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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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Arbeiterstand hat -- und auch das Handwerk folgt bei größerem
Betrieb immer mehr diesem Beispiel -- seit langer Zeit aufge-
hört am Tische seines Arbeitsherrn zu essen, und auch auf dem
Lande greift der Geldlohn mehr und mehr um sich.

Jch gehe jetzt zu dem dritten Grunde über, warum jene
Ansicht von Smith und Ricardo nothwendig und unbedingt
falsch ist. Derselbe besteht in dem directen offenen Widerspruch,
in welchem sich diese Männer hierin mit sich selbst befinden.

Die bei Thee oder Kaffee, Tabak, Bier, Seife, Spirituosen,
Licht etc. durch darauf gelegte Steuern hervorgerufene Preis-
steigerung soll nach Smith und Ricardo keinen höheren Ar-
beitslohn zur Folge haben, obgleich diese Dinge nach ihnen
selbst tägliche und regelmäßige Bedürfnisse der Arbeiterklasse
sind; hier sollen sie die Preissteigerung nicht auf den Unter-
nehmer durch Steigerung des Arbeitslohnes überwälzen können.
Bei den absolut nothwendigen Lebensbedürfnissen aber, beim
Getreide, sollen sie dies können. Der Unterschied, der
zwischen beiden Fällen zunächst vorhanden zu sein scheint, ver-
schwindet sofort und wenn sie es in dem einen Falle nicht können,
werden sie es auch in dem andern nicht. Der Grund, warum
sie es angeblich beim Steigen des Getreidepreises können, soll
eben darin liegen, daß dies zum Lebensunterhalt unentbehrlich
nothwendig ist. Aber dieser Grund wird keine andere Wirkung
hervorbringen, als daß der Arbeiter die vom Staat auf das Ge-
treide
gelegte Steuer für seine Privatwirthschaft in
eine auf Thee, Kaffee, Tabak, Bier, Seife, Licht etc. gelegte
Steuer umwandelt; mit andern Worten, der Arbeiter wird
an Getreide, trotz des gestiegenen Preises, nicht weniger
consumiren. Aber er wird dafür an jenen andern Gegenständen
seines üblichen Consums, Kaffee, Tabak, Bier etc. sich soviel ab-
brechen, als die Steigerung des Getreidepreises beträgt. Und
folglich trifft die Getreidesteuer ihn, drückt auf ihn und drückt
seinen standard of life hinunter.

Es könnten noch tiefere und entscheidendere Gründe von
mir entwickelt werden. Aber dazu müßte ich eben in die ganze
Tiefe der nationalökonomischen Theorie hinabsteigen, was hier
nicht am Orte wäre und deshalb nicht meine Absicht ist. Die
entwickelten drei Gründe genügen dreimal um Jhnen zu zeigen,
daß es sich mit den Getreidesteuern und dem dadurch gesteigerten
Getreidepreis hierin nur ganz eben so verhält, wie mit den Steuern

Arbeiterſtand hat — und auch das Handwerk folgt bei größerem
Betrieb immer mehr dieſem Beiſpiel — ſeit langer Zeit aufge-
hört am Tiſche ſeines Arbeitsherrn zu eſſen, und auch auf dem
Lande greift der Geldlohn mehr und mehr um ſich.

Jch gehe jetzt zu dem dritten Grunde über, warum jene
Anſicht von Smith und Ricardo nothwendig und unbedingt
falſch iſt. Derſelbe beſteht in dem directen offenen Widerſpruch,
in welchem ſich dieſe Männer hierin mit ſich ſelbſt befinden.

Die bei Thee oder Kaffee, Tabak, Bier, Seife, Spirituoſen,
Licht ꝛc. durch darauf gelegte Steuern hervorgerufene Preis-
ſteigerung ſoll nach Smith und Ricardo keinen höheren Ar-
beitslohn zur Folge haben, obgleich dieſe Dinge nach ihnen
ſelbſt tägliche und regelmäßige Bedürfniſſe der Arbeiterklaſſe
ſind; hier ſollen ſie die Preisſteigerung nicht auf den Unter-
nehmer durch Steigerung des Arbeitslohnes überwälzen können.
Bei den abſolut nothwendigen Lebensbedürfniſſen aber, beim
Getreide, ſollen ſie dies können. Der Unterſchied, der
zwiſchen beiden Fällen zunächſt vorhanden zu ſein ſcheint, ver-
ſchwindet ſofort und wenn ſie es in dem einen Falle nicht können,
werden ſie es auch in dem andern nicht. Der Grund, warum
ſie es angeblich beim Steigen des Getreidepreiſes können, ſoll
eben darin liegen, daß dies zum Lebensunterhalt unentbehrlich
nothwendig iſt. Aber dieſer Grund wird keine andere Wirkung
hervorbringen, als daß der Arbeiter die vom Staat auf das Ge-
treide
gelegte Steuer für ſeine Privatwirthſchaft in
eine auf Thee, Kaffee, Tabak, Bier, Seife, Licht ꝛc. gelegte
Steuer umwandelt; mit andern Worten, der Arbeiter wird
an Getreide, trotz des geſtiegenen Preiſes, nicht weniger
conſumiren. Aber er wird dafür an jenen andern Gegenſtänden
ſeines üblichen Conſums, Kaffee, Tabak, Bier ꝛc. ſich ſoviel ab-
brechen, als die Steigerung des Getreidepreiſes beträgt. Und
folglich trifft die Getreideſteuer ihn, drückt auf ihn und drückt
ſeinen standard of life hinunter.

Es könnten noch tiefere und entſcheidendere Gründe von
mir entwickelt werden. Aber dazu müßte ich eben in die ganze
Tiefe der nationalökonomiſchen Theorie hinabſteigen, was hier
nicht am Orte wäre und deshalb nicht meine Abſicht iſt. Die
entwickelten drei Gründe genügen dreimal um Jhnen zu zeigen,
daß es ſich mit den Getreideſteuern und dem dadurch geſteigerten
Getreidepreis hierin nur ganz eben ſo verhält, wie mit den Steuern

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[45/0051] Arbeiterſtand hat — und auch das Handwerk folgt bei größerem Betrieb immer mehr dieſem Beiſpiel — ſeit langer Zeit aufge- hört am Tiſche ſeines Arbeitsherrn zu eſſen, und auch auf dem Lande greift der Geldlohn mehr und mehr um ſich. Jch gehe jetzt zu dem dritten Grunde über, warum jene Anſicht von Smith und Ricardo nothwendig und unbedingt falſch iſt. Derſelbe beſteht in dem directen offenen Widerſpruch, in welchem ſich dieſe Männer hierin mit ſich ſelbſt befinden. Die bei Thee oder Kaffee, Tabak, Bier, Seife, Spirituoſen, Licht ꝛc. durch darauf gelegte Steuern hervorgerufene Preis- ſteigerung ſoll nach Smith und Ricardo keinen höheren Ar- beitslohn zur Folge haben, obgleich dieſe Dinge nach ihnen ſelbſt tägliche und regelmäßige Bedürfniſſe der Arbeiterklaſſe ſind; hier ſollen ſie die Preisſteigerung nicht auf den Unter- nehmer durch Steigerung des Arbeitslohnes überwälzen können. Bei den abſolut nothwendigen Lebensbedürfniſſen aber, beim Getreide, ſollen ſie dies können. Der Unterſchied, der zwiſchen beiden Fällen zunächſt vorhanden zu ſein ſcheint, ver- ſchwindet ſofort und wenn ſie es in dem einen Falle nicht können, werden ſie es auch in dem andern nicht. Der Grund, warum ſie es angeblich beim Steigen des Getreidepreiſes können, ſoll eben darin liegen, daß dies zum Lebensunterhalt unentbehrlich nothwendig iſt. Aber dieſer Grund wird keine andere Wirkung hervorbringen, als daß der Arbeiter die vom Staat auf das Ge- treide gelegte Steuer für ſeine Privatwirthſchaft in eine auf Thee, Kaffee, Tabak, Bier, Seife, Licht ꝛc. gelegte Steuer umwandelt; mit andern Worten, der Arbeiter wird an Getreide, trotz des geſtiegenen Preiſes, nicht weniger conſumiren. Aber er wird dafür an jenen andern Gegenſtänden ſeines üblichen Conſums, Kaffee, Tabak, Bier ꝛc. ſich ſoviel ab- brechen, als die Steigerung des Getreidepreiſes beträgt. Und folglich trifft die Getreideſteuer ihn, drückt auf ihn und drückt ſeinen standard of life hinunter. Es könnten noch tiefere und entſcheidendere Gründe von mir entwickelt werden. Aber dazu müßte ich eben in die ganze Tiefe der nationalökonomiſchen Theorie hinabſteigen, was hier nicht am Orte wäre und deshalb nicht meine Abſicht iſt. Die entwickelten drei Gründe genügen dreimal um Jhnen zu zeigen, daß es ſich mit den Getreideſteuern und dem dadurch geſteigerten Getreidepreis hierin nur ganz eben ſo verhält, wie mit den Steuern

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/51>, abgerufen am 04.12.2024.