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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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erfüllen, sie können nicht den Zweck haben, den die Vorur-
theile des Augenblicks ihnen zuweisen!

Damit Herr v. Unruh und Herr von Vinke mit dem Könige
keifen können und den Ministern, und hommes d'importance,
Männer von Wichtigkeit, für diese zu sein sich schmeicheln dürfen,
dazu sind diese Umwälzungen nicht eingetreten! Damit die
große Bourgeoisie, die Spitze jener 44,407, zu ihren Landhäusern,
Theaterlogen, Maitressen und andern Genüssen auch noch die
Eitelkeit der Selbstregierung hinzufügen und sich in parlamen-
tarischen Reden das Vergnügen öffentlicher Schaustellung geben
kann -- dazu kann und darf so viel Blut nicht geflossen, so-
viel Qualen nicht hervorgebracht, soviel Convulsionen nicht
durchgemacht worden sein, deren Resultat der Gesellschaft dann
nicht entfernt die verlorene Ruhe vergüten würde!

Soll ich Jhnen den letzten Extract langer und müh-
seliger Studien in einen Einzigen Satz, in das gemein-
same Ergebniß meiner Forschungen in den verschiedensten Zwei-
gen historischer Wissenschaften zusammenfassen, so lautet dieser
Satz also:

Von zwei Dingen Eines. Entweder lassen Sie uns Cyper-
wein trinken und schöne Mädchen küssen, also nur dem gewöhn-
lichsten Genußegoismus fröhnen -- oder aber, wenn wir von
Staat und Sittlichkeit sprechen wollen, so lassen Sie uns
alle unsere Kräfte der Verbesserung des dunkeln Looses der un-
endlichen Mehrheit des Menschengeschlechts weihen, aus deren
nachtbedeckten Fluthen wir Besitzende nur hervorragen wie ein-
zelne Pfeiler, gleichsam um zu zeigen, wie dunkel jene Fluth,
wie tief ihr Abgrund sei!

Und ich bin nicht der Einzige, meine Herren, den seine
Studien zu diesem Endresultate geführt haben.

Hören Sie die melancholischen Worte, in die nach langem
Kampf mit sich selber John Stuart Mill, der glänzendste jetzt
lebende Repräsentant der Ricardo'schen Schule, also der tiefsten
und wissenschaftlichsten Richtung der Bourgeois-Oekonomie, aus-
bricht: "Wenn die große Masse des Menschengeschlechts -- sagt
er Bd. I. p. 377 -- immer so bleiben sollte, wie sie gegen-
wärtig ist, in der Sklaverei mühseliger Arbeit, an der sie kein
Jnteresse hat und für welche sie also auch kein Jnteresse fühlt,
sich von früh morgens bis spät in die Nacht abquälend, um sich
nur den nothwendigen Lebensbedarf zu verschaffen, mit all den

erfüllen, ſie können nicht den Zweck haben, den die Vorur-
theile des Augenblicks ihnen zuweiſen!

Damit Herr v. Unruh und Herr von Vinke mit dem Könige
keifen können und den Miniſtern, und hommes d’importance,
Männer von Wichtigkeit, für dieſe zu ſein ſich ſchmeicheln dürfen,
dazu ſind dieſe Umwälzungen nicht eingetreten! Damit die
große Bourgeoiſie, die Spitze jener 44,407, zu ihren Landhäuſern,
Theaterlogen, Maitreſſen und andern Genüſſen auch noch die
Eitelkeit der Selbſtregierung hinzufügen und ſich in parlamen-
tariſchen Reden das Vergnügen öffentlicher Schauſtellung geben
kann — dazu kann und darf ſo viel Blut nicht gefloſſen, ſo-
viel Qualen nicht hervorgebracht, ſoviel Convulſionen nicht
durchgemacht worden ſein, deren Reſultat der Geſellſchaft dann
nicht entfernt die verlorene Ruhe vergüten würde!

Soll ich Jhnen den letzten Extract langer und müh-
ſeliger Studien in einen Einzigen Satz, in das gemein-
ſame Ergebniß meiner Forſchungen in den verſchiedenſten Zwei-
gen hiſtoriſcher Wiſſenſchaften zuſammenfaſſen, ſo lautet dieſer
Satz alſo:

Von zwei Dingen Eines. Entweder laſſen Sie uns Cyper-
wein trinken und ſchöne Mädchen küſſen, alſo nur dem gewöhn-
lichſten Genußegoismus fröhnen — oder aber, wenn wir von
Staat und Sittlichkeit ſprechen wollen, ſo laſſen Sie uns
alle unſere Kräfte der Verbeſſerung des dunkeln Looſes der un-
endlichen Mehrheit des Menſchengeſchlechts weihen, aus deren
nachtbedeckten Fluthen wir Beſitzende nur hervorragen wie ein-
zelne Pfeiler, gleichſam um zu zeigen, wie dunkel jene Fluth,
wie tief ihr Abgrund ſei!

Und ich bin nicht der Einzige, meine Herren, den ſeine
Studien zu dieſem Endreſultate geführt haben.

Hören Sie die melancholiſchen Worte, in die nach langem
Kampf mit ſich ſelber John Stuart Mill, der glänzendſte jetzt
lebende Repräſentant der Ricardo’ſchen Schule, alſo der tiefſten
und wiſſenſchaftlichſten Richtung der Bourgeois-Oekonomie, aus-
bricht: „Wenn die große Maſſe des Menſchengeſchlechts — ſagt
er Bd. I. p. 377 — immer ſo bleiben ſollte, wie ſie gegen-
wärtig iſt, in der Sklaverei mühſeliger Arbeit, an der ſie kein
Jntereſſe hat und für welche ſie alſo auch kein Jntereſſe fühlt,
ſich von früh morgens bis ſpät in die Nacht abquälend, um ſich
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[88/0094] erfüllen, ſie können nicht den Zweck haben, den die Vorur- theile des Augenblicks ihnen zuweiſen! Damit Herr v. Unruh und Herr von Vinke mit dem Könige keifen können und den Miniſtern, und hommes d’importance, Männer von Wichtigkeit, für dieſe zu ſein ſich ſchmeicheln dürfen, dazu ſind dieſe Umwälzungen nicht eingetreten! Damit die große Bourgeoiſie, die Spitze jener 44,407, zu ihren Landhäuſern, Theaterlogen, Maitreſſen und andern Genüſſen auch noch die Eitelkeit der Selbſtregierung hinzufügen und ſich in parlamen- tariſchen Reden das Vergnügen öffentlicher Schauſtellung geben kann — dazu kann und darf ſo viel Blut nicht gefloſſen, ſo- viel Qualen nicht hervorgebracht, ſoviel Convulſionen nicht durchgemacht worden ſein, deren Reſultat der Geſellſchaft dann nicht entfernt die verlorene Ruhe vergüten würde! Soll ich Jhnen den letzten Extract langer und müh- ſeliger Studien in einen Einzigen Satz, in das gemein- ſame Ergebniß meiner Forſchungen in den verſchiedenſten Zwei- gen hiſtoriſcher Wiſſenſchaften zuſammenfaſſen, ſo lautet dieſer Satz alſo: Von zwei Dingen Eines. Entweder laſſen Sie uns Cyper- wein trinken und ſchöne Mädchen küſſen, alſo nur dem gewöhn- lichſten Genußegoismus fröhnen — oder aber, wenn wir von Staat und Sittlichkeit ſprechen wollen, ſo laſſen Sie uns alle unſere Kräfte der Verbeſſerung des dunkeln Looſes der un- endlichen Mehrheit des Menſchengeſchlechts weihen, aus deren nachtbedeckten Fluthen wir Beſitzende nur hervorragen wie ein- zelne Pfeiler, gleichſam um zu zeigen, wie dunkel jene Fluth, wie tief ihr Abgrund ſei! Und ich bin nicht der Einzige, meine Herren, den ſeine Studien zu dieſem Endreſultate geführt haben. Hören Sie die melancholiſchen Worte, in die nach langem Kampf mit ſich ſelber John Stuart Mill, der glänzendſte jetzt lebende Repräſentant der Ricardo’ſchen Schule, alſo der tiefſten und wiſſenſchaftlichſten Richtung der Bourgeois-Oekonomie, aus- bricht: „Wenn die große Maſſe des Menſchengeſchlechts — ſagt er Bd. I. p. 377 — immer ſo bleiben ſollte, wie ſie gegen- wärtig iſt, in der Sklaverei mühſeliger Arbeit, an der ſie kein Jntereſſe hat und für welche ſie alſo auch kein Jntereſſe fühlt, ſich von früh morgens bis ſpät in die Nacht abquälend, um ſich nur den nothwendigen Lebensbedarf zu verſchaffen, mit all den

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/94>, abgerufen am 05.12.2024.