[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.Trägheit und Unlust über alle Bewegun- gen meiner muntern Fibern aus. Sie ist nicht mehr die Creatur, die ich liebte; ich bin also auch nicht mehr verbunden, das zu bleiben, was ich ihr damals zu seyn schien. -- Sie selbst hat mir den Weg gebahnt, auf welchem ich ihren Fes- seln entfliehen werde. Der Tod meines Bruders stimmt ohnehin die Saiten mei- ner Leyer auf einen andern Ton; Jch muß vielleicht bald nach England zurücke, und dann kann Seymour sein Glücke bey meiner Witwe versuchen; denn ich denke, sie wird's bald seyn; und bloß ih- rem eigenen Betragen wird sie dieß zu danken haben. Da sie sich für meine Ehefrau hält, war es nicht ihre Pflicht, sich in allem nach meinem Sinne zu schi- cken? Hat sie diese Pflicht nicht gänzlich aus den Augen gesetzt? Liebt sie nicht so gar einen andern? Und ist es also nicht billig und recht, daß der Betrug, den ihr Ehrgeiz an mir begangen, auch durch mich an ihrem Ehrgeiz gerächet werde? Freu- dig
Traͤgheit und Unluſt uͤber alle Bewegun- gen meiner muntern Fibern aus. Sie iſt nicht mehr die Creatur, die ich liebte; ich bin alſo auch nicht mehr verbunden, das zu bleiben, was ich ihr damals zu ſeyn ſchien. — Sie ſelbſt hat mir den Weg gebahnt, auf welchem ich ihren Feſ- ſeln entfliehen werde. Der Tod meines Bruders ſtimmt ohnehin die Saiten mei- ner Leyer auf einen andern Ton; Jch muß vielleicht bald nach England zuruͤcke, und dann kann Seymour ſein Gluͤcke bey meiner Witwe verſuchen; denn ich denke, ſie wird’s bald ſeyn; und bloß ih- rem eigenen Betragen wird ſie dieß zu danken haben. Da ſie ſich fuͤr meine Ehefrau haͤlt, war es nicht ihre Pflicht, ſich in allem nach meinem Sinne zu ſchi- cken? Hat ſie dieſe Pflicht nicht gaͤnzlich aus den Augen geſetzt? Liebt ſie nicht ſo gar einen andern? Und iſt es alſo nicht billig und recht, daß der Betrug, den ihr Ehrgeiz an mir begangen, auch durch mich an ihrem Ehrgeiz geraͤchet werde? Freu- dig
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ganzes Weſen durchdrungen, und gießt
Traͤgheit und Unluſt uͤber alle Bewegun-
gen meiner muntern Fibern aus. Sie
iſt nicht mehr die Creatur, die ich liebte;
ich bin alſo auch nicht mehr verbunden,
das zu bleiben, was ich ihr damals zu
ſeyn ſchien. — Sie ſelbſt hat mir den
Weg gebahnt, auf welchem ich ihren Feſ-
ſeln entfliehen werde. Der Tod meines
Bruders ſtimmt ohnehin die Saiten mei-
ner Leyer auf einen andern Ton; Jch muß
vielleicht bald nach England zuruͤcke, und
dann kann Seymour ſein Gluͤcke bey
meiner Witwe verſuchen; denn ich
denke, ſie wird’s bald ſeyn; und bloß ih-
rem eigenen Betragen wird ſie dieß zu
danken haben. Da ſie ſich fuͤr meine
Ehefrau haͤlt, war es nicht ihre Pflicht,
ſich in allem nach meinem Sinne zu ſchi-
cken? Hat ſie dieſe Pflicht nicht gaͤnzlich
aus den Augen geſetzt? Liebt ſie nicht ſo
gar einen andern? Und iſt es alſo nicht
billig und recht, daß der Betrug, den ihr
Ehrgeiz an mir begangen, auch durch mich
an ihrem Ehrgeiz geraͤchet werde? Freu-
dig
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