rief er, fodre mein Leben, alles, ich kann nicht genug für dich thun! du willt -- du! willt für mich reden? Gott segne dich ewig, mein treuster, mein gütigster Freund!" -- Jch will nichts, liebster Seymour, als sey glücklich, sey deines Glücks würdig! du kennst den ganzen Umfang davon nicht so wie ich; aber ich gönne, ich wünsche dir es, so groß es ist. Die Damen kamen zurück; wir redeten von Tweedale, und unsere Freundinn er- zählte, wie gerührt sie gewesen, Gottes schöne Erde wieder zu sehen. Dann sprach sie von ihrer Entführung und ihren ersten Tagen im Gebürge -- Abends gab sie mir ihre Papiere; ich las sie mit Seymourn durch. O Freund, was für eine Seele mahlt sich darinn! Wie uner- meßlich wäre meine Glückseligkeit gewe- sen! -- Aber ich ersticke meine Wünsche auf ewig. Mein Bruder soll leben! -- Seine Seele kann den Verlust ihrer Hoff- nungen nicht noch einmal ertragen; mei- ne Jahre und Erfahrung werden mir durchhelfen. Seymour muß das Maaß der Zufriedenheit voll haben, sonst genießt
er
rief er, fodre mein Leben, alles, ich kann nicht genug fuͤr dich thun! du willt — du! willt fuͤr mich reden? Gott ſegne dich ewig, mein treuſter, mein guͤtigſter Freund!“ — Jch will nichts, liebſter Seymour, als ſey gluͤcklich, ſey deines Gluͤcks wuͤrdig! du kennſt den ganzen Umfang davon nicht ſo wie ich; aber ich goͤnne, ich wuͤnſche dir es, ſo groß es iſt. Die Damen kamen zuruͤck; wir redeten von Tweedale, und unſere Freundinn er- zaͤhlte, wie geruͤhrt ſie geweſen, Gottes ſchoͤne Erde wieder zu ſehen. Dann ſprach ſie von ihrer Entfuͤhrung und ihren erſten Tagen im Gebuͤrge — Abends gab ſie mir ihre Papiere; ich las ſie mit Seymourn durch. O Freund, was fuͤr eine Seele mahlt ſich darinn! Wie uner- meßlich waͤre meine Gluͤckſeligkeit gewe- ſen! — Aber ich erſticke meine Wuͤnſche auf ewig. Mein Bruder ſoll leben! — Seine Seele kann den Verluſt ihrer Hoff- nungen nicht noch einmal ertragen; mei- ne Jahre und Erfahrung werden mir durchhelfen. Seymour muß das Maaß der Zufriedenheit voll haben, ſonſt genießt
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rief er, fodre mein Leben, alles, ich kann
nicht genug fuͤr dich thun! du willt —
du! willt fuͤr mich reden? Gott ſegne dich
ewig, mein treuſter, mein guͤtigſter
Freund!“ — Jch will nichts, liebſter
Seymour, als ſey gluͤcklich, ſey deines
Gluͤcks wuͤrdig! du kennſt den ganzen
Umfang davon nicht ſo wie ich; aber ich
goͤnne, ich wuͤnſche dir es, ſo groß es iſt.
Die Damen kamen zuruͤck; wir redeten
von Tweedale, und unſere Freundinn er-
zaͤhlte, wie geruͤhrt ſie geweſen, Gottes
ſchoͤne Erde wieder zu ſehen. Dann
ſprach ſie von ihrer Entfuͤhrung und ihren
erſten Tagen im Gebuͤrge — Abends
gab ſie mir ihre Papiere; ich las ſie mit
Seymourn durch. O Freund, was fuͤr
eine Seele mahlt ſich darinn! Wie uner-
meßlich waͤre meine Gluͤckſeligkeit gewe-
ſen! — Aber ich erſticke meine Wuͤnſche
auf ewig. Mein Bruder ſoll leben! —
Seine Seele kann den Verluſt ihrer Hoff-
nungen nicht noch einmal ertragen; mei-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/288>, abgerufen am 22.11.2024.
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