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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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zend, daß die Lady selbst entschlossen ist,
ihn öfters zu besuchen, weil es ihr, wie
sie sagt, sehr erfreulich ist, nah an dem
Abend ihres Lebens so ergötzende Blicke
in die Schöpfung zu thun. Lord Rich,
der bisher ganz einsam gelebet, und Nie-
mand als den Pfarrer zu sehen pflegte,
ist sehr vergnügt über unsre Bekannt-
schaft, und kömmt oft zu uns. Sein
Thun und Lassen scheint mit lauter Ruhe
bezeichnet zu seyn, gleich als ob seine
Handlungen die Natur der Pflanzenwelt
angenommen hätten, die unmerksam, aber
unnbläßig arbeitet; doch dünkt mich
auch, daß sein Geist den moralischen
Theil der Schöpfung nun eben so unter-
suchend betrachtet, wie ehemals den phy-
sikatischen. Meine Emma, und meine
Lady Summers gewinnen viel dabey;
aber mich hat er schüchtern gemacht.
Da ich letzthin seine Meynung über meine
Gedanken wissen wollte, sagte er: "gerne
"möchte ich von den Wurzeln der schönen
"Früchte Jhrer Empfindungen reden, aber
"wir erhalten sie nur von der Hand Jh-

"rer


zend, daß die Lady ſelbſt entſchloſſen iſt,
ihn oͤfters zu beſuchen, weil es ihr, wie
ſie ſagt, ſehr erfreulich iſt, nah an dem
Abend ihres Lebens ſo ergoͤtzende Blicke
in die Schoͤpfung zu thun. Lord Rich,
der bisher ganz einſam gelebet, und Nie-
mand als den Pfarrer zu ſehen pflegte,
iſt ſehr vergnuͤgt uͤber unſre Bekannt-
ſchaft, und koͤmmt oft zu uns. Sein
Thun und Laſſen ſcheint mit lauter Ruhe
bezeichnet zu ſeyn, gleich als ob ſeine
Handlungen die Natur der Pflanzenwelt
angenommen haͤtten, die unmerkſam, aber
unnblaͤßig arbeitet; doch duͤnkt mich
auch, daß ſein Geiſt den moraliſchen
Theil der Schoͤpfung nun eben ſo unter-
ſuchend betrachtet, wie ehemals den phy-
ſikatiſchen. Meine Emma, und meine
Lady Summers gewinnen viel dabey;
aber mich hat er ſchuͤchtern gemacht.
Da ich letzthin ſeine Meynung uͤber meine
Gedanken wiſſen wollte, ſagte er: „gerne
„moͤchte ich von den Wurzeln der ſchoͤnen
„Fruͤchte Jhrer Empfindungen reden, aber
„wir erhalten ſie nur von der Hand Jh-

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[166/0172] zend, daß die Lady ſelbſt entſchloſſen iſt, ihn oͤfters zu beſuchen, weil es ihr, wie ſie ſagt, ſehr erfreulich iſt, nah an dem Abend ihres Lebens ſo ergoͤtzende Blicke in die Schoͤpfung zu thun. Lord Rich, der bisher ganz einſam gelebet, und Nie- mand als den Pfarrer zu ſehen pflegte, iſt ſehr vergnuͤgt uͤber unſre Bekannt- ſchaft, und koͤmmt oft zu uns. Sein Thun und Laſſen ſcheint mit lauter Ruhe bezeichnet zu ſeyn, gleich als ob ſeine Handlungen die Natur der Pflanzenwelt angenommen haͤtten, die unmerkſam, aber unnblaͤßig arbeitet; doch duͤnkt mich auch, daß ſein Geiſt den moraliſchen Theil der Schoͤpfung nun eben ſo unter- ſuchend betrachtet, wie ehemals den phy- ſikatiſchen. Meine Emma, und meine Lady Summers gewinnen viel dabey; aber mich hat er ſchuͤchtern gemacht. Da ich letzthin ſeine Meynung uͤber meine Gedanken wiſſen wollte, ſagte er: „gerne „moͤchte ich von den Wurzeln der ſchoͤnen „Fruͤchte Jhrer Empfindungen reden, aber „wir erhalten ſie nur von der Hand Jh- „rer

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/172>, abgerufen am 03.05.2024.