[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.liche Gute zu thun. Jch erkundigte mich nach den Armen des Orts, und suchte ih- nen Erleichterung zu schaffen. Bey die- ser Gelegenheit, sagte mir die gute Rosina, von zwoen Nichten der Wirthinn, armen verwaißten Mädchen, die der Wirth haß- te, und auch seiner Frau, deren Schwe- ster-Töchter sie sind, wegen dem wenigen, so sie genießen, sehr übel begegnete. Jch ließ sie zu mir kommen, forschte ihre Nei- gungen aus, und was jede schon gelernt hätte, oder noch lernen möchte; beyde wollten die Künste der Jungfer Rosine wissen; ich theilte mich also mit ihr in dem Unterricht der guten Kinder; ich ließ auch beyde kleiden, und sie kamen gleich den andern Tag, um meinem Anziehen zuzusehen. Vierzehn Tage darauf be- dienten sie mich wechselsweise. Jch rede- te ihnen von den Pflichten des Standes, in welchen Gott sie, und von denen, in welchen er mich gesetzt habe, und brachte es so weit, daß sie sich viel glücklicher achteten, Kammerjungfern, als Damen zu
liche Gute zu thun. Jch erkundigte mich nach den Armen des Orts, und ſuchte ih- nen Erleichterung zu ſchaffen. Bey die- ſer Gelegenheit, ſagte mir die gute Roſina, von zwoen Nichten der Wirthinn, armen verwaißten Maͤdchen, die der Wirth haß- te, und auch ſeiner Frau, deren Schwe- ſter-Toͤchter ſie ſind, wegen dem wenigen, ſo ſie genießen, ſehr uͤbel begegnete. Jch ließ ſie zu mir kommen, forſchte ihre Nei- gungen aus, und was jede ſchon gelernt haͤtte, oder noch lernen moͤchte; beyde wollten die Kuͤnſte der Jungfer Roſine wiſſen; ich theilte mich alſo mit ihr in dem Unterricht der guten Kinder; ich ließ auch beyde kleiden, und ſie kamen gleich den andern Tag, um meinem Anziehen zuzuſehen. Vierzehn Tage darauf be- dienten ſie mich wechſelsweiſe. Jch rede- te ihnen von den Pflichten des Standes, in welchen Gott ſie, und von denen, in welchen er mich geſetzt habe, und brachte es ſo weit, daß ſie ſich viel gluͤcklicher achteten, Kammerjungfern, als Damen zu
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meinen uͤbrigen Nebenmenſchen alles moͤg-
liche Gute zu thun. Jch erkundigte mich
nach den Armen des Orts, und ſuchte ih-
nen Erleichterung zu ſchaffen. Bey die-
ſer Gelegenheit, ſagte mir die gute Roſina,
von zwoen Nichten der Wirthinn, armen
verwaißten Maͤdchen, die der Wirth haß-
te, und auch ſeiner Frau, deren Schwe-
ſter-Toͤchter ſie ſind, wegen dem wenigen,
ſo ſie genießen, ſehr uͤbel begegnete. Jch
ließ ſie zu mir kommen, forſchte ihre Nei-
gungen aus, und was jede ſchon gelernt
haͤtte, oder noch lernen moͤchte; beyde
wollten die Kuͤnſte der Jungfer Roſine
wiſſen; ich theilte mich alſo mit ihr in
dem Unterricht der guten Kinder; ich ließ
auch beyde kleiden, und ſie kamen gleich
den andern Tag, um meinem Anziehen
zuzuſehen. Vierzehn Tage darauf be-
dienten ſie mich wechſelsweiſe. Jch rede-
te ihnen von den Pflichten des Standes,
in welchen Gott ſie, und von denen, in
welchen er mich geſetzt habe, und brachte
es ſo weit, daß ſie ſich viel gluͤcklicher
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