Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
Aristoteles: Schwere atomistisch nicht erklärbar.

Nach Demokrit fallen die Atome alle nach unten, die
größeren schneller als die kleineren. Dadurch finde ein Zu-
sammenstoßen derselben statt, infolgedessen die kleineren
Atome nach oben getrieben werden.

Dagegen wendet Aristoteles, wie bereits erwähnt, ein,
daß es im leeren Raume kein Oben oder Unten gäbe, mithin
keine natürliche Bewegung, kein Leichter und Schwerer --
Alles müsse gleich rasch fallen, wenn man überhaupt einsehen
könnte, wie eine Bewegung zustande kommen soll.1

Nach Platon bestehen die Körper aus Elementarflächen und
zwar aus Dreiecken; schwer ist dann dasjenige, was mehr,
leicht, was weniger solche Dreiecke enthält. Diese Annahme
erklärt Aristoteles -- abgesehen von der Unmöglichkeit, daß
ein Körper aus Flächen bestehen soll -- darum für falsch, weil
alsdann eine große Menge Feuer schwerer sein würde, als eine
kleine Menge Erde; denn erstere könnte so groß genommen
werden, daß sie mehr Dreiecke enthält als letztere. Nun aber,
meint er, zeigt sich das Gegenteil; je mehr Feuer vorhanden
ist, um so leichter ist es (um so mehr nämlich strebt es in die
Höhe). Das Feuer hat absolut keine Schwere.

Besser als diese Erklärung läßt sich freilich die Ansicht
derjenigen hören (der Atomisten), welche nicht Flächen, sondern
Körperliches als Elementarteile betrachten. Da man nämlich
bemerkte, daß Körper bei größerem Volumen doch mitunter
ein geringeres Gewicht als solche von kleinerem Umfange haben,
so behaupten sie, das Leere mache die Körper, indem es in
dieselben eingeschlossen sei, leicht und bewirke zuweilen, daß
Größeres leichter sei als Kleineres, weil es viel Leeres in sich
enthalte. Dabei muß jedoch das Verhältnis des Leeren zum
Vollen sorgfältiger berücksichtigt werden. Sonst könnte z. B.
im Vergleich mit wenig Feuer vieles Gold mehr Leeres ent-
halten, und darum leichter sein; es kommt also auf die Menge
des Körperhaften an. Aber wenn man den Nachdruck nur auf
die Menge des Körperhaften legt, so hat man wieder die
Schwierigkeit, daß es eine Menge Feuer geben muß, welche ihrer
Größe wegen mehr Körperhaftes enthält als eine kleine Menge Erde

1 Eingehender äußert er sich kritisch über die Theorien der Schwere im
1. u. 2. Kap. des 4. Buches De coelo.
Aristoteles: Schwere atomistisch nicht erklärbar.

Nach Demokrit fallen die Atome alle nach unten, die
größeren schneller als die kleineren. Dadurch finde ein Zu-
sammenstoßen derselben statt, infolgedessen die kleineren
Atome nach oben getrieben werden.

Dagegen wendet Aristoteles, wie bereits erwähnt, ein,
daß es im leeren Raume kein Oben oder Unten gäbe, mithin
keine natürliche Bewegung, kein Leichter und Schwerer —
Alles müsse gleich rasch fallen, wenn man überhaupt einsehen
könnte, wie eine Bewegung zustande kommen soll.1

Nach Platon bestehen die Körper aus Elementarflächen und
zwar aus Dreiecken; schwer ist dann dasjenige, was mehr,
leicht, was weniger solche Dreiecke enthält. Diese Annahme
erklärt Aristoteles — abgesehen von der Unmöglichkeit, daß
ein Körper aus Flächen bestehen soll — darum für falsch, weil
alsdann eine große Menge Feuer schwerer sein würde, als eine
kleine Menge Erde; denn erstere könnte so groß genommen
werden, daß sie mehr Dreiecke enthält als letztere. Nun aber,
meint er, zeigt sich das Gegenteil; je mehr Feuer vorhanden
ist, um so leichter ist es (um so mehr nämlich strebt es in die
Höhe). Das Feuer hat absolut keine Schwere.

Besser als diese Erklärung läßt sich freilich die Ansicht
derjenigen hören (der Atomisten), welche nicht Flächen, sondern
Körperliches als Elementarteile betrachten. Da man nämlich
bemerkte, daß Körper bei größerem Volumen doch mitunter
ein geringeres Gewicht als solche von kleinerem Umfange haben,
so behaupten sie, das Leere mache die Körper, indem es in
dieselben eingeschlossen sei, leicht und bewirke zuweilen, daß
Größeres leichter sei als Kleineres, weil es viel Leeres in sich
enthalte. Dabei muß jedoch das Verhältnis des Leeren zum
Vollen sorgfältiger berücksichtigt werden. Sonst könnte z. B.
im Vergleich mit wenig Feuer vieles Gold mehr Leeres ent-
halten, und darum leichter sein; es kommt also auf die Menge
des Körperhaften an. Aber wenn man den Nachdruck nur auf
die Menge des Körperhaften legt, so hat man wieder die
Schwierigkeit, daß es eine Menge Feuer geben muß, welche ihrer
Größe wegen mehr Körperhaftes enthält als eine kleine Menge Erde

1 Eingehender äußert er sich kritisch über die Theorien der Schwere im
1. u. 2. Kap. des 4. Buches De coelo.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0128" n="110"/>
                <fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">Aristoteles</hi>: Schwere atomistisch nicht erklärbar.</fw><lb/>
                <p>Nach <hi rendition="#k">Demokrit</hi> fallen die Atome alle nach unten, die<lb/>
größeren schneller als die kleineren. Dadurch finde ein Zu-<lb/>
sammenstoßen derselben statt, infolgedessen die kleineren<lb/>
Atome nach oben getrieben werden.</p><lb/>
                <p>Dagegen wendet <hi rendition="#k">Aristoteles</hi>, wie bereits erwähnt, ein,<lb/>
daß es im leeren Raume kein Oben oder Unten gäbe, mithin<lb/>
keine natürliche Bewegung, kein Leichter und Schwerer &#x2014;<lb/>
Alles müsse gleich rasch fallen, wenn man überhaupt einsehen<lb/>
könnte, wie eine Bewegung zustande kommen soll.<note place="foot" n="1">Eingehender äußert er sich kritisch über die Theorien der Schwere im<lb/>
1. u. 2. Kap. des 4. Buches <hi rendition="#i">De coelo.</hi></note></p><lb/>
                <p>Nach <hi rendition="#k">Platon</hi> bestehen die Körper aus Elementarflächen und<lb/>
zwar aus Dreiecken; schwer ist dann dasjenige, was mehr,<lb/>
leicht, was weniger solche Dreiecke enthält. Diese Annahme<lb/>
erklärt <hi rendition="#k">Aristoteles</hi> &#x2014; abgesehen von der Unmöglichkeit, daß<lb/>
ein Körper aus Flächen bestehen soll &#x2014; darum für falsch, weil<lb/>
alsdann eine große Menge Feuer schwerer sein würde, als eine<lb/>
kleine Menge Erde; denn erstere könnte so groß genommen<lb/>
werden, daß sie mehr Dreiecke enthält als letztere. Nun aber,<lb/>
meint er, zeigt sich das Gegenteil; je mehr Feuer vorhanden<lb/>
ist, um so leichter ist es (um so mehr nämlich strebt es in die<lb/>
Höhe). Das Feuer hat absolut keine Schwere.</p><lb/>
                <p>Besser als diese Erklärung läßt sich freilich die Ansicht<lb/>
derjenigen hören (der Atomisten), welche nicht Flächen, sondern<lb/>
Körperliches als Elementarteile betrachten. Da man nämlich<lb/>
bemerkte, daß Körper bei größerem Volumen doch mitunter<lb/>
ein geringeres Gewicht als solche von kleinerem Umfange haben,<lb/>
so behaupten sie, das Leere mache die Körper, indem es in<lb/>
dieselben eingeschlossen sei, leicht und bewirke zuweilen, daß<lb/>
Größeres leichter sei als Kleineres, weil es viel Leeres in sich<lb/>
enthalte. Dabei muß jedoch das Verhältnis des Leeren zum<lb/>
Vollen sorgfältiger berücksichtigt werden. Sonst könnte z. B.<lb/>
im Vergleich mit wenig Feuer vieles Gold mehr Leeres ent-<lb/>
halten, und darum leichter sein; es kommt also auf die Menge<lb/>
des Körperhaften an. Aber wenn man den Nachdruck nur auf<lb/>
die Menge des Körperhaften legt, so hat man wieder die<lb/>
Schwierigkeit, daß es eine Menge Feuer geben muß, welche ihrer<lb/>
Größe wegen mehr Körperhaftes enthält als eine kleine Menge Erde<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0128] Aristoteles: Schwere atomistisch nicht erklärbar. Nach Demokrit fallen die Atome alle nach unten, die größeren schneller als die kleineren. Dadurch finde ein Zu- sammenstoßen derselben statt, infolgedessen die kleineren Atome nach oben getrieben werden. Dagegen wendet Aristoteles, wie bereits erwähnt, ein, daß es im leeren Raume kein Oben oder Unten gäbe, mithin keine natürliche Bewegung, kein Leichter und Schwerer — Alles müsse gleich rasch fallen, wenn man überhaupt einsehen könnte, wie eine Bewegung zustande kommen soll. 1 Nach Platon bestehen die Körper aus Elementarflächen und zwar aus Dreiecken; schwer ist dann dasjenige, was mehr, leicht, was weniger solche Dreiecke enthält. Diese Annahme erklärt Aristoteles — abgesehen von der Unmöglichkeit, daß ein Körper aus Flächen bestehen soll — darum für falsch, weil alsdann eine große Menge Feuer schwerer sein würde, als eine kleine Menge Erde; denn erstere könnte so groß genommen werden, daß sie mehr Dreiecke enthält als letztere. Nun aber, meint er, zeigt sich das Gegenteil; je mehr Feuer vorhanden ist, um so leichter ist es (um so mehr nämlich strebt es in die Höhe). Das Feuer hat absolut keine Schwere. Besser als diese Erklärung läßt sich freilich die Ansicht derjenigen hören (der Atomisten), welche nicht Flächen, sondern Körperliches als Elementarteile betrachten. Da man nämlich bemerkte, daß Körper bei größerem Volumen doch mitunter ein geringeres Gewicht als solche von kleinerem Umfange haben, so behaupten sie, das Leere mache die Körper, indem es in dieselben eingeschlossen sei, leicht und bewirke zuweilen, daß Größeres leichter sei als Kleineres, weil es viel Leeres in sich enthalte. Dabei muß jedoch das Verhältnis des Leeren zum Vollen sorgfältiger berücksichtigt werden. Sonst könnte z. B. im Vergleich mit wenig Feuer vieles Gold mehr Leeres ent- halten, und darum leichter sein; es kommt also auf die Menge des Körperhaften an. Aber wenn man den Nachdruck nur auf die Menge des Körperhaften legt, so hat man wieder die Schwierigkeit, daß es eine Menge Feuer geben muß, welche ihrer Größe wegen mehr Körperhaftes enthält als eine kleine Menge Erde 1 Eingehender äußert er sich kritisch über die Theorien der Schwere im 1. u. 2. Kap. des 4. Buches De coelo.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/128
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/128>, abgerufen am 24.11.2024.