seitdem sie die Tochter des Bleyminen- knechts zu sich genommen, und wie sie gleich gedacht hätte, diese Person müsse eine edle Erziehung haben, und in einer unglücklichen Stunde von ihrer Bestim- mung entfernt worden seyn; zärtliches Mitleiden habe sie eingenommen, beson- ders da sie ihre Sorge für das Kind gese- hen habe, und sie wäre gleich entschlossen gewesen, sie zu sich zu nehmen, wenn sie mit ihrem Bruder zurück gienge; die Krankheit der Dame hätte es aber früher erfodert. Sie freute sich ihrem Herzen gefolgt zu haben. Sie gieng hierauf nach ihrem Gast zu sehen, und wir blieben allein. Gedankenvoll blieb ich sitzen. Seymour kam, und fiel mir mit Weinen um den Hals; Rich! -- lieber Bruder, ich bin mitten im Glück elend, und wer- de es bleiben. -- Jch sehe deine Liebe und deine Verdienste um sie. -- Jch fühle, daß sie misvergnügt mit mir ist; -- sie hat Recht, tausend Recht es zu seyn -- Sie hat Recht dir mehr Ver- trauen, mehr Freundschaft zu zeigen; aber ich fühle es mit einem tödtenden Kum-
mer.
ſeitdem ſie die Tochter des Bleyminen- knechts zu ſich genommen, und wie ſie gleich gedacht haͤtte, dieſe Perſon muͤſſe eine edle Erziehung haben, und in einer ungluͤcklichen Stunde von ihrer Beſtim- mung entfernt worden ſeyn; zaͤrtliches Mitleiden habe ſie eingenommen, beſon- ders da ſie ihre Sorge fuͤr das Kind geſe- hen habe, und ſie waͤre gleich entſchloſſen geweſen, ſie zu ſich zu nehmen, wenn ſie mit ihrem Bruder zuruͤck gienge; die Krankheit der Dame haͤtte es aber fruͤher erfodert. Sie freute ſich ihrem Herzen gefolgt zu haben. Sie gieng hierauf nach ihrem Gaſt zu ſehen, und wir blieben allein. Gedankenvoll blieb ich ſitzen. Seymour kam, und fiel mir mit Weinen um den Hals; Rich! — lieber Bruder, ich bin mitten im Gluͤck elend, und wer- de es bleiben. — Jch ſehe deine Liebe und deine Verdienſte um ſie. — Jch fuͤhle, daß ſie misvergnuͤgt mit mir iſt; — ſie hat Recht, tauſend Recht es zu ſeyn — Sie hat Recht dir mehr Ver- trauen, mehr Freundſchaft zu zeigen; aber ich fuͤhle es mit einem toͤdtenden Kum-
mer.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0286"n="280"/>ſeitdem ſie die Tochter des Bleyminen-<lb/>
knechts zu ſich genommen, und wie ſie<lb/>
gleich gedacht haͤtte, dieſe Perſon muͤſſe<lb/>
eine edle Erziehung haben, und in einer<lb/>
ungluͤcklichen Stunde von ihrer Beſtim-<lb/>
mung entfernt worden ſeyn; zaͤrtliches<lb/>
Mitleiden habe ſie eingenommen, beſon-<lb/>
ders da ſie ihre Sorge fuͤr das Kind geſe-<lb/>
hen habe, und ſie waͤre gleich entſchloſſen<lb/>
geweſen, ſie zu ſich zu nehmen, wenn ſie<lb/>
mit ihrem Bruder zuruͤck gienge; die<lb/>
Krankheit der Dame haͤtte es aber fruͤher<lb/>
erfodert. Sie freute ſich ihrem Herzen<lb/>
gefolgt zu haben. Sie gieng hierauf nach<lb/>
ihrem Gaſt zu ſehen, und wir blieben<lb/>
allein. Gedankenvoll blieb ich ſitzen.<lb/>
Seymour kam, und fiel mir mit Weinen<lb/>
um den Hals; Rich! — lieber Bruder,<lb/>
ich bin mitten im Gluͤck elend, und wer-<lb/>
de es bleiben. — Jch ſehe deine Liebe<lb/>
und deine Verdienſte um ſie. — Jch<lb/>
fuͤhle, daß ſie misvergnuͤgt mit mir<lb/>
iſt; —ſie hat Recht, tauſend Recht es<lb/>
zu ſeyn — Sie hat Recht dir mehr Ver-<lb/>
trauen, mehr Freundſchaft zu zeigen; aber<lb/>
ich fuͤhle es mit einem toͤdtenden Kum-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mer.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[280/0286]
ſeitdem ſie die Tochter des Bleyminen-
knechts zu ſich genommen, und wie ſie
gleich gedacht haͤtte, dieſe Perſon muͤſſe
eine edle Erziehung haben, und in einer
ungluͤcklichen Stunde von ihrer Beſtim-
mung entfernt worden ſeyn; zaͤrtliches
Mitleiden habe ſie eingenommen, beſon-
ders da ſie ihre Sorge fuͤr das Kind geſe-
hen habe, und ſie waͤre gleich entſchloſſen
geweſen, ſie zu ſich zu nehmen, wenn ſie
mit ihrem Bruder zuruͤck gienge; die
Krankheit der Dame haͤtte es aber fruͤher
erfodert. Sie freute ſich ihrem Herzen
gefolgt zu haben. Sie gieng hierauf nach
ihrem Gaſt zu ſehen, und wir blieben
allein. Gedankenvoll blieb ich ſitzen.
Seymour kam, und fiel mir mit Weinen
um den Hals; Rich! — lieber Bruder,
ich bin mitten im Gluͤck elend, und wer-
de es bleiben. — Jch ſehe deine Liebe
und deine Verdienſte um ſie. — Jch
fuͤhle, daß ſie misvergnuͤgt mit mir
iſt; — ſie hat Recht, tauſend Recht es
zu ſeyn — Sie hat Recht dir mehr Ver-
trauen, mehr Freundſchaft zu zeigen; aber
ich fuͤhle es mit einem toͤdtenden Kum-
mer.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/286>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.