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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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waren bald entschlossen, abzureisen, und
kamen in Windsor an; Lord Rich tiefsin-
nig aber gesetzt; ich voll Unruh, voller
Vorsätze und Entschlüsse. Schauer und
Hitze eines wüthenden Fiebers befielen
mich beym Eintritt in Derbys Haus.
Mein Haß gegen ihn war so aufge-
bracht, daß ich seines elenden Ansehens
und der sichtbaren Schwachheit, die ihn
im Bette hielt, nicht achtete. Mit stum-
mer Feindseligkeit sah ich ihn an; er hef-
tete seine erstorbenen Augen mit einem
fiehenden Blick auf mich, und streckte
seine abgezehrte rothbrennende Hand ge-
gen mich. "Seymour, sagte er, -- ich
kenne dich; aller Haß deines Herzens
liegt auf mir; -- aber du weist nicht,
wie viel wüthende Scenen in dieser Brust
wegen dir entstanden sind." Jch hatte
ihm meine Hand nicht gegeben, und sagte
mit Widerwillen und trotzigem Kopfschüt-
teln: Jch weis keinen Anlaß dazu als die
Ungleichheit unsrer Grundsätze. Derby
antwortete: Seymour! diesen Ton hät-
test du nicht wenn ich gesund wäre, und

der

waren bald entſchloſſen, abzureiſen, und
kamen in Windſor an; Lord Rich tiefſin-
nig aber geſetzt; ich voll Unruh, voller
Vorſaͤtze und Entſchluͤſſe. Schauer und
Hitze eines wuͤthenden Fiebers befielen
mich beym Eintritt in Derbys Haus.
Mein Haß gegen ihn war ſo aufge-
bracht, daß ich ſeines elenden Anſehens
und der ſichtbaren Schwachheit, die ihn
im Bette hielt, nicht achtete. Mit ſtum-
mer Feindſeligkeit ſah ich ihn an; er hef-
tete ſeine erſtorbenen Augen mit einem
fiehenden Blick auf mich, und ſtreckte
ſeine abgezehrte rothbrennende Hand ge-
gen mich. „Seymour, ſagte er, — ich
kenne dich; aller Haß deines Herzens
liegt auf mir; — aber du weiſt nicht,
wie viel wuͤthende Scenen in dieſer Bruſt
wegen dir entſtanden ſind.“ Jch hatte
ihm meine Hand nicht gegeben, und ſagte
mit Widerwillen und trotzigem Kopfſchuͤt-
teln: Jch weis keinen Anlaß dazu als die
Ungleichheit unſrer Grundſaͤtze. Derby
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[250/0256] waren bald entſchloſſen, abzureiſen, und kamen in Windſor an; Lord Rich tiefſin- nig aber geſetzt; ich voll Unruh, voller Vorſaͤtze und Entſchluͤſſe. Schauer und Hitze eines wuͤthenden Fiebers befielen mich beym Eintritt in Derbys Haus. Mein Haß gegen ihn war ſo aufge- bracht, daß ich ſeines elenden Anſehens und der ſichtbaren Schwachheit, die ihn im Bette hielt, nicht achtete. Mit ſtum- mer Feindſeligkeit ſah ich ihn an; er hef- tete ſeine erſtorbenen Augen mit einem fiehenden Blick auf mich, und ſtreckte ſeine abgezehrte rothbrennende Hand ge- gen mich. „Seymour, ſagte er, — ich kenne dich; aller Haß deines Herzens liegt auf mir; — aber du weiſt nicht, wie viel wuͤthende Scenen in dieſer Bruſt wegen dir entſtanden ſind.“ Jch hatte ihm meine Hand nicht gegeben, und ſagte mit Widerwillen und trotzigem Kopfſchuͤt- teln: Jch weis keinen Anlaß dazu als die Ungleichheit unſrer Grundſaͤtze. Derby antwortete: Seymour! dieſen Ton haͤt- teſt du nicht wenn ich geſund waͤre, und der

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/256>, abgerufen am 08.05.2024.