destillation geschehen, daß eine perfekte Mischung zweier oder mehrerer Körper nur in feinster Dampfform stattfindet. Aber bei weitem feiner und gewisser-
D’Espagnet: Atome.
Aus dem Mitgeteilten geht hervor, daß wir es bei d’Es- pagnet mit einem selbständigen Denker zu thun haben, der bisher noch nicht zur Genüge beachtet wurde. Das Urteil über ihn kann nicht dadurch herabgedrückt werden, daß er als Alchymist sich oft sinnlosem Mysticismus überließ, denn diese Schwäche teilt er mit den meisten seiner Zeitgenossen, und wir finden sie bei dem als Chemiker gepriesenen van Hel- mont nicht weniger als bei dem als vorurteilslosen Philosophen gerühmten Baco von Verulam. — Für die Geschichte der Physik überhaupt ist zunächst von größter Wichtigkeit, daß d’Espagnet neben Gorlaeus und Basso einer der ersten ist, welcher mit voller Klarheit und Entschiedenheit die Verwand- lung von Luft und Wasser ineinander leugnet. Es ist damit der wichtigste Schritt zur Erkennung des Begriffs des Gases gethan, welchen d’Espagnet außerdem dadurch beson- ders vorbereitet, daß er mit noch größerer Klarheit als Bodin zwischen flüssig und feucht unterscheidet. In dieser Thatsache sowohl als in den übrigen Ansichten d’Espagnets zeigt es sich deutlich, daß seine Lehre eine Vermittelung zwischen Gorlaeus und van Helmont darstellt. Nicht nur die Trennung des humiden und liquiden Zustandes der Körper, die Lehre von dem generischen Unterschiede zwischen Luft und den Dämpfen des Wassers, die Auffassung des Himmels als Luftelement, des Wassers als Bild der Grundmaterie der Welt, die Betonung eines allgemein belebenden Fermentes, sondern auch die Nei- gung zur molekularen Auffassung der Materie findet sich bereits bei d’Espagnet.
Über die Atome äußert er sich in einem kurzen Kapitel (c. 153) und bemerkt in Bezug auf die Meinung des Demokrit, nach welcher alle Körper aus Atomen werden, man dürfte sie als eine der Natur nicht fremdartige bezeichnen; vielmehr wiesen Vernunft und Erfahrung darauf hin, durch die Annahme von sehr kleinen und unteilbaren Korpuskeln ohne dunkle Redensarten die Mischung der Elemente und die Konstitution der natürlichen Körper zu erklären. Die Erfahrung zeige uns bei der künstlichen Lösung und Zusammensetzung der Ver- bindungen, welche durch Destillation geschehen, daß eine perfekte Mischung zweier oder mehrerer Körper nur in feinster Dampfform stattfindet. Aber bei weitem feiner und gewisser-
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D’Espagnet: Atome.
Aus dem Mitgeteilten geht hervor, daß wir es bei d’Es-
pagnet mit einem selbständigen Denker zu thun haben, der
bisher noch nicht zur Genüge beachtet wurde. Das Urteil
über ihn kann nicht dadurch herabgedrückt werden, daß er
als Alchymist sich oft sinnlosem Mysticismus überließ, denn
diese Schwäche teilt er mit den meisten seiner Zeitgenossen,
und wir finden sie bei dem als Chemiker gepriesenen van Hel-
mont nicht weniger als bei dem als vorurteilslosen Philosophen
gerühmten Baco von Verulam. — Für die Geschichte der
Physik überhaupt ist zunächst von größter Wichtigkeit, daß
d’Espagnet neben Gorlaeus und Basso einer der ersten ist,
welcher mit voller Klarheit und Entschiedenheit die Verwand-
lung von Luft und Wasser ineinander leugnet. Es ist
damit der wichtigste Schritt zur Erkennung des Begriffs des
Gases gethan, welchen d’Espagnet außerdem dadurch beson-
ders vorbereitet, daß er mit noch größerer Klarheit als Bodin
zwischen flüssig und feucht unterscheidet. In dieser Thatsache
sowohl als in den übrigen Ansichten d’Espagnets zeigt es sich
deutlich, daß seine Lehre eine Vermittelung zwischen Gorlaeus
und van Helmont darstellt. Nicht nur die Trennung des
humiden und liquiden Zustandes der Körper, die Lehre von
dem generischen Unterschiede zwischen Luft und den Dämpfen
des Wassers, die Auffassung des Himmels als Luftelement, des
Wassers als Bild der Grundmaterie der Welt, die Betonung
eines allgemein belebenden Fermentes, sondern auch die Nei-
gung zur molekularen Auffassung der Materie findet sich
bereits bei d’Espagnet.
Über die Atome äußert er sich in einem kurzen Kapitel
(c. 153) und bemerkt in Bezug auf die Meinung des Demokrit,
nach welcher alle Körper aus Atomen werden, man dürfte sie
als eine der Natur nicht fremdartige bezeichnen; vielmehr
wiesen Vernunft und Erfahrung darauf hin, durch die Annahme
von sehr kleinen und unteilbaren Korpuskeln ohne dunkle
Redensarten die Mischung der Elemente und die Konstitution
der natürlichen Körper zu erklären. Die Erfahrung zeige uns
bei der künstlichen Lösung und Zusammensetzung der Ver-
bindungen, welche durch Destillation geschehen, daß eine
perfekte Mischung zweier oder mehrerer Körper nur in feinster
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/356>, abgerufen am 22.11.2024.
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