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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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lange brauchte er, mich zu besänftigen und
zu dem Versprechen zu bringen, daß ich
nicht reden wollte. -- Er sagte: Derby
liegt auf der Folter der Reue und der
Erinnerung unwiederbringlicher übel ver-
wendeter Lebenstage, wilt du deine Hand
an den Gegenstand des göttlichen Ge-
richts legen? Glaube, mein Bruder, aber
unser Schmerz ist süß gegen die Pein sei-
ner
Seele. -- Mein Herz blutet über
das unglückliche Schicksal der Sternheim;
aber die Tugend und die Natur rächet sie
an ihrem Verfolger; laß mich ihn, ich
bitte dich, noch fragen, was er von uns
gewollt hat; überwinde dich, sey groß-
müthig, sey auch gegen das unglückliche
Laster mitleidig! -- Jch versprachs ihm,
wollte aber bey der Unterredung zugegen
seyn. -- Der elende Mensch heulte, da
wir wieder zu ihm kamen, und foderte,
daß wir nach Schottland reisen, den Kör-
per des Engels ausgraben lassen, und
ihn in einem zinnernen Sarg zu Dumfries
beysetzen lassen sollten. Zwey tausend
Guineen will er auf ihr Grabmal verwen-

den,

lange brauchte er, mich zu beſaͤnftigen und
zu dem Verſprechen zu bringen, daß ich
nicht reden wollte. — Er ſagte: Derby
liegt auf der Folter der Reue und der
Erinnerung unwiederbringlicher uͤbel ver-
wendeter Lebenstage, wilt du deine Hand
an den Gegenſtand des goͤttlichen Ge-
richts legen? Glaube, mein Bruder, aber
unſer Schmerz iſt ſuͤß gegen die Pein ſei-
ner
Seele. — Mein Herz blutet uͤber
das ungluͤckliche Schickſal der Sternheim;
aber die Tugend und die Natur raͤchet ſie
an ihrem Verfolger; laß mich ihn, ich
bitte dich, noch fragen, was er von uns
gewollt hat; uͤberwinde dich, ſey groß-
muͤthig, ſey auch gegen das ungluͤckliche
Laſter mitleidig! — Jch verſprachs ihm,
wollte aber bey der Unterredung zugegen
ſeyn. — Der elende Menſch heulte, da
wir wieder zu ihm kamen, und foderte,
daß wir nach Schottland reiſen, den Koͤr-
per des Engels ausgraben laſſen, und
ihn in einem zinnernen Sarg zu Dumfries
beyſetzen laſſen ſollten. Zwey tauſend
Guineen will er auf ihr Grabmal verwen-

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[254/0260] lange brauchte er, mich zu beſaͤnftigen und zu dem Verſprechen zu bringen, daß ich nicht reden wollte. — Er ſagte: Derby liegt auf der Folter der Reue und der Erinnerung unwiederbringlicher uͤbel ver- wendeter Lebenstage, wilt du deine Hand an den Gegenſtand des goͤttlichen Ge- richts legen? Glaube, mein Bruder, aber unſer Schmerz iſt ſuͤß gegen die Pein ſei- ner Seele. — Mein Herz blutet uͤber das ungluͤckliche Schickſal der Sternheim; aber die Tugend und die Natur raͤchet ſie an ihrem Verfolger; laß mich ihn, ich bitte dich, noch fragen, was er von uns gewollt hat; uͤberwinde dich, ſey groß- muͤthig, ſey auch gegen das ungluͤckliche Laſter mitleidig! — Jch verſprachs ihm, wollte aber bey der Unterredung zugegen ſeyn. — Der elende Menſch heulte, da wir wieder zu ihm kamen, und foderte, daß wir nach Schottland reiſen, den Koͤr- per des Engels ausgraben laſſen, und ihn in einem zinnernen Sarg zu Dumfries beyſetzen laſſen ſollten. Zwey tauſend Guineen will er auf ihr Grabmal verwen- den,

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/260>, abgerufen am 08.05.2024.