betrachtet werden. Denn wenn Grenzfläche und Körper iden- tisch wären, so würden sich zwei Körper nicht berühren, sondern an der Grenzfläche, die ihnen gemeinschaftlich zukommt, einen Teil des Körpers gemeinsam haben, also sich durchdringen.
Körper, Flächen und Linien sind Größen und teilen die Quantität der Substanz mit. Punkte aber sind keine Größen. Schon daraus ergibt sich, daß Punkte, obwohl sie in der Linie real enthalten sind, doch keineswegs für sich allein eine Linie ausmachen können. Die Quantität der Linien, Flächen und Körper, des Kontinuums überhaupt, rührt nicht von den Punkten her, sondern diese geben ihm nur die Eigen- schaft der Kontinuität, des stetigen Zusammenhangs. Daher ist das Kontinuum nicht aus unteilbaren Punkten zusammengesetzt und nicht in solche auflösbar.
Man hat also bei den Scholastikern zwischen den beiden Fragen streng zu unterscheiden, ob die Unteilbaren realiter im Kontinuum sind, und ob sie das Kontinuum zusammen- setzen. Die letztere Frage wird fast einstimmig im Sinne des Aristoteles verneint.
Allerdings gibt es auch hier Gegner. Dieselben behaupten, das Kontinuum bestehe aus Punkten, da ja doch Gott in solche es auflösen könne. Was sollte auch zwischen den Punkten sein? Wenn eine Linie, so bestehe diese wieder aus Punkten, daher gebe es nichts als Punkte im Kontinuum. Die Geometer lehren, daß die Linie durch Bewegung eines Punktes erzeugt wird; somit muß sie auch aus Punkten bestehen, da die Be- wegung eines solchen keine andren Spuren zurücklassen kann. Da es nicht unendlich viele Teile geben kann, so muß es ein Ende der Teilung, einen ersten Teil geben, und das Kontinuum muß daher aus Unteilbaren zusammengesetzt sein. Gäbe es eine Teilung ins Unendliche, so würde doch Gott diese unend- lich vielen Teile erkennen, und es gäbe also in den geschaffenen Körpern eine reale Unendlichkeit, was nicht möglich ist.
Der Hauptgrund aber für die Zusammensetzung des Kon- tinuums aus Punkten wird hergenommen von der Analogie zwischen Linie und Zahl mit Benutzung eines gelegentlichen Wortes von Aristoteles,1 daß nämlich der Punkt zur Linie
1Top. l. I, c. 18. p. 108b 26.
Ob d. Kontinuum aus Punkten zusammengesetzt ist.
betrachtet werden. Denn wenn Grenzfläche und Körper iden- tisch wären, so würden sich zwei Körper nicht berühren, sondern an der Grenzfläche, die ihnen gemeinschaftlich zukommt, einen Teil des Körpers gemeinsam haben, also sich durchdringen.
Körper, Flächen und Linien sind Größen und teilen die Quantität der Substanz mit. Punkte aber sind keine Größen. Schon daraus ergibt sich, daß Punkte, obwohl sie in der Linie real enthalten sind, doch keineswegs für sich allein eine Linie ausmachen können. Die Quantität der Linien, Flächen und Körper, des Kontinuums überhaupt, rührt nicht von den Punkten her, sondern diese geben ihm nur die Eigen- schaft der Kontinuität, des stetigen Zusammenhangs. Daher ist das Kontinuum nicht aus unteilbaren Punkten zusammengesetzt und nicht in solche auflösbar.
Man hat also bei den Scholastikern zwischen den beiden Fragen streng zu unterscheiden, ob die Unteilbaren realiter im Kontinuum sind, und ob sie das Kontinuum zusammen- setzen. Die letztere Frage wird fast einstimmig im Sinne des Aristoteles verneint.
Allerdings gibt es auch hier Gegner. Dieselben behaupten, das Kontinuum bestehe aus Punkten, da ja doch Gott in solche es auflösen könne. Was sollte auch zwischen den Punkten sein? Wenn eine Linie, so bestehe diese wieder aus Punkten, daher gebe es nichts als Punkte im Kontinuum. Die Geometer lehren, daß die Linie durch Bewegung eines Punktes erzeugt wird; somit muß sie auch aus Punkten bestehen, da die Be- wegung eines solchen keine andren Spuren zurücklassen kann. Da es nicht unendlich viele Teile geben kann, so muß es ein Ende der Teilung, einen ersten Teil geben, und das Kontinuum muß daher aus Unteilbaren zusammengesetzt sein. Gäbe es eine Teilung ins Unendliche, so würde doch Gott diese unend- lich vielen Teile erkennen, und es gäbe also in den geschaffenen Körpern eine reale Unendlichkeit, was nicht möglich ist.
Der Hauptgrund aber für die Zusammensetzung des Kon- tinuums aus Punkten wird hergenommen von der Analogie zwischen Linie und Zahl mit Benutzung eines gelegentlichen Wortes von Aristoteles,1 daß nämlich der Punkt zur Linie
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[191/0209]
Ob d. Kontinuum aus Punkten zusammengesetzt ist.
betrachtet werden. Denn wenn Grenzfläche und Körper iden-
tisch wären, so würden sich zwei Körper nicht berühren,
sondern an der Grenzfläche, die ihnen gemeinschaftlich zukommt,
einen Teil des Körpers gemeinsam haben, also sich durchdringen.
Körper, Flächen und Linien sind Größen und teilen die
Quantität der Substanz mit. Punkte aber sind keine Größen.
Schon daraus ergibt sich, daß Punkte, obwohl sie in der Linie
real enthalten sind, doch keineswegs für sich allein eine Linie
ausmachen können. Die Quantität der Linien, Flächen und
Körper, des Kontinuums überhaupt, rührt nicht von den
Punkten her, sondern diese geben ihm nur die Eigen-
schaft der Kontinuität, des stetigen Zusammenhangs.
Daher ist das Kontinuum nicht aus unteilbaren Punkten
zusammengesetzt und nicht in solche auflösbar.
Man hat also bei den Scholastikern zwischen den beiden
Fragen streng zu unterscheiden, ob die Unteilbaren realiter im
Kontinuum sind, und ob sie das Kontinuum zusammen-
setzen. Die letztere Frage wird fast einstimmig im Sinne
des Aristoteles verneint.
Allerdings gibt es auch hier Gegner. Dieselben behaupten,
das Kontinuum bestehe aus Punkten, da ja doch Gott in solche
es auflösen könne. Was sollte auch zwischen den Punkten
sein? Wenn eine Linie, so bestehe diese wieder aus Punkten,
daher gebe es nichts als Punkte im Kontinuum. Die Geometer
lehren, daß die Linie durch Bewegung eines Punktes erzeugt
wird; somit muß sie auch aus Punkten bestehen, da die Be-
wegung eines solchen keine andren Spuren zurücklassen kann.
Da es nicht unendlich viele Teile geben kann, so muß es ein
Ende der Teilung, einen ersten Teil geben, und das Kontinuum
muß daher aus Unteilbaren zusammengesetzt sein. Gäbe es
eine Teilung ins Unendliche, so würde doch Gott diese unend-
lich vielen Teile erkennen, und es gäbe also in den geschaffenen
Körpern eine reale Unendlichkeit, was nicht möglich ist.
Der Hauptgrund aber für die Zusammensetzung des Kon-
tinuums aus Punkten wird hergenommen von der Analogie
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1 Top. l. I, c. 18. p. 108b 26.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/209>, abgerufen am 28.11.2024.
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