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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Der Kalam.
den Befehdungen dieser Sekten entwickelt wurden, haben zwar
die Mohammedaner den Namen der Philosophie nicht erteilt,
auch dürften die Produkte theologischer Spitzfindigkeit kaum
unter diesen Begriff fallen; trotzdem findet sich dasjenige, was
der arabische Geist Eigentümliches in philosophischer Hinsicht
geleistet hat, gerade in den Lehren dieser Sekten niedergelegt,
und es ist daher ganz berechtigt, den Kalam als die Philo-
sophie des Islam zu bezeichnen. Bei einem großen Teile jener
Sekten wurde eine bemerkenswerte Theorie der Materie aus-
gebildet, eine in sich konsequente Atomistik, die namentlich
durch Moses Maimonides auch den Scholastikern bekannt
geworden ist.

Das Wort Kalam (Wort, Rede, #) bezeichnet die
wissenschaftliche Beschäftigung mit der Auslegung des Korans,
wie sie seit dem 2. Jahrhundert der mohammedanischen Zeit-
rechnung sich herausgebildet hatte. Die Anfänge des Kalams
reichen also weiter zurück, als die Einführung der aristotelischen
Philosophie bei den Arabern im 9. Jahrhundert unter Almamun.
Sein ursprünglicher Zweck war die Bekämpfung häretischer
Sekten durch logische Gründe; späterhin aber richteten sich
seine Waffen ebenfalls gegen die griechische Philosophie, und
die Männer des Kalam, die Mutakallimun, mußten sich daher
auch mit den Prinzipien des Seins, der Ordnung der Welt und
dergleichen, mit Metaphysik, Physik und Mathematik ein-
gehender beschäftigen.1 Dabei bezieht sich die Bezeichnung
Mutakallim zunächst nur auf denjenigen, der die Methode
des Kalam befolgt, nicht auf eine bestimmte Parteiansicht
Wer die Dogmen des Koran nicht ohne weiteres acceptierte,
sondern ihre Wahrheit philosophisch zu prüfen versuchte, hieß
ein Mutakallim im Gegensatz zum Fakih, der die Glaubens-
lehren getreu der Überlieferung hinnahm und nur die Kenntnis

4. 1844. S. 13 ff. -- Haarbrücker, Al-Schahrastanis Religionsparteien und
Philosophenschulen.
Halle 1850. S. VII. -- Renan. Averroes et l'Averroisme,
Paris 1861. p. 89. 101. -- Munk, Melanges de philosophie juive et arabe. Paris
1859. p. 333. A. -- Dugat, Histoire des philosophes et des theologiens musul-
mans.
Paris 1878. p. XIV.
1 Delitzsch, Anecdota zur Geschichte der mittelalterl. Scholastik unter
Juden und Moslemen.
Leipzig 1841, p. 294 Anm. 12.

Der Kalâm.
den Befehdungen dieser Sekten entwickelt wurden, haben zwar
die Mohammedaner den Namen der Philosophie nicht erteilt,
auch dürften die Produkte theologischer Spitzfindigkeit kaum
unter diesen Begriff fallen; trotzdem findet sich dasjenige, was
der arabische Geist Eigentümliches in philosophischer Hinsicht
geleistet hat, gerade in den Lehren dieser Sekten niedergelegt,
und es ist daher ganz berechtigt, den Kalâm als die Philo-
sophie des Islam zu bezeichnen. Bei einem großen Teile jener
Sekten wurde eine bemerkenswerte Theorie der Materie aus-
gebildet, eine in sich konsequente Atomistik, die namentlich
durch Moses Maimonides auch den Scholastikern bekannt
geworden ist.

Das Wort Kalâm (Wort, Rede, #) bezeichnet die
wissenschaftliche Beschäftigung mit der Auslegung des Korans,
wie sie seit dem 2. Jahrhundert der mohammedanischen Zeit-
rechnung sich herausgebildet hatte. Die Anfänge des Kalâms
reichen also weiter zurück, als die Einführung der aristotelischen
Philosophie bei den Arabern im 9. Jahrhundert unter Almamun.
Sein ursprünglicher Zweck war die Bekämpfung häretischer
Sekten durch logische Gründe; späterhin aber richteten sich
seine Waffen ebenfalls gegen die griechische Philosophie, und
die Männer des Kalâm, die Mutakallimun, mußten sich daher
auch mit den Prinzipien des Seins, der Ordnung der Welt und
dergleichen, mit Metaphysik, Physik und Mathematik ein-
gehender beschäftigen.1 Dabei bezieht sich die Bezeichnung
Mutakallim zunächst nur auf denjenigen, der die Methode
des Kalâm befolgt, nicht auf eine bestimmte Parteiansicht
Wer die Dogmen des Koran nicht ohne weiteres acceptierte,
sondern ihre Wahrheit philosophisch zu prüfen versuchte, hieß
ein Mutakallim im Gegensatz zum Fakih, der die Glaubens-
lehren getreu der Überlieferung hinnahm und nur die Kenntnis

4. 1844. S. 13 ff. — Haarbrücker, Al-Schahrastanis Religionsparteien und
Philosophenschulen.
Halle 1850. S. VII. — Renan. Averroès et l’Averroïsme,
Paris 1861. p. 89. 101. — Munk, Mélanges de philosophie juive et arabe. Paris
1859. p. 333. A. — Dugat, Histoire des philosophes et des théologiens musul-
mans.
Paris 1878. p. XIV.
1 Delitzsch, Anecdota zur Geschichte der mittelalterl. Scholastik unter
Juden und Moslemen.
Leipzig 1841, p. 294 Anm. 12.
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[135/0153] Der Kalâm. den Befehdungen dieser Sekten entwickelt wurden, haben zwar die Mohammedaner den Namen der Philosophie nicht erteilt, auch dürften die Produkte theologischer Spitzfindigkeit kaum unter diesen Begriff fallen; trotzdem findet sich dasjenige, was der arabische Geist Eigentümliches in philosophischer Hinsicht geleistet hat, gerade in den Lehren dieser Sekten niedergelegt, und es ist daher ganz berechtigt, den Kalâm als die Philo- sophie des Islam zu bezeichnen. Bei einem großen Teile jener Sekten wurde eine bemerkenswerte Theorie der Materie aus- gebildet, eine in sich konsequente Atomistik, die namentlich durch Moses Maimonides auch den Scholastikern bekannt geworden ist. Das Wort Kalâm (Wort, Rede, #) bezeichnet die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Auslegung des Korans, wie sie seit dem 2. Jahrhundert der mohammedanischen Zeit- rechnung sich herausgebildet hatte. Die Anfänge des Kalâms reichen also weiter zurück, als die Einführung der aristotelischen Philosophie bei den Arabern im 9. Jahrhundert unter Almamun. Sein ursprünglicher Zweck war die Bekämpfung häretischer Sekten durch logische Gründe; späterhin aber richteten sich seine Waffen ebenfalls gegen die griechische Philosophie, und die Männer des Kalâm, die Mutakallimun, mußten sich daher auch mit den Prinzipien des Seins, der Ordnung der Welt und dergleichen, mit Metaphysik, Physik und Mathematik ein- gehender beschäftigen. 1 Dabei bezieht sich die Bezeichnung Mutakallim zunächst nur auf denjenigen, der die Methode des Kalâm befolgt, nicht auf eine bestimmte Parteiansicht Wer die Dogmen des Koran nicht ohne weiteres acceptierte, sondern ihre Wahrheit philosophisch zu prüfen versuchte, hieß ein Mutakallim im Gegensatz zum Fakih, der die Glaubens- lehren getreu der Überlieferung hinnahm und nur die Kenntnis 1 1 Delitzsch, Anecdota zur Geschichte der mittelalterl. Scholastik unter Juden und Moslemen. Leipzig 1841, p. 294 Anm. 12. 1 4. 1844. S. 13 ff. — Haarbrücker, Al-Schahrastanis Religionsparteien und Philosophenschulen. Halle 1850. S. VII. — Renan. Averroès et l’Averroïsme, Paris 1861. p. 89. 101. — Munk, Mélanges de philosophie juive et arabe. Paris 1859. p. 333. A. — Dugat, Histoire des philosophes et des théologiens musul- mans. Paris 1878. p. XIV.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/153>, abgerufen am 25.11.2024.