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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Ekphantos. Heraklides Ponticus.
Atomen zur Korpuskel, welche dann solche Eigenschaften er-
hält, wie sie der praktischen Verwendung geeignet erscheinen.

Von Ekphantos, welcher zu den Pythagoreern gerechnet
wird, ist nur bekannt, daß er lehrte, die sinnlich wahrnehm-
baren Körper werden aus unteilbaren Körpern, Atomen, zu-
sammengesetzt, welche sich im leeren Raum bewegen. Er
faßte somit die pythagoreischen Einheiten als materielle Sub-
stanzen auf, jedenfalls beeinflußt durch die Atomistik. Seine
Atome sollten nur drei Eigenschaften haben: Größe, Gestalt
und Kraft (#); was er jedoch dabei unter
Kraft verstanden hat, läßt sich nicht ermitteln. Die Anzahl
der Atome sah er als begrenzt und nicht unendlich an; als
Ursache ihrer Bewegung nahm er eine göttliche Kraft an,
welche er Geist und Seele nannte.1 So spärlich diese Nach-
richten sind, so zeigen sie doch hier eine Atomistik, welche
ungleich geeigneter als die demokritische war, späterhin zu
einer Neubildung anzuregen; denn die strenge Atomistik Demo-
krits
schreckte ja ihres Materialismus wegen die christlichen
Physiker von vornherein zurück. Etwaige Erneuerer der Ato-
mistik hatten keine größere Sorge, als sogleich dem Vorwurfe
vorzubeugen, daß sie mit der Atomistik auch den Materialis-
mus annehmen wollten.

Über die Atome des Heraklides Ponticus wissen wir
eigentlich nichts, als daß er die kleinsten Teile, aus welchen
die Welt bestehen soll, nicht Atome sondern # genannt,2
dabei aber auch eine allgemeine göttliche Vernunft in der
Welt angenommen hat. Von Interesse ist die Theorie des
Schalles, welche Heraklides gab3, weil er hier -- im Anschluß
an seine atomistische Grundansicht -- den Ton als Erzeugnis
rasch aufeinanderfolgender intermittierender Stöße auffaßt.
Seine Atome unterscheiden sich von denen des Demokrit durch
ihre Fähigkeit, Einwirkungen zu erleiden, so daß sie auch
eine wirkliche Verbindung eingehen können. Da Heraklides
mit Asklepiades zusammen genannt wird und die Berichte
über beide gleichlautend sind, so werden wir bei dem Mangel

1 Die Belege bei Zeller, Phil. d. Gr. 4. A. I S. 356 A. 1 u. S. 459 A. 2.
2 Die Belege s. bei Asklepiades (S. 213, Anm. 1.)
3 S. Zeller, Bd. II A. 3. A. S. 887. A. 1.

Ekphantos. Heraklides Ponticus.
Atomen zur Korpuskel, welche dann solche Eigenschaften er-
hält, wie sie der praktischen Verwendung geeignet erscheinen.

Von Ekphantos, welcher zu den Pythagoreern gerechnet
wird, ist nur bekannt, daß er lehrte, die sinnlich wahrnehm-
baren Körper werden aus unteilbaren Körpern, Atomen, zu-
sammengesetzt, welche sich im leeren Raum bewegen. Er
faßte somit die pythagoreischen Einheiten als materielle Sub-
stanzen auf, jedenfalls beeinflußt durch die Atomistik. Seine
Atome sollten nur drei Eigenschaften haben: Größe, Gestalt
und Kraft (#); was er jedoch dabei unter
Kraft verstanden hat, läßt sich nicht ermitteln. Die Anzahl
der Atome sah er als begrenzt und nicht unendlich an; als
Ursache ihrer Bewegung nahm er eine göttliche Kraft an,
welche er Geist und Seele nannte.1 So spärlich diese Nach-
richten sind, so zeigen sie doch hier eine Atomistik, welche
ungleich geeigneter als die demokritische war, späterhin zu
einer Neubildung anzuregen; denn die strenge Atomistik Demo-
krits
schreckte ja ihres Materialismus wegen die christlichen
Physiker von vornherein zurück. Etwaige Erneuerer der Ato-
mistik hatten keine größere Sorge, als sogleich dem Vorwurfe
vorzubeugen, daß sie mit der Atomistik auch den Materialis-
mus annehmen wollten.

Über die Atome des Heraklides Ponticus wissen wir
eigentlich nichts, als daß er die kleinsten Teile, aus welchen
die Welt bestehen soll, nicht Atome sondern # genannt,2
dabei aber auch eine allgemeine göttliche Vernunft in der
Welt angenommen hat. Von Interesse ist die Theorie des
Schalles, welche Heraklides gab3, weil er hier — im Anschluß
an seine atomistische Grundansicht — den Ton als Erzeugnis
rasch aufeinanderfolgender intermittierender Stöße auffaßt.
Seine Atome unterscheiden sich von denen des Demokrit durch
ihre Fähigkeit, Einwirkungen zu erleiden, so daß sie auch
eine wirkliche Verbindung eingehen können. Da Heraklides
mit Asklepiades zusammen genannt wird und die Berichte
über beide gleichlautend sind, so werden wir bei dem Mangel

1 Die Belege bei Zeller, Phil. d. Gr. 4. A. I S. 356 A. 1 u. S. 459 A. 2.
2 Die Belege s. bei Asklepiades (S. 213, Anm. 1.)
3 S. Zeller, Bd. II A. 3. A. S. 887. A. 1.
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[212/0230] Ekphantos. Heraklides Ponticus. Atomen zur Korpuskel, welche dann solche Eigenschaften er- hält, wie sie der praktischen Verwendung geeignet erscheinen. Von Ekphantos, welcher zu den Pythagoreern gerechnet wird, ist nur bekannt, daß er lehrte, die sinnlich wahrnehm- baren Körper werden aus unteilbaren Körpern, Atomen, zu- sammengesetzt, welche sich im leeren Raum bewegen. Er faßte somit die pythagoreischen Einheiten als materielle Sub- stanzen auf, jedenfalls beeinflußt durch die Atomistik. Seine Atome sollten nur drei Eigenschaften haben: Größe, Gestalt und Kraft (#); was er jedoch dabei unter Kraft verstanden hat, läßt sich nicht ermitteln. Die Anzahl der Atome sah er als begrenzt und nicht unendlich an; als Ursache ihrer Bewegung nahm er eine göttliche Kraft an, welche er Geist und Seele nannte. 1 So spärlich diese Nach- richten sind, so zeigen sie doch hier eine Atomistik, welche ungleich geeigneter als die demokritische war, späterhin zu einer Neubildung anzuregen; denn die strenge Atomistik Demo- krits schreckte ja ihres Materialismus wegen die christlichen Physiker von vornherein zurück. Etwaige Erneuerer der Ato- mistik hatten keine größere Sorge, als sogleich dem Vorwurfe vorzubeugen, daß sie mit der Atomistik auch den Materialis- mus annehmen wollten. Über die Atome des Heraklides Ponticus wissen wir eigentlich nichts, als daß er die kleinsten Teile, aus welchen die Welt bestehen soll, nicht Atome sondern # genannt, 2 dabei aber auch eine allgemeine göttliche Vernunft in der Welt angenommen hat. Von Interesse ist die Theorie des Schalles, welche Heraklides gab 3, weil er hier — im Anschluß an seine atomistische Grundansicht — den Ton als Erzeugnis rasch aufeinanderfolgender intermittierender Stöße auffaßt. Seine Atome unterscheiden sich von denen des Demokrit durch ihre Fähigkeit, Einwirkungen zu erleiden, so daß sie auch eine wirkliche Verbindung eingehen können. Da Heraklides mit Asklepiades zusammen genannt wird und die Berichte über beide gleichlautend sind, so werden wir bei dem Mangel 1 Die Belege bei Zeller, Phil. d. Gr. 4. A. I S. 356 A. 1 u. S. 459 A. 2. 2 Die Belege s. bei Asklepiades (S. 213, Anm. 1.) 3 S. Zeller, Bd. II A. 3. A. S. 887. A. 1.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/230>, abgerufen am 26.11.2024.