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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Jch antwortete der lieben Frau von C.
ganz aufrichtig:

"Daß es mich sehr befremdet hätte:
"eine Seele voller Empfindlichkeit so fro-
"stige Blicke in das Gebiete der Wohl-
"thätigkeit werfen zu sehen -- Sie ant-
"wortete:

"Jch erkenne ganz wohl: daß ihr thä-
"tiger Geist misvergnügt über meine Un-
"entschlossenheit werden mußte; Sie wuß-
"ten nicht, daß die Jdee des Wohlthuns
"meine erste Wahl bestimmte; aber ich
"habe so sehr erfahren, daß man andere
"glücklich machen kann, ohne es selbst zu
"werden; daß ich nicht Herz genug habe,
"mich noch einmal auf diesen ungewissen
"Boden zu wagen, wo die Blumen des
"Vergnügens sobald unter dem Nebel
"der Sorgen verblühen. --

Der äußerste Grad der Rührung war
in allen Zügen der reizenden Bildung die-
ser sanften Blondine ausgedrückt; ihr
Ton stimmte mit ein, und rief in mir die
Erinnerung des jähen Verderbens zurück,
welches meine kaum ausgesäete Hoffnung

betroffen

Jch antwortete der lieben Frau von C.
ganz aufrichtig:

„Daß es mich ſehr befremdet haͤtte:
„eine Seele voller Empfindlichkeit ſo fro-
„ſtige Blicke in das Gebiete der Wohl-
„thaͤtigkeit werfen zu ſehen — Sie ant-
„wortete:

„Jch erkenne ganz wohl: daß ihr thaͤ-
„tiger Geiſt misvergnuͤgt uͤber meine Un-
„entſchloſſenheit werden mußte; Sie wuß-
„ten nicht, daß die Jdee des Wohlthuns
„meine erſte Wahl beſtimmte; aber ich
„habe ſo ſehr erfahren, daß man andere
„gluͤcklich machen kann, ohne es ſelbſt zu
„werden; daß ich nicht Herz genug habe,
„mich noch einmal auf dieſen ungewiſſen
„Boden zu wagen, wo die Blumen des
„Vergnuͤgens ſobald unter dem Nebel
„der Sorgen verbluͤhen. —

Der aͤußerſte Grad der Ruͤhrung war
in allen Zuͤgen der reizenden Bildung die-
ſer ſanften Blondine ausgedruͤckt; ihr
Ton ſtimmte mit ein, und rief in mir die
Erinnerung des jaͤhen Verderbens zuruͤck,
welches meine kaum ausgeſaͤete Hoffnung

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[134/0140] Jch antwortete der lieben Frau von C. ganz aufrichtig: „Daß es mich ſehr befremdet haͤtte: „eine Seele voller Empfindlichkeit ſo fro- „ſtige Blicke in das Gebiete der Wohl- „thaͤtigkeit werfen zu ſehen — Sie ant- „wortete: „Jch erkenne ganz wohl: daß ihr thaͤ- „tiger Geiſt misvergnuͤgt uͤber meine Un- „entſchloſſenheit werden mußte; Sie wuß- „ten nicht, daß die Jdee des Wohlthuns „meine erſte Wahl beſtimmte; aber ich „habe ſo ſehr erfahren, daß man andere „gluͤcklich machen kann, ohne es ſelbſt zu „werden; daß ich nicht Herz genug habe, „mich noch einmal auf dieſen ungewiſſen „Boden zu wagen, wo die Blumen des „Vergnuͤgens ſobald unter dem Nebel „der Sorgen verbluͤhen. — Der aͤußerſte Grad der Ruͤhrung war in allen Zuͤgen der reizenden Bildung die- ſer ſanften Blondine ausgedruͤckt; ihr Ton ſtimmte mit ein, und rief in mir die Erinnerung des jaͤhen Verderbens zuruͤck, welches meine kaum ausgeſaͤete Hoffnung betroffen

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/140>, abgerufen am 21.11.2024.