waren bald entschlossen, abzureisen, und kamen in Windsor an; Lord Rich tiefsin- nig aber gesetzt; ich voll Unruh, voller Vorsätze und Entschlüsse. Schauer und Hitze eines wüthenden Fiebers befielen mich beym Eintritt in Derbys Haus. Mein Haß gegen ihn war so aufge- bracht, daß ich seines elenden Ansehens und der sichtbaren Schwachheit, die ihn im Bette hielt, nicht achtete. Mit stum- mer Feindseligkeit sah ich ihn an; er hef- tete seine erstorbenen Augen mit einem fiehenden Blick auf mich, und streckte seine abgezehrte rothbrennende Hand ge- gen mich. "Seymour, sagte er, -- ich kenne dich; aller Haß deines Herzens liegt auf mir; -- aber du weist nicht, wie viel wüthende Scenen in dieser Brust wegen dir entstanden sind." Jch hatte ihm meine Hand nicht gegeben, und sagte mit Widerwillen und trotzigem Kopfschüt- teln: Jch weis keinen Anlaß dazu als die Ungleichheit unsrer Grundsätze. Derby antwortete: Seymour! diesen Ton hät- test du nicht wenn ich gesund wäre, und
der
waren bald entſchloſſen, abzureiſen, und kamen in Windſor an; Lord Rich tiefſin- nig aber geſetzt; ich voll Unruh, voller Vorſaͤtze und Entſchluͤſſe. Schauer und Hitze eines wuͤthenden Fiebers befielen mich beym Eintritt in Derbys Haus. Mein Haß gegen ihn war ſo aufge- bracht, daß ich ſeines elenden Anſehens und der ſichtbaren Schwachheit, die ihn im Bette hielt, nicht achtete. Mit ſtum- mer Feindſeligkeit ſah ich ihn an; er hef- tete ſeine erſtorbenen Augen mit einem fiehenden Blick auf mich, und ſtreckte ſeine abgezehrte rothbrennende Hand ge- gen mich. „Seymour, ſagte er, — ich kenne dich; aller Haß deines Herzens liegt auf mir; — aber du weiſt nicht, wie viel wuͤthende Scenen in dieſer Bruſt wegen dir entſtanden ſind.“ Jch hatte ihm meine Hand nicht gegeben, und ſagte mit Widerwillen und trotzigem Kopfſchuͤt- teln: Jch weis keinen Anlaß dazu als die Ungleichheit unſrer Grundſaͤtze. Derby antwortete: Seymour! dieſen Ton haͤt- teſt du nicht wenn ich geſund waͤre, und
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waren bald entſchloſſen, abzureiſen, und
kamen in Windſor an; Lord Rich tiefſin-
nig aber geſetzt; ich voll Unruh, voller
Vorſaͤtze und Entſchluͤſſe. Schauer und
Hitze eines wuͤthenden Fiebers befielen
mich beym Eintritt in Derbys Haus.
Mein Haß gegen ihn war ſo aufge-
bracht, daß ich ſeines elenden Anſehens
und der ſichtbaren Schwachheit, die ihn
im Bette hielt, nicht achtete. Mit ſtum-
mer Feindſeligkeit ſah ich ihn an; er hef-
tete ſeine erſtorbenen Augen mit einem
fiehenden Blick auf mich, und ſtreckte
ſeine abgezehrte rothbrennende Hand ge-
gen mich. „Seymour, ſagte er, — ich
kenne dich; aller Haß deines Herzens
liegt auf mir; — aber du weiſt nicht,
wie viel wuͤthende Scenen in dieſer Bruſt
wegen dir entſtanden ſind.“ Jch hatte
ihm meine Hand nicht gegeben, und ſagte
mit Widerwillen und trotzigem Kopfſchuͤt-
teln: Jch weis keinen Anlaß dazu als die
Ungleichheit unſrer Grundſaͤtze. Derby
antwortete: Seymour! dieſen Ton haͤt-
teſt du nicht wenn ich geſund waͤre, und
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/256>, abgerufen am 22.11.2024.
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