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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Aristoteles gg. d. Atom.: Poren.
sind;1 und dies muß doch im Verlaufe der Einwirkung einmal
geschehen. Denn wenn auch dann noch das Ganze eine Einwirkung
erfährt, so könnte es dieselbe ebenfalls erfahren, wenn es keine
Poren hätte, sondern kontinuierlich wäre. Desgleichen würde dann
die Durchsichtigkeit der Körper sich aus den Poren nicht mehr
erklären lassen; denn weder an den Stellen, wo die Atome
sich berühren, kann etwas hindurch gehen, noch durch die
Poren, da diese voll sind. Was bleibt also in diesem Falle,
wo alles gleichmäßig voll ist, noch für ein Unterschied von
der Porenlosigkeit? Nimmt man indes an, daß die Poren an
sich leer sind, notwendig aber Körper in sich aufnehmen
müssen, so wird sich dieselbe Schwierigkeit ergeben. Sollen
sie jedoch etwa so klein sein, daß sie keine Körper mehr in
sich aufnehmen können, so ist es lächerlich zu glauben, daß
es wohl kleines Leeres gebe, großes aber nicht; oder etwa zu
glauben, man verstehe hierbei unter dem Leeren etwas andres
als den Raum des Körpers, so daß es für jeden Körper ein
an Masse gleiches Leere geben müsse.

Überhaupt ist die Annahme von Poren gänzlich über-
flüssig. Denn wenn die Atome keine Einwirkungen an ihren
Berührungsstellen auszuüben vermögen, so werden sie dazu
auch nicht beim Durchgange durch die Poren imstande sein.
Findet aber Einwirkung durch Berührung statt, so werden
sich die Körper je nach ihrer wechselseitigen natürlichen
Bestimmung auch ohne Poren wirkend und leidend verhalten.

Poren in dieser Art anzunehmen ist also entweder falsch,
oder doch zwecklos; lächerlich aber wird es, wenn die Körper
allseitig teilbar sind; denn inwiefern sie teilbar sind, können
sie auch ohne Poren getrennt werden. Die qualitative Ein-
wirkung hat vielmehr ihren Grund in der Allseitigkeit des
Überganges von der Potenzialität der Stoffe zur Aktualität.
Eine Mannigfaltigkeit der Berührungen und Zustände fördert
allerdings die Verwandlung, sie beruht aber nicht auf der
Lageänderung von Atomen allein, wodurch vielmehr jede qua-
litative Änderung aufgehoben werden würde. Das Erstarren

1 Durch diese Umschreibung glaube ich den Sinn der Stelle De gen.
et corr.
I, 9, p. 326 b. 6 f. am besten zu treffen. Sie lautet: #
# (Prantl schreibt: #) #-
#.

Aristoteles gg. d. Atom.: Poren.
sind;1 und dies muß doch im Verlaufe der Einwirkung einmal
geschehen. Denn wenn auch dann noch das Ganze eine Einwirkung
erfährt, so könnte es dieselbe ebenfalls erfahren, wenn es keine
Poren hätte, sondern kontinuierlich wäre. Desgleichen würde dann
die Durchsichtigkeit der Körper sich aus den Poren nicht mehr
erklären lassen; denn weder an den Stellen, wo die Atome
sich berühren, kann etwas hindurch gehen, noch durch die
Poren, da diese voll sind. Was bleibt also in diesem Falle,
wo alles gleichmäßig voll ist, noch für ein Unterschied von
der Porenlosigkeit? Nimmt man indes an, daß die Poren an
sich leer sind, notwendig aber Körper in sich aufnehmen
müssen, so wird sich dieselbe Schwierigkeit ergeben. Sollen
sie jedoch etwa so klein sein, daß sie keine Körper mehr in
sich aufnehmen können, so ist es lächerlich zu glauben, daß
es wohl kleines Leeres gebe, großes aber nicht; oder etwa zu
glauben, man verstehe hierbei unter dem Leeren etwas andres
als den Raum des Körpers, so daß es für jeden Körper ein
an Masse gleiches Leere geben müsse.

Überhaupt ist die Annahme von Poren gänzlich über-
flüssig. Denn wenn die Atome keine Einwirkungen an ihren
Berührungsstellen auszuüben vermögen, so werden sie dazu
auch nicht beim Durchgange durch die Poren imstande sein.
Findet aber Einwirkung durch Berührung statt, so werden
sich die Körper je nach ihrer wechselseitigen natürlichen
Bestimmung auch ohne Poren wirkend und leidend verhalten.

Poren in dieser Art anzunehmen ist also entweder falsch,
oder doch zwecklos; lächerlich aber wird es, wenn die Körper
allseitig teilbar sind; denn inwiefern sie teilbar sind, können
sie auch ohne Poren getrennt werden. Die qualitative Ein-
wirkung hat vielmehr ihren Grund in der Allseitigkeit des
Überganges von der Potenzialität der Stoffe zur Aktualität.
Eine Mannigfaltigkeit der Berührungen und Zustände fördert
allerdings die Verwandlung, sie beruht aber nicht auf der
Lageänderung von Atomen allein, wodurch vielmehr jede qua-
litative Änderung aufgehoben werden würde. Das Erstarren

1 Durch diese Umschreibung glaube ich den Sinn der Stelle De gen.
et corr.
I, 9, p. 326 b. 6 f. am besten zu treffen. Sie lautet: #
# (Prantl schreibt: #) #-
#.
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[123/0141] Aristoteles gg. d. Atom.: Poren. sind; 1 und dies muß doch im Verlaufe der Einwirkung einmal geschehen. Denn wenn auch dann noch das Ganze eine Einwirkung erfährt, so könnte es dieselbe ebenfalls erfahren, wenn es keine Poren hätte, sondern kontinuierlich wäre. Desgleichen würde dann die Durchsichtigkeit der Körper sich aus den Poren nicht mehr erklären lassen; denn weder an den Stellen, wo die Atome sich berühren, kann etwas hindurch gehen, noch durch die Poren, da diese voll sind. Was bleibt also in diesem Falle, wo alles gleichmäßig voll ist, noch für ein Unterschied von der Porenlosigkeit? Nimmt man indes an, daß die Poren an sich leer sind, notwendig aber Körper in sich aufnehmen müssen, so wird sich dieselbe Schwierigkeit ergeben. Sollen sie jedoch etwa so klein sein, daß sie keine Körper mehr in sich aufnehmen können, so ist es lächerlich zu glauben, daß es wohl kleines Leeres gebe, großes aber nicht; oder etwa zu glauben, man verstehe hierbei unter dem Leeren etwas andres als den Raum des Körpers, so daß es für jeden Körper ein an Masse gleiches Leere geben müsse. Überhaupt ist die Annahme von Poren gänzlich über- flüssig. Denn wenn die Atome keine Einwirkungen an ihren Berührungsstellen auszuüben vermögen, so werden sie dazu auch nicht beim Durchgange durch die Poren imstande sein. Findet aber Einwirkung durch Berührung statt, so werden sich die Körper je nach ihrer wechselseitigen natürlichen Bestimmung auch ohne Poren wirkend und leidend verhalten. Poren in dieser Art anzunehmen ist also entweder falsch, oder doch zwecklos; lächerlich aber wird es, wenn die Körper allseitig teilbar sind; denn inwiefern sie teilbar sind, können sie auch ohne Poren getrennt werden. Die qualitative Ein- wirkung hat vielmehr ihren Grund in der Allseitigkeit des Überganges von der Potenzialität der Stoffe zur Aktualität. Eine Mannigfaltigkeit der Berührungen und Zustände fördert allerdings die Verwandlung, sie beruht aber nicht auf der Lageänderung von Atomen allein, wodurch vielmehr jede qua- litative Änderung aufgehoben werden würde. Das Erstarren 1 Durch diese Umschreibung glaube ich den Sinn der Stelle De gen. et corr. I, 9, p. 326 b. 6 f. am besten zu treffen. Sie lautet: # # (Prantl schreibt: #) #- #.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/141>, abgerufen am 07.05.2024.