der Elemente auch in den Körpern als beharrend voraussetzt. Der Gedanke, daß die Elemente bei ihrer Verbindung und Trennung eine Änderung erleiden könnten, scheint ihm fremd zu sein.
3. Die Modifikation des Aristotelismus.
Nach Saadias Tode verbreitet sich die Philosophie vom Orient nach dem Occident, wo die spanischen Juden sich von der babylonischen Akademie in Sora unabhängig machen und eine eigene Schule zu Cordova gründen. Und noch ehe hier die arabische Philosophie zur Blüte gelangt, finden wir in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in Spanien einen be- achtenswerten, |selbständigen jüdischen Denker, Salomon Ibn Gabirol aus Malaga. Seine Wirksamkeit als Dichter und Philosoph in Spanien fällt nur kurze Zeit nach der Veröffent- lichung der großen Encyklopädie des Ibn Sina, welcher in Ispahan lehrte. Der erste bedeutendere arabische Philosoph in Spanien, Ibn Badscha (+ 1138), schrieb mehr denn fünfzig Jahre später, im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts.
Wenn es das wesentlichste Verdienst der jüdischen und arabischen Philosophen ist, daß sie die aristotelische Doktrin dem Abendlande vermittelten, so haben sie doch auch eigentümlichen Charakter derselben aufgedrückt.
Der reine Aristotelismus ist durch sie, hauptsächlich im Interesse des Monotheismus umgestaltet, teils mit neuplato- nischen Elementen versehen, teils durch die naturalistische Neigung des arabischen Geistes jenem Gedankenkreise näher gerückt worden, welcher in der Neuzeit die Entstehung der Naturwissenschaft ermöglichte.
Alle diese fremden Einflüsse drängen sich an denjenigen Stellen ein, an welchen das Gebäude der peripatetischen Philo- sophie Fehler des Bauplans oder Mängel der Ausführung auf- weist. Sie sind zunächst eingefügt als Aushilfen und Stützen, um das System des Philosophen zu festigen. Denn im großen und ganzen herrscht die aristotelische Weltansicht unbeschränkt. Aber indem sie gleich Keilen in das Gefüge des Systems sich hineindrängen, lockern sie allmählich den Bau. Was als verbin- dender Kitt unsicherer Bestandteile dienen sollte, hebt die Homo- genität des Ganzen auf und öffnet dem vorwärtsdrängenden, der
Umgestaltung des Aristotelismus.
der Elemente auch in den Körpern als beharrend voraussetzt. Der Gedanke, daß die Elemente bei ihrer Verbindung und Trennung eine Änderung erleiden könnten, scheint ihm fremd zu sein.
3. Die Modifikation des Aristotelismus.
Nach Saadias Tode verbreitet sich die Philosophie vom Orient nach dem Occident, wo die spanischen Juden sich von der babylonischen Akademie in Sora unabhängig machen und eine eigene Schule zu Cordova gründen. Und noch ehe hier die arabische Philosophie zur Blüte gelangt, finden wir in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in Spanien einen be- achtenswerten, |selbständigen jüdischen Denker, Salomon Ibn Gabirol aus Malaga. Seine Wirksamkeit als Dichter und Philosoph in Spanien fällt nur kurze Zeit nach der Veröffent- lichung der großen Encyklopädie des Ibn Sina, welcher in Ispahan lehrte. Der erste bedeutendere arabische Philosoph in Spanien, Ibn Badscha († 1138), schrieb mehr denn fünfzig Jahre später, im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts.
Wenn es das wesentlichste Verdienst der jüdischen und arabischen Philosophen ist, daß sie die aristotelische Doktrin dem Abendlande vermittelten, so haben sie doch auch eigentümlichen Charakter derselben aufgedrückt.
Der reine Aristotelismus ist durch sie, hauptsächlich im Interesse des Monotheismus umgestaltet, teils mit neuplato- nischen Elementen versehen, teils durch die naturalistische Neigung des arabischen Geistes jenem Gedankenkreise näher gerückt worden, welcher in der Neuzeit die Entstehung der Naturwissenschaft ermöglichte.
Alle diese fremden Einflüsse drängen sich an denjenigen Stellen ein, an welchen das Gebäude der peripatetischen Philo- sophie Fehler des Bauplans oder Mängel der Ausführung auf- weist. Sie sind zunächst eingefügt als Aushilfen und Stützen, um das System des Philosophen zu festigen. Denn im großen und ganzen herrscht die aristotelische Weltansicht unbeschränkt. Aber indem sie gleich Keilen in das Gefüge des Systems sich hineindrängen, lockern sie allmählich den Bau. Was als verbin- dender Kitt unsicherer Bestandteile dienen sollte, hebt die Homo- genität des Ganzen auf und öffnet dem vorwärtsdrängenden, der
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Umgestaltung des Aristotelismus.
der Elemente auch in den Körpern als beharrend voraussetzt.
Der Gedanke, daß die Elemente bei ihrer Verbindung und
Trennung eine Änderung erleiden könnten, scheint ihm fremd
zu sein.
3. Die Modifikation des Aristotelismus.
Nach Saadias Tode verbreitet sich die Philosophie vom
Orient nach dem Occident, wo die spanischen Juden sich von
der babylonischen Akademie in Sora unabhängig machen und
eine eigene Schule zu Cordova gründen. Und noch ehe hier
die arabische Philosophie zur Blüte gelangt, finden wir in der
zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in Spanien einen be-
achtenswerten, |selbständigen jüdischen Denker, Salomon Ibn
Gabirol aus Malaga. Seine Wirksamkeit als Dichter und
Philosoph in Spanien fällt nur kurze Zeit nach der Veröffent-
lichung der großen Encyklopädie des Ibn Sina, welcher in
Ispahan lehrte. Der erste bedeutendere arabische Philosoph
in Spanien, Ibn Badscha († 1138), schrieb mehr denn fünfzig
Jahre später, im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts.
Wenn es das wesentlichste Verdienst der jüdischen und
arabischen Philosophen ist, daß sie die aristotelische Doktrin dem
Abendlande vermittelten, so haben sie doch auch eigentümlichen
Charakter derselben aufgedrückt.
Der reine Aristotelismus ist durch sie, hauptsächlich im
Interesse des Monotheismus umgestaltet, teils mit neuplato-
nischen Elementen versehen, teils durch die naturalistische
Neigung des arabischen Geistes jenem Gedankenkreise näher
gerückt worden, welcher in der Neuzeit die Entstehung der
Naturwissenschaft ermöglichte.
Alle diese fremden Einflüsse drängen sich an denjenigen
Stellen ein, an welchen das Gebäude der peripatetischen Philo-
sophie Fehler des Bauplans oder Mängel der Ausführung auf-
weist. Sie sind zunächst eingefügt als Aushilfen und Stützen,
um das System des Philosophen zu festigen. Denn im großen
und ganzen herrscht die aristotelische Weltansicht unbeschränkt.
Aber indem sie gleich Keilen in das Gefüge des Systems sich
hineindrängen, lockern sie allmählich den Bau. Was als verbin-
dender Kitt unsicherer Bestandteile dienen sollte, hebt die Homo-
genität des Ganzen auf und öffnet dem vorwärtsdrängenden, der
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/175>, abgerufen am 27.11.2024.
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