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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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"Erlaubniß bringen zu hoffen." Mit
thränenden Augen sah der würdige Mann
mich an; eine Zähre der meinigen fiel
ihm auf seine Hand; er betrachtete sie mit
inniger Rührnng; als aber das anfan-
gende Zittern seiner Hände sich bewegte, so
küßte er sie hinweg, und seine Blicke blie-
ben einige Minnten auf die Erde geheftet.
Jch nahm das Original meiner Briefe und
des Tagebuchs, und reichte es ihm mit
der Anrede: Nehmen sie dieses, würdig-
ster Mann, was Sie das Urbild meiner
Seele nennen zum Unterpfand der zärtli-
chen und reinen Freundschaft! -- Meine
Schwester, fiel er mir ins Wort. -- Keine
List, Lord Rich! Jch will ohne Kunst wer-
den, was Sie so sehnlich wünschen, daß
ich seyn möge. -- Er ließ sich auf ein
Knie nieder, segnete mich, küßte meine
Hände mit eifriger Zärtlichkeit und eilte
weg. Sagen Sie noch nichts, rief ich
ihm nach, ich bitte Sie. Da war ich
und weinte, und entschloß mich Lady
Seymour zu werden; ich bekräftigte die-
sen Entschluß am Ende eines Gebets an
die göttliche Vorsicht.

Nach-

„Erlaubniß bringen zu hoffen.“ Mit
thraͤnenden Augen ſah der wuͤrdige Mann
mich an; eine Zaͤhre der meinigen fiel
ihm auf ſeine Hand; er betrachtete ſie mit
inniger Ruͤhrnng; als aber das anfan-
gende Zittern ſeiner Haͤnde ſich bewegte, ſo
kuͤßte er ſie hinweg, und ſeine Blicke blie-
ben einige Minnten auf die Erde geheftet.
Jch nahm das Original meiner Briefe und
des Tagebuchs, und reichte es ihm mit
der Anrede: Nehmen ſie dieſes, wuͤrdig-
ſter Mann, was Sie das Urbild meiner
Seele nennen zum Unterpfand der zaͤrtli-
chen und reinen Freundſchaft! — Meine
Schweſter, fiel er mir ins Wort. — Keine
Liſt, Lord Rich! Jch will ohne Kunſt wer-
den, was Sie ſo ſehnlich wuͤnſchen, daß
ich ſeyn moͤge. — Er ließ ſich auf ein
Knie nieder, ſegnete mich, kuͤßte meine
Haͤnde mit eifriger Zaͤrtlichkeit und eilte
weg. Sagen Sie noch nichts, rief ich
ihm nach, ich bitte Sie. Da war ich
und weinte, und entſchloß mich Lady
Seymour zu werden; ich bekraͤftigte die-
ſen Entſchluß am Ende eines Gebets an
die goͤttliche Vorſicht.

Nach-
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[288/0294] „Erlaubniß bringen zu hoffen.“ Mit thraͤnenden Augen ſah der wuͤrdige Mann mich an; eine Zaͤhre der meinigen fiel ihm auf ſeine Hand; er betrachtete ſie mit inniger Ruͤhrnng; als aber das anfan- gende Zittern ſeiner Haͤnde ſich bewegte, ſo kuͤßte er ſie hinweg, und ſeine Blicke blie- ben einige Minnten auf die Erde geheftet. Jch nahm das Original meiner Briefe und des Tagebuchs, und reichte es ihm mit der Anrede: Nehmen ſie dieſes, wuͤrdig- ſter Mann, was Sie das Urbild meiner Seele nennen zum Unterpfand der zaͤrtli- chen und reinen Freundſchaft! — Meine Schweſter, fiel er mir ins Wort. — Keine Liſt, Lord Rich! Jch will ohne Kunſt wer- den, was Sie ſo ſehnlich wuͤnſchen, daß ich ſeyn moͤge. — Er ließ ſich auf ein Knie nieder, ſegnete mich, kuͤßte meine Haͤnde mit eifriger Zaͤrtlichkeit und eilte weg. Sagen Sie noch nichts, rief ich ihm nach, ich bitte Sie. Da war ich und weinte, und entſchloß mich Lady Seymour zu werden; ich bekraͤftigte die- ſen Entſchluß am Ende eines Gebets an die goͤttliche Vorſicht. Nach-

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/294>, abgerufen am 25.11.2024.