schuldet haben mag, daß sie in der schönsten Blüthe ihres Lebens aus ihrem Vaterlande gerissen, zu Grunde gerichtet, und in den elendesten Winkel der Erde ge- worfen werden mußte. Und was wollte das Verhängniß mit mir, daß ich der Henkerbube seyn mußte, der diese Verur- theilung vollzog? O ich schwör' es, wenn ich jemals eine Tochter erziehe, so soll sie alle Stricke kennen lernen, womit die Bosheit unsers Geschlechts die Unschuld des ihrigen umringt! -- Aber was hilft dieß die arme Sternheim? -- -- Komm zurück, wir wollen im Frühjahre sie ein- mal besuchen; diesen Winter muß sie aus- harren, ob sie mich schon jammert.
Einschaltung der Abschreiberinn.
Hier, meine Freundinn, müssen Sie noch etwas von meiner Feder lesen, um eine Lücke auszufüllen, welche sich in den Papieren, wovon ich Jhnen die Auszüge mittheile, findet. Meine liebe Dame wurde nach dem Anschlage des gottlosen
Lords
ſchuldet haben mag, daß ſie in der ſchoͤnſten Bluͤthe ihres Lebens aus ihrem Vaterlande geriſſen, zu Grunde gerichtet, und in den elendeſten Winkel der Erde ge- worfen werden mußte. Und was wollte das Verhaͤngniß mit mir, daß ich der Henkerbube ſeyn mußte, der dieſe Verur- theilung vollzog? O ich ſchwoͤr’ es, wenn ich jemals eine Tochter erziehe, ſo ſoll ſie alle Stricke kennen lernen, womit die Bosheit unſers Geſchlechts die Unſchuld des ihrigen umringt! — Aber was hilft dieß die arme Sternheim? — — Komm zuruͤck, wir wollen im Fruͤhjahre ſie ein- mal beſuchen; dieſen Winter muß ſie aus- harren, ob ſie mich ſchon jammert.
Einſchaltung der Abſchreiberinn.
Hier, meine Freundinn, muͤſſen Sie noch etwas von meiner Feder leſen, um eine Luͤcke auszufuͤllen, welche ſich in den Papieren, wovon ich Jhnen die Auszuͤge mittheile, findet. Meine liebe Dame wurde nach dem Anſchlage des gottloſen
Lords
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[205/0211]
ſchuldet haben mag, daß ſie in der
ſchoͤnſten Bluͤthe ihres Lebens aus ihrem
Vaterlande geriſſen, zu Grunde gerichtet,
und in den elendeſten Winkel der Erde ge-
worfen werden mußte. Und was wollte
das Verhaͤngniß mit mir, daß ich der
Henkerbube ſeyn mußte, der dieſe Verur-
theilung vollzog? O ich ſchwoͤr’ es, wenn
ich jemals eine Tochter erziehe, ſo ſoll ſie
alle Stricke kennen lernen, womit die
Bosheit unſers Geſchlechts die Unſchuld
des ihrigen umringt! — Aber was hilft
dieß die arme Sternheim? — — Komm
zuruͤck, wir wollen im Fruͤhjahre ſie ein-
mal beſuchen; dieſen Winter muß ſie aus-
harren, ob ſie mich ſchon jammert.
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Hier, meine Freundinn, muͤſſen Sie
noch etwas von meiner Feder leſen, um
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/211>, abgerufen am 23.11.2024.
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