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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Die Mischung. Simplicius. Philoponus. Ibn Sina.
selbst hinaus. Wenn Simplicius einer Stelle, in welcher
Aristoteles es vorläufig unentschieden läßt, ob die Elemente
aktuell oder potenziell in den Verbindungen existieren,1 nur
die Bemerkung hinzuzufügen hat, daß diejenigen, welche das
Entstehen lediglich aus der Zusammensichtung erklären (wie
Empedokles und Anaxagoras), folgerecht annehmen müssen,
daß die Elemente aktuell bestehen bleiben, die übrigen, daß
sie potenziell beharren,2 so zeigt dies zwar, daß er sich über
die Konsequenzen der aktuellen Integrität klar war, nicht aber
über die Schwierigkeiten, welche in der Vorstellung eines
potenziellen Beharrens liegen. Auch Philoponus kennt keine
Streitfrage über die Bedeutung dieses potenziellen Beharrens
und erörtert nicht die oben erwähnte Schwierigkeit, sondern
begnügt sich, die Worte des Aristoteles zu verdeutlichen.
Allerdings thut er dies in einer Wendung, welche noch klarer
als das Original des Philosophen die Meinung ausspricht, daß
die Potenzialität der Elemente sich nur auf ihre Eigenschaften
bezieht, indem er sagt, daß dieselben vergangen zu sein
schienen, weil sie an der Wirkung gehindert seien, insofern
sie ihre Eigentümlichkeiten verloren hätten.3

Zu dem lebhaft behandelten Problem, als welches wir die
vorliegende Frage im Mittelalter finden, wird sie erst durch
die arabischen Erklärer des Stagiriten erhoben, und zwar legt
zuerst Ibn Sina einen beabsichtigten Nachdruck darauf, daß
die Elemente formaliter in den Verbindungen bestehen bleiben.

Ibn Sina definiert unter dem Einflusse der medizinischen
Schulen die Elemente als Körper, welche die ersten Teile
der zusammengesetzten Stoffe sind und in Körper von ver-
schiedenen Formen in keiner Weise geteilt werden können.4

1 De coelo III, 3. p. 302 a. 15.
2 Simplic. Scholion. (Bekk. IV. p. 513 a 25): #
#.
3 Pfeiffer, a. a. O. S. 13, 14.
4 Avicennae Arabum medicorum principis, ex Gerardi Cremonensis ver-
sione et Andreae Alpagi Belunensis castigatione, a Jo. Costaeo et Jo. P.
Mongio annotationibus jam pridem illustratus etc. etc. Canon Medicinae.
Venet. 1608. Lib. I. Doctrina 2. fol. 9 a. 52 f. Elementa sunt corpora,

Die Mischung. Simplicius. Philoponus. Ibn Sina.
selbst hinaus. Wenn Simplicius einer Stelle, in welcher
Aristoteles es vorläufig unentschieden läßt, ob die Elemente
aktuell oder potenziell in den Verbindungen existieren,1 nur
die Bemerkung hinzuzufügen hat, daß diejenigen, welche das
Entstehen lediglich aus der Zusammensichtung erklären (wie
Empedokles und Anaxagoras), folgerecht annehmen müssen,
daß die Elemente aktuell bestehen bleiben, die übrigen, daß
sie potenziell beharren,2 so zeigt dies zwar, daß er sich über
die Konsequenzen der aktuellen Integrität klar war, nicht aber
über die Schwierigkeiten, welche in der Vorstellung eines
potenziellen Beharrens liegen. Auch Philoponus kennt keine
Streitfrage über die Bedeutung dieses potenziellen Beharrens
und erörtert nicht die oben erwähnte Schwierigkeit, sondern
begnügt sich, die Worte des Aristoteles zu verdeutlichen.
Allerdings thut er dies in einer Wendung, welche noch klarer
als das Original des Philosophen die Meinung ausspricht, daß
die Potenzialität der Elemente sich nur auf ihre Eigenschaften
bezieht, indem er sagt, daß dieselben vergangen zu sein
schienen, weil sie an der Wirkung gehindert seien, insofern
sie ihre Eigentümlichkeiten verloren hätten.3

Zu dem lebhaft behandelten Problem, als welches wir die
vorliegende Frage im Mittelalter finden, wird sie erst durch
die arabischen Erklärer des Stagiriten erhoben, und zwar legt
zuerst Ibn Sina einen beabsichtigten Nachdruck darauf, daß
die Elemente formaliter in den Verbindungen bestehen bleiben.

Ibn Sina definiert unter dem Einflusse der medizinischen
Schulen die Elemente als Körper, welche die ersten Teile
der zusammengesetzten Stoffe sind und in Körper von ver-
schiedenen Formen in keiner Weise geteilt werden können.4

1 De coelo III, 3. p. 302 a. 15.
2 Simplic. Scholion. (Bekk. IV. p. 513 a 25): #
#.
3 Pfeiffer, a. a. O. S. 13, 14.
4 Avicennae Arabum medicorum principis, ex Gerardi Cremonensis ver-
sione et Andreae Alpagi Belunensis castigatione, a Jo. Costaeo et Jo. P.
Mongio annotationibus jam pridem illustratus etc. etc. Canon Medicinae.
Venet. 1608. Lib. I. Doctrina 2. fol. 9 a. 52 f. Elementa sunt corpora,
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[240/0258] Die Mischung. Simplicius. Philoponus. Ibn Sina. selbst hinaus. Wenn Simplicius einer Stelle, in welcher Aristoteles es vorläufig unentschieden läßt, ob die Elemente aktuell oder potenziell in den Verbindungen existieren, 1 nur die Bemerkung hinzuzufügen hat, daß diejenigen, welche das Entstehen lediglich aus der Zusammensichtung erklären (wie Empedokles und Anaxagoras), folgerecht annehmen müssen, daß die Elemente aktuell bestehen bleiben, die übrigen, daß sie potenziell beharren, 2 so zeigt dies zwar, daß er sich über die Konsequenzen der aktuellen Integrität klar war, nicht aber über die Schwierigkeiten, welche in der Vorstellung eines potenziellen Beharrens liegen. Auch Philoponus kennt keine Streitfrage über die Bedeutung dieses potenziellen Beharrens und erörtert nicht die oben erwähnte Schwierigkeit, sondern begnügt sich, die Worte des Aristoteles zu verdeutlichen. Allerdings thut er dies in einer Wendung, welche noch klarer als das Original des Philosophen die Meinung ausspricht, daß die Potenzialität der Elemente sich nur auf ihre Eigenschaften bezieht, indem er sagt, daß dieselben vergangen zu sein schienen, weil sie an der Wirkung gehindert seien, insofern sie ihre Eigentümlichkeiten verloren hätten. 3 Zu dem lebhaft behandelten Problem, als welches wir die vorliegende Frage im Mittelalter finden, wird sie erst durch die arabischen Erklärer des Stagiriten erhoben, und zwar legt zuerst Ibn Sina einen beabsichtigten Nachdruck darauf, daß die Elemente formaliter in den Verbindungen bestehen bleiben. Ibn Sina definiert unter dem Einflusse der medizinischen Schulen die Elemente als Körper, welche die ersten Teile der zusammengesetzten Stoffe sind und in Körper von ver- schiedenen Formen in keiner Weise geteilt werden können. 4 1 De coelo III, 3. p. 302 a. 15. 2 Simplic. Scholion. (Bekk. IV. p. 513 a 25): # #. 3 Pfeiffer, a. a. O. S. 13, 14. 4 Avicennae Arabum medicorum principis, ex Gerardi Cremonensis ver- sione et Andreae Alpagi Belunensis castigatione, a Jo. Costaeo et Jo. P. Mongio annotationibus jam pridem illustratus etc. etc. Canon Medicinae. Venet. 1608. Lib. I. Doctrina 2. fol. 9 a. 52 f. Elementa sunt corpora,

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/258>, abgerufen am 18.05.2024.