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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Kontinuität und Mischung.
wurde, weil die letztere als unstetig galt, so hätte auch das
Kontinuum des Raumes nach aristotelischen Begriffen nicht
mit dem Körper verbunden werden können, wenn man die
Unstetigkeit des letzteren zugegeben hätte. Hier aber mußte
die Verbindung hergestellt werden, und da es an dem Denk-
mittel fehlte, die Einheit des Körpers durch mechanische
Prinzipien, welche die Bewegungen der Korpuskeln vermitteln,
in befriedigender Weise zu begründen, so mußte auch der
Körper für kontinuierlich erklärt werden. Wir finden hier
wieder in der Beschränkung auf das Denkmittel der Sub-
stanzialität den Grund, weshalb dem Aristotelismus einer der
wichtigsten Einblicke in die Natur der Körperwelt, die Theorie
der molekularen Zusammensetzung, verschlossen bleiben mußte.
Es bedurfte später langer Erörterungen, um sich klar zu
machen, daß ein Körper uns sehr wohl durchaus homogen
erscheinen kann, obwohl er in seinen kleinsten Teilchen
nicht mehr aus gleichartigen Bestandteilen zusammenge-
setzt ist.

Nun erkennt man aber auch die große Wichtigkeit der
scheinbar so abliegenden Frage nach dem Beharren der Be-
standteile in den Verbindungen. Denn wurde dieselbe bejaht
in dem Sinne, daß die ins kleinste zerteilten Elemente sub-
stanziell in den Zusammensetzungen erhalten blieben, so war
der Bann gebrochen und die Korpuskulartheorie konnte ihren
Einzug halten. Sennert hat diesen Weg im 17. Jahrhundert
eingeschlagen. Und der ihm zunächst stehende Erneuerer der
Atomistik, Sebastian Basso, sagt wohlbewußt, daß die Er-
kenntnis vom Beharren der Elemente in den Verbindungen
der sicherste Schlüssel zur Naturwissenschaft sei.1 Eine Natur-
wissenschaft auf korpuskulartheoretischen Grundsätzen war
aber zugleich der Todesstoß für den Peripatetismus. "Haben
die Elemente im Kompositum", so sagt ein eifriger Thomist
unsrer Tage, "durch ihre eigene Form das Sein, dann kann
ihnen die hinzukommende Form nicht mehr das erste oder
substanziale Sein geben, sondern sie kann zu dem Sein der
Elemente nur noch ein zweites, accidentelles Sein hinzufügen.
Mit der Einheit der Substanz ist es dahin; das Kompositum

1 Philosophiae nat. adv. Aristot. libri XII. Amst. 1649. p. 12.

Kontinuität und Mischung.
wurde, weil die letztere als unstetig galt, so hätte auch das
Kontinuum des Raumes nach aristotelischen Begriffen nicht
mit dem Körper verbunden werden können, wenn man die
Unstetigkeit des letzteren zugegeben hätte. Hier aber mußte
die Verbindung hergestellt werden, und da es an dem Denk-
mittel fehlte, die Einheit des Körpers durch mechanische
Prinzipien, welche die Bewegungen der Korpuskeln vermitteln,
in befriedigender Weise zu begründen, so mußte auch der
Körper für kontinuierlich erklärt werden. Wir finden hier
wieder in der Beschränkung auf das Denkmittel der Sub-
stanzialität den Grund, weshalb dem Aristotelismus einer der
wichtigsten Einblicke in die Natur der Körperwelt, die Theorie
der molekularen Zusammensetzung, verschlossen bleiben mußte.
Es bedurfte später langer Erörterungen, um sich klar zu
machen, daß ein Körper uns sehr wohl durchaus homogen
erscheinen kann, obwohl er in seinen kleinsten Teilchen
nicht mehr aus gleichartigen Bestandteilen zusammenge-
setzt ist.

Nun erkennt man aber auch die große Wichtigkeit der
scheinbar so abliegenden Frage nach dem Beharren der Be-
standteile in den Verbindungen. Denn wurde dieselbe bejaht
in dem Sinne, daß die ins kleinste zerteilten Elemente sub-
stanziell in den Zusammensetzungen erhalten blieben, so war
der Bann gebrochen und die Korpuskulartheorie konnte ihren
Einzug halten. Sennert hat diesen Weg im 17. Jahrhundert
eingeschlagen. Und der ihm zunächst stehende Erneuerer der
Atomistik, Sebastian Basso, sagt wohlbewußt, daß die Er-
kenntnis vom Beharren der Elemente in den Verbindungen
der sicherste Schlüssel zur Naturwissenschaft sei.1 Eine Natur-
wissenschaft auf korpuskulartheoretischen Grundsätzen war
aber zugleich der Todesstoß für den Peripatetismus. „Haben
die Elemente im Kompositum‟, so sagt ein eifriger Thomist
unsrer Tage, „durch ihre eigene Form das Sein, dann kann
ihnen die hinzukommende Form nicht mehr das erste oder
substanziale Sein geben, sondern sie kann zu dem Sein der
Elemente nur noch ein zweites, accidentelles Sein hinzufügen.
Mit der Einheit der Substanz ist es dahin; das Kompositum

1 Philosophiae nat. adv. Aristot. libri XII. Amst. 1649. p. 12.
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[238/0256] Kontinuität und Mischung. wurde, weil die letztere als unstetig galt, so hätte auch das Kontinuum des Raumes nach aristotelischen Begriffen nicht mit dem Körper verbunden werden können, wenn man die Unstetigkeit des letzteren zugegeben hätte. Hier aber mußte die Verbindung hergestellt werden, und da es an dem Denk- mittel fehlte, die Einheit des Körpers durch mechanische Prinzipien, welche die Bewegungen der Korpuskeln vermitteln, in befriedigender Weise zu begründen, so mußte auch der Körper für kontinuierlich erklärt werden. Wir finden hier wieder in der Beschränkung auf das Denkmittel der Sub- stanzialität den Grund, weshalb dem Aristotelismus einer der wichtigsten Einblicke in die Natur der Körperwelt, die Theorie der molekularen Zusammensetzung, verschlossen bleiben mußte. Es bedurfte später langer Erörterungen, um sich klar zu machen, daß ein Körper uns sehr wohl durchaus homogen erscheinen kann, obwohl er in seinen kleinsten Teilchen nicht mehr aus gleichartigen Bestandteilen zusammenge- setzt ist. Nun erkennt man aber auch die große Wichtigkeit der scheinbar so abliegenden Frage nach dem Beharren der Be- standteile in den Verbindungen. Denn wurde dieselbe bejaht in dem Sinne, daß die ins kleinste zerteilten Elemente sub- stanziell in den Zusammensetzungen erhalten blieben, so war der Bann gebrochen und die Korpuskulartheorie konnte ihren Einzug halten. Sennert hat diesen Weg im 17. Jahrhundert eingeschlagen. Und der ihm zunächst stehende Erneuerer der Atomistik, Sebastian Basso, sagt wohlbewußt, daß die Er- kenntnis vom Beharren der Elemente in den Verbindungen der sicherste Schlüssel zur Naturwissenschaft sei. 1 Eine Natur- wissenschaft auf korpuskulartheoretischen Grundsätzen war aber zugleich der Todesstoß für den Peripatetismus. „Haben die Elemente im Kompositum‟, so sagt ein eifriger Thomist unsrer Tage, „durch ihre eigene Form das Sein, dann kann ihnen die hinzukommende Form nicht mehr das erste oder substanziale Sein geben, sondern sie kann zu dem Sein der Elemente nur noch ein zweites, accidentelles Sein hinzufügen. Mit der Einheit der Substanz ist es dahin; das Kompositum 1 Philosophiae nat. adv. Aristot. libri XII. Amst. 1649. p. 12.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/256>, abgerufen am 24.11.2024.